Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge: Auch an diese Bevölkerungsgruppen denken
Egal ob Cisgender-Frau oder Transgender-Mann, der seine Gebärmutter behalten hat, oder auch Frauen, die nicht mehr sexuell aktiv ist: Sie alle sollten an der Vorsorge für Gebärmutterhalskrebs teilnehmen. Dies betonte Dr. Julia Maruani, Gynäkologin aus Marseille.
Lesedauer: ca. 4 Minuten

Der folgende Beitrag ist im Original erschienen auf Medscape.fr. (Medscape Frankreich). Er wurde von Dr. Petra Kittner ins Deutsche übersetzt. | Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Das Gebärmutterhalsscreening richtet sich in Frankreich derzeit an asymptomatische, immunkompetente und sexuell aktive Frauen im Alter zwischen 25 und 65 Jahren (in Deutschland zwischen 20 bis 65 Jahren, Anmerkung der Red.)
In ihrem Vortrag auf einer Pressekonferenz im Vorfeld der 46. Tagung der Französischen Gesellschaft für Kolposkopie und zervikal-vaginale Erkrankungen (SFCPCV) forderte Maruani, dass das Screening nicht nach der sexuellen Aktivität einer Patientin diskriminieren sollte.
Sex zwischen Frauen
Es ist eine weit verbreitete Annahme, dass nur Männer das humane Papillomvirus (HPV) übertragen können. "Wenn Sie eine sexuelle Beziehung zu einem Mann haben, dann können Sie HPV von ihm bekommen. Aber auch in einer sexuellen Beziehung zwischen zwei Frauen kann HPV durch Berührung, Körperflüssigkeiten oder Sexspielzeug übertragen werden", so Maruani, die darauf hinweist, dass 20 % der lesbischen und 30 % der bisexuellen Frauen HPV-Trägerinnen sind.
Da Frauen, die sexuelle Beziehungen zu anderen Frauen haben, fälschlicherweise davon ausgehen, dass ihre Bevölkerungsgruppe weniger betroffen ist, nehmen sie seltener an Gebärmutterhals-Screenings teil. Aufgrund des unzureichenden Screenings in dieser Gruppe treten bei ihnen auch häufiger fortgeschrittene Läsionen und Krebs auf.
Transgender-Männer
Maruani definiert Transgender-Männer als "Frauen, die ihr Geschlecht geändert haben und zu Männern geworden sind". Nicht alle von ihnen sind von der Gebärmutterhalskrebsvorsorge betroffen. Diejenigen, denen die Gebärmutter entfernt wurde, haben keinen Gebärmutterhals mehr, weshalb das Screening für sie keine Rolle spielt. Hysterektomien werden jedoch nur selten durchgeführt, da sie in den meisten europäischen Ländern für eine gesetzliche Geschlechtsänderung nicht erforderlich sind.
Die Zahlen sind besorgniserregend: 60% der Cisgender-Frauen werden untersucht, aber nur 27% der Transgender-Männer.
"Für diese Bevölkerungsgruppe ist es schwer, einen Termin beim Gynäkologen zu bekommen. Es ist nicht einfach, in einem Wartezimmer für Frauen zu sitzen", sagte Maruani und erinnerte daran, dass die Diskussion über die Übergangsphase oft die gesamte Zeit des Termins in Anspruch nimmt. Medizinische Probleme oder Präventionsmaßnahmen, die nicht mit der Transition zusammenhängen, werden in der Regel nicht besprochen.
Außerdem können Transgender-Männer, die ihren Gebärmutterhals behalten haben und sich rechtlich als Männer identifizieren, mit der Online-Terminbuchungssoftware keinen Termin vereinbaren. "Gynäkologen müssen diese Standardeinstellung ändern", sagte Maruani.
Auch erhalten Transgender-Männer keine Einladung zur Teilnahme an Gebärmutterhals- oder Brustkrebsvorsorgeuntersuchungen, da sie von den Sozialversicherungsdiensten und Vorsorgeeinrichtungen als männlich identifiziert werden. Darüber hinaus werden einige medizinische Verfahren für Männer nicht finanziert - laut Maruani ein " verwaltungstechnischer Missstand, der sich ändern muss".
Dennoch ist das Risiko, sich mit HPV zu infizieren, bei Transgender-Männern höher als in der übrigen Bevölkerung, was auf die Sexualgewohnheiten in dieser Bevölkerungsgruppe sowie auf die Neigung zu mehreren Sexualpartnern zurückzuführen ist. Die Wahrscheinlichkeit, bei der zytologischen Untersuchung Auffälligkeiten zu finden, ist größer.
Für Krebserkrankungen liegen zwar keine Daten vor, doch "wenn das Screening unzureichend, aber das Risiko einer Infektion mit HPV groß ist, ist es logisch, dass es in dieser Bevölkerungsgruppe mehr Läsionen und mehr Krebserkrankungen geben wird", so Maruani.
Sexuell inaktive Frauen
Heutzutage nimmt das Screening bei Frauen mit dem Alter ab, vor allem nach der Menopause. Dies gilt insbesondere für Frauen, die nicht mehr sexuell aktiv sind. Ein weiteres Vorurteil, mit dem es aufzuräumen gilt, ist, dass nicht mehr sexuell aktive Frauen kein Screening mehr benötigen. Denn dieses Konzept widerspricht komplett dem natürlichen Verlauf der HPV-Infektion. "Zwischen der Infektion und der Entwicklung präkanzeröser Läsionen liegen Jahre, mindestens 5. Weitere 5 Jahre liegen zwischen einer Präkanzerose und Krebs", so Maruani.
Eine Frau kann auch 20 Jahre nach der Ansteckung mit HPV noch einem Risiko ausgesetzt sein. Etwa 80 % der Frauen sind mit HPV infiziert, und 5 bis 10 % haben eine persistierende Infektion, die zur Entwicklung von Präkanzerosen führen kann.
"Eine Frau, die nicht mehr sexuell aktiv ist, sollte also nicht auf die Teilnahme an der Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge verzichten, zumal die Symptome erst in einem fortgeschrittenen Krebsstadium auftreten." Keinen Sex mehr zu haben, bedeutet nicht, dass die Vorsorgeuntersuchungen eingestellt werden können.
Welche Behandlung ist für die Partner einer nicht mehr sexuell aktiven Frau angemessen? Keine. Auf der Pressekonferenz waren sich die Spezialisten einig, dass ein positiver HPV-Test für die Partner von Bedeutung ist. Sie verwiesen jedoch darauf, dass es sich in der Regel um eine alte Infektion handelt und der oder die Partner/-in der Frau daher wahrscheinlich bereits infiziert war. Die Betroffenen sollten auch daran erinnert werden, dass in der Vergangenheit bei zytologischen Untersuchungen nicht auf HPV getestet wurde und das Virus also bereits vorhanden gewesen sein könnte. Nach Ansicht dieser Fachleute müssen Sie Ihre sexuellen Gewohnheiten nicht ändern, sondern sich nur weiterhin selbst beobachten.