
Fruchtbarkeitsbehandlung erhöht Schlaganfallrisiko postpartum
Bei Frauen, die nach Infertilitätstherapie Kinder bekommen, ist das Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle im ersten Jahr nach der Geburt doppelt so hoch wie für junge Mütter nach spontaner Konzeption. Das ergibt eine große Kohortenstudie aus den USA.1
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Autorin: Nicola Siegmund-Schultze | Redaktion: Dr. Linda Fischer
Unfruchtbarkeitsbehandlungen werden in westlichen Ländern immer häufiger. So ist der Weg zum Wunschkind für jedes sechste Paar in Deutschland nicht auf natürliche Weise möglich, sondern nur mit medizinischer Hilfe. Allein die Zahl der nach In-vitro-Fertilisation geborenen Kinder hat in Deutschland zwischen 1997 und 2021 von 6.577 auf 22.209 zugenommen.2 Etwa 364.000 Menschen, die nach In-vitro-Fertilisationszyklen geboren wurden, leben derzeit hier, dies entspricht der Zahl an Einwohnerinnen und Einwohnern einer Großstadt wie Bochum.
Hinzu kommen Menschen, die durch andere Formen der Infertilitätstherapie auf die Welt gekommen sind. In den USA sind bei circa 2 % aller Lebendgeburten Kinderwunschbehandlungen involviert.
Zur Frage, ob Unfruchtbarkeitstherapien bei der Mutter mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert sind, gestalten sich die Studienergebnisse bislang heterogen. In einer großen US-amerikanischen Studie sind Forscherinnen und Forscher dieser Frage deshalb nachgegangen.1
Kohorte: Frauen nach assistierter Befruchtung oder spontaner Konzeption, die entbunden hatten
In die retrospektive Kohortenstudie auf Basis der Nationwide Readmissions Database-Datenbank, wurden Privatpatientinnen aus 28 US-Bundesstaaten aufgenommen. Eingeschlossen waren Frauen im Alter von 15 bis 54 Jahren, die nach assistierter Befruchtung oder nach spontaner Konzeption zwischen 2010 und 2018 in einem Krankenhaus entbunden haben (Einlings- und Mehrlingsgeburten).
Unfruchtbarkeitstherapien umfassten eine große Bandbreite von intrauteriner Insemination mit und ohne ovarieller Stimulation, In-vitro-Fertilisation mit und ohne intrazytoplasmatischer Spermieninjektion bis zu künstlicher Befruchtung nach Gametenspende. Primärer Endpunkt war eine stationäre Therapie wegen eines nicht tödlichen Schlaganfalls, sowohl hämorrhagisch als auch ischämisch, im ersten Jahr nach der Entbindung.
Assistierte Befruchtung: 55 % höheres Risiko für ischämischen Schlaganfall
Von insgesamt mehr als 31 Mio. Patientinnen (n = 31.339.991) konnten Daten ausgewertet werden, davon 0,9 % nach Kinderwunschbehandlung (287.813 Frauen). Das mediane Alter in der Gruppe mit assistierter Befruchtung betrug 32,1 Jahre (Range: 28,5–35,8 Jahre), das in der Gruppe mit spontaner Schwangerschaft 27,7 Jahre (Range: 23,1–32,0 Jahre).
Die Rate der stationären Aufnahmen wegen eines nicht tödlichen Schlaganfalls innerhalb der ersten 12 Monate nach Geburt betrug 37/100.000 Frauen nach Kinderwunschbehandlung und 29/100.000 Frauen bei spontaner Konzeption.
Das Risiko für einen stationär therapierten Schlaganfall war damit in der Gruppe mit assistierter Befruchtung um 66 % erhöht gegenüber den Müttern mit spontaner Konzeption (Hazard Ratio HR: 1,66; 95-%-Konfidenzintervall KI: 1,17–2,35).
Der Unterschied war besonders deutlich für Schlaganfälle durch Hirnblutungen: Hier war das Risiko in der Gruppe mit assistierter Befruchtung doppelt so hoch wie in der Gruppe mit spontaner Befruchtung (adjustierte aHR: 2,02; 95-%-KI: 1,13–3,61).
Für ischämische Schlaganfälle lag das Risiko für Frauen mit Infertilitätstherapie bei plus 55 % im Vergleich zu Frauen mit spontaner Konzeption (aHR: 1,55; 95-%-KI: 1,01–2,39).
Die Risikodifferenzen nahmen mit der Beobachtungszeit zu, vor allem für hämorrhagische Schlaganfälle, waren aber schon ab 30 Tagen nach der Entbindung erkennbar.
Nach Kinderwunschbehandlung auf Schlaganfallrisiken untersuchen
Junge Mütter, die durch Kinderwunschbehandlung schwanger werden, bedürfen nach Meinung der Autorinnen und Autoren ganz besonders der frühen und kontinuierlichen Untersuchung auf Schlaganfallrisiken.
Für die Assoziation zwischen Unfruchtbarkeitstherapie und Schlaganfall seien 3 Erklärungen denkbar:
- Die Behandlung könne zu ischämischen Plazentaerkrankungen beitragen wie Plazentarupturen oder Präeklampsie sowie zu Störungen der Nierenfunktion oder des Stoffwechsels (Stichworte: präexistierender Diabetes oder Schwangerschaftsdiabetes). Diese Faktoren wiederum könnten das Schlaganfallrisiko erhöhen.
- Außerdem wäre es möglich, dass die Behandlung endotheliale Läsionen fördere und damit auch die Induktion eines prothrombotischen Status.
- Die Gruppe von Frauen, die eine Unfruchtsbarkeitstherapie erhält, könnte schon vor der Behandlung ein erhöhtes Schlaganfallrisiko haben.
Dieser Beitrag ist im Original auf Univadis.de erschienen.