
PCOS: Diagnosekriterien werden komplexer Erkrankung nicht immer gerecht
Das polyzystische ovarielle Syndrom (PCOS) ist eine relativ häufige endokrine Störung der Frau mit Auswirkungen auf Fertilität und Stoffwechsel. Die Pathophysiologie ist komplex und multifaktoriell und die verschiedenen Diagnose-Scores haben ihre Schwächen, wie Wissenschaftlerinnen aus dem Libanon in einer Übersicht darstellen.1
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Autorin: Maria Weiß | Redaktion: Dr. Linda Fischer
3 Faktoren, die zum Krankheitsbild PCOS beitragen
Hyperandrogenismus: Der Überschuss an männlichen Hormonen ist zumeist multifaktoriell bedingt, wobei genetische Faktoren und Umweltfaktoren eine Rolle spielen können. Symptome sind Hirsutismus, androgene Akne und/oder Alopezie. Die klinische Diagnose kann über das Ausmaß des männlichen Behaarungsmusters erfolgen (modified Ferriman Gallwey score) – fehlen Zeichen des Hirsutismus, müssen die Androgenspiegel im Blut bestimmt werden.
Insulinresistenz und Hyperglykämie: 12 – 60 % der Patientinnen mit PCOS haben eine Insulinresistenz – unabhängig von Adipositas und Androgenspiegeln. Die erhöhte Insulinsekretion trägt über verschiedenen Wege zur vermehrten Androgenbildung bei und kann die Entwicklung und das Wachstum von Ovarialfollikeln beeinträchtigen.
Anti-Müller-Hormon (AMH): Frauen mit PCOS haben höhere AMH-Spiegel als normalerweise, was bisher aber bei der Diagnosestellung noch nicht genutzt wird.
Folgeerkrankung des PCOS ist bei knapp 50 % der Betroffenen ein metabolisches Syndrom mit bauchbetonter Adipositas, Hypertonie, Dyslipidämie und Hyperglykämie. Durch das Hormonungleichgewicht kommt es zudem häufig zu einer ovariellen Dysfunktion mit Infertilität.
Über die Zeit verschiedene Diagnosekriterien entwickelt
NIH-Kriterien: Der vom National Institutes of Health in den 1990-er Jahren entwickelte Score umfasste die beiden Kriterien
- Oligo/Anovulation und
- Hyperandrogenismus,
die nach Ausschluss anderer Ursachen beide erfüllt sein mussten.
Rotterdam-Kriterien: Hier müssen für die Diagnose 2 der 3 folgenden Kriterien erfüllt sein:
- Oligo- oder Anovulation
- klinische/biochemische Zeichen des Hyperandrogenismus
- Morphologie eines polyzystischen Ovars (PCOM)
Androgen Excess–PCOS (AE-PCOS): Hier müssen die 3 folgenden Kriterien erfüllt sein:
- Hyperandrogenismus
- ovarielle Dysfunktion, einschließlich Oligo-Anovulation und/oder PCOM
- Ausschluss anderer Störungen mit Androgenexzess wie Cushing-Syndrom, angeborene adrenale Hyperplasie, Schilddrüsenfunktionsstörungen, vorzeitige Eierstockinsuffizienz oder Androgen-produzierende Tumoren.
Bei den AE-PCOS- und NIH-Kriterien muss für die Diagnose immer ein Hyperandrogenismus vorliegen, bei den am gebräuchlichsten Rotterdam-Kriterien ist das nicht unbedingt der Fall, sodass hier die meisten Patientinnen eingeschlossen werden.
Kriterien lassen einige Faktoren unberücksichtigt
Die Anwendung dieser Diagnosekriterien ist durch zahlreiche Faktoren limitiert und sie werden der Komplexität des Krankheitsbildes nicht gerecht, schreiben die Autorinnen. Die assoziierten Stoffwechselstörungen wie Hyperinsulinämie bleiben unberücksichtigt und bei Teenagern ist keine klare Abgrenzung von der normalen Pubertätsentwicklung möglich. Zudem kommt es häufig zu einer Verstärkung der PCOS-Symptome durch psychischen Stress, Ernährung oder Übergewicht.
Eine Verbesserung erhoffen sich die Autorinnen durch die Anwendung der künstlichen Intelligenz, mit der spezifischere Ultraschallmuster der Eierstöcke herausgearbeitet werden und zusätzliche Faktoren berücksichtigt werden können. Auch weitere Studien zum besseren Verständnis der Pathogenese der Erkrankung sind notwendig.