
Impfung gegen Covid-19 beeinträchtigt nicht die Fruchtbarkeit
Die aktuelle Covid-19-Pandemie scheint ein fruchtbarer Nährboden für Verschwörungstheorien, Fehlinformationen und Impfgegner. Reproduktionsmediziner des Universitätsklinikum Jena beziehen nun Stellung und räumen mit dem Mythos auf, mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 könnten unfruchtbar machen. 1
Lesedauer: ca. 2 Minuten

Derzeit sind zwei mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 in Europa zugelassen: Comirnaty® von BioNTech/Pfizer und COVID-19 Vaccine Moderna® von Moderna. Beide Impfstoffe beruhen auf einer mRNA, die den genetischen Bauplan für das Spike-Oberflächenprotein des Virus SARS-CoV-2 enthält. Nach einer Impfung bilden die Körperzellen im Bereich der Injektionsstelle Proteine, die der Oberfläche der Coronaviren ähneln. Immunzellen werden so angeregt, gegen das Spikeprotein-gerichtete Antikörper zu bilden.
Behauptung: Gebildete Antikörper wirken auch gegen Plazenta
Seit Ende 2020 grassieren in den sozialen Medien Behauptungen, wonach diese Antikörper auch Bestandteile der Plazenta angreifen und so zur Unfruchtbarkeit führen. Dies berichten Prof. Dr. Udo Markert, Leiter des Plazenta-Labors der Klinik für Geburtsmedizin sowie Prof. Dr. Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Jena. Die Ärzte nehmen in einer Meldung nun Stellung zu diesem Gerücht.
Ähnlichkeiten zwischen Spike-Protein und Syncytin-1
Das Corona-Spike Protein besteht aus 1273 Aminosäuren. Darin enthalten ist die aus 5 Aminosäuren bestehende Sequenz VVNQN. Eine ähnliche, aber nicht identische Sequenz aus 5 Aminosäuren (VVLQN) befindet sich im Protein Syncytin-1 an Position 378-382. Syncytin-1 ist ein Protein aus 538 Aminosäuren, das in der menschlichen Plazenta gebildet wird, und somit eine Strukturähnlichkeit von ca. 0,75% aufweist. Die VVLQN-Aminosäuren-Sequenz liegt im Synzytiotrophoblast unterhalb der Oberfläche zwischen den beiden Lipidschichten der Oberflächenmembran und ist somit für eventuelle Antikörper nicht direkt erreichbar.
Die Behauptung laute: Der Impfstoff rufe nicht nur eine Immunantwort gegen das Corona-Spike-Protein hervor, sondern richte sich auch gegen das Syncytin-1 in der Plazenta und führe so zur Infertilität.
Dem entgegnen die Autoren: Träfe dies zu, müsste auch oder erst recht eine Covid-19-Erkrankung zu einer Infertilität führen, erklären die Jenaer Ärzte. In diesem Fall sei die Antigen-Belastung der Patientin durch das Corona-Spike Protein viel höher. Auch die Bildung von Antikörpern infolge einer Infektion wäre deutlich erhöht und damit unkalkulierbarer als nach einer Impfung. Diese Behauptung sei deshalb höchst unwahrscheinlich und durch die bisherigen Erfahrungen mit Covid-19 erkrankten Schwangeren nicht bestätigt.
Erfahrungen mit anderen ähnlichen Antikörpern widerlegen Behauptung
Bereits vor einigen Jahren wurde ein therapeutischer IgG4-Antikörper (Temelimab) gegen das HERV-W-env Protein zur Behandlung verschiedener Autoimmunerkrankungen (z.B. Multiple Sklerose oder Diabetes mellitus) entwickelt. Dieses Protein besitzt eine 81% Homologie mit dem Syncytin-1 Protein.
In-vitro-Experimente mit dem therapeutischen Antikörper konnten zeigen, dass dieser praktisch nicht an Syncytin bindet und keinen Einfluss auf die Funktionalität von Syncytin in Bezug auf die Synzytiotrophoblast-Zellfusion hat, die für eine normale Plazentaentwicklung wichtig ist.
Fazit und Rat der Autoren: Frauen sollten sich impfen lassen
Auch aus Sicht der Plazenta-Forschung und Reproduktionsmedizin sind diese inzwischen weit verbreiteten Behauptungen völlig unbegründet. Die Experten raten weiterhin allen Frauen zu einer Impfung, um eine Covid-19-Erkrankung und deren großenteils noch unbekannten langfristigen Folgen zu vermeiden.