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Gynäkologie

23. Mai 2023
Malignom zerstörte Kinderwunsch

„Wunderbaby“ nach Ovarektomie und IVF

Ein ungewöhnlicher Patientenfall: Eine Frau in Großbritannien hat ein „Wunderkind“ zur Welt gebracht, nachdem ihr im Rahmen einer lebensrettenden Krebstherapie die Ovarien entfernt worden waren.

Lesedauer: ca. 5 Minuten

Neugeborenes schläft
Mutterschaft trotz Pseudomyxoma peritonei, das gelang im Fall einer 38-jährigen aus England. (Symboldbild) (Foto: Getty Images / Tetra Images - Mike Kemp)

Autorin: Jane Kirby | Redaktion: Sebastian Schmidt

Die 38-jährige Stacey Broadmeadow aus Stockport bei Manchester war schockiert, als bei ihr eine seltene Krebsform diagnostiziert wurde. Aber noch schwerer wog für sie die Nachricht, dass sie dadurch wohl niemals mehr Mutter eines leiblichen Kindes werden würde.

Dank der Experten des großen Krebszentrums Christie NHS Foundation Trust in Manchester wurde bei Broadmeadow das gefährliche Malignom entfernt und sie konnte ihre Eizellen einfrieren lassen. Ihr Baby wurde dann entgegen aller Wahrscheinlichkeiten geboren, nachdem nur 2 Embryonen für eine In-vitro-Fertilisation (IVF) infrage gekommen waren und der erste IVF-Versuch bereits mit einer Fehlgeburt geendet hatte.

In einem Interview mit der Nachrichtenagentur PA sagte sie: „Ich habe mir Harry immer gewünscht. Schon als ich selbst noch ein Kind war, wollte ich ein solches Baby. Er ist einfach wunderbar!“

Nach vielen Scans die Diagnose: Pseudomyxoma peritonei

Broadmeadow fühlte sich 2017 zum ersten Mal unwohl, als sie einen stechenden Schmerz in der Nähe ihres Blinddarms verspürte. Es folgten Schmierblutungen zwischen ihrer Regel, weshalb sie schließlich ihren Hausarzt aufsuchte.

„Als die Schmierblutungen einsetzten, dachte ich, irgendetwas fühlt sich nicht richtig an. Normalerweise würde ich mir darüber keine Gedanken machen, aber da ich in Zukunft Mutter werden wollte, ließ ich mich untersuchen.“

Ihr Hausarzt schloss eine Schwangerschaft aus und schickte sie zu einer Ultraschalluntersuchung, bei der ungewöhnliche Befunde erhoben wurden. Es wurden ein CT und Blutuntersuchungen durchgeführt, bei denen auch nach Krebsmarkern gesucht wurde.

Bei weiteren Scans wurde in ihrer Gebärmutter Flüssigkeit festgestellt. Nach einem MRT wurde sie schließlich ins Christie Hospital überwiesen. Ein Onkologe dort hatte den Verdacht auf ein seltenes Pseudomyxoma peritonei (PMP), und warnte sie, dass sie ihre Eierstöcke verlieren könne.

„Ich war am Boden zerstört, völlig verzweifelt. Ich dachte buchstäblich, das war´s. Ich werde nie ein Kind bekommen. Ich werde mir nie diesen Traum erfüllen können. Aber zum Glück war meine Ärztin sehr positiv eingestellt und machte mir Hoffnung, dass Alles gut wird und die Prognose gut sei.“

Das PMP ist ein sehr seltenes Malignom, das als muzinöse Neoplasie der Appendix beginnt. Es erzeugt eine gallertartige Substanz. Die Appendix kann dann perforieren und Zellen und Schleim in der gesamten Bauchhöhle und zwischen den Darmschlingen verteilen. Zu den Symptomen gehören Schmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen und Stuhlunregelmäßigkeiten.

Eizellenentnahme zwischen den Operationen

Broadmeadow unterzog sich einer ersten Operation im Christie Hospital, aber ihr war da bereits bewusst, dass sie eine weitere Operation benötigen würde, um ihre Milz, Gallenblase, Eileiter und beide Eierstöcke zu entfernen. Anschließend würde eine hypertherme intraperitoneale Chemoperfusion (HIPEC) direkt in das Abdomen gegeben, um alle verbliebenen Tumorzellen abzutöten.

„Ich hatte das große Glück, dass mir zwischen den beiden Operationen vom staatlichen Gesundheitsdienst NHS Eizellen entnommen werden konnten“, sagte sie. „Ich ging ins St. Mary's Hospital (in Manchester) und ließ mir in 2 Eingriffen Eizellen zum Einfrieren entnehmen. Daraus resultierten 17 Eizellen, wofür ich sehr, sehr dankbar bin. Nach der 2. Eizellenentnahme wurde eine 2. große Operation über 8 Stunden durchgeführt.“

Broadmeadow benötigt über 3 Monate, um sich von der Operation zu erholen, und musste sich sehr gewissenhaft vor dem Corona-Virus schützen, um keinen schweren Verlauf zu riskieren. Im Jahr 2021 begann dann der Behandlungsprozess, der schließlich dazu führte, das Baby Harry zur Welt kam.

17 Eizellen und am Ende nur eine Chance

„Man könnte meinen, 17 Eizellen seien viel – sind es aber nicht“, sagt sie weiter. „Nach dem Auftauen waren noch 8 mehr oder weniger brauchbar. Nach der Befruchtung im Reagenzglas hatten wir 4 Embryonen gewonnen, aber nur 2 von ihnen schafften es in die nächste Phase. Ich hatte also nur noch 2 Embryonen übrig. Einer wurde dann transferiert, aber ich erlitt damit leider eine Fehlgeburt. Bei dem anderen Embryo, also bei Harry, sagte man mir, dass er nicht der lebensfähigste sei, aber sie legten ihn trotzdem in den Gefrierschrank.“

„Nach der Fehlgeburt dachte ich, dass der Traum vorbei sei und ich nie ein Baby bekommen würde, aber dann dachte ich, ich habe noch eine letzte Chance, also werde ich es versuchen.“

Der letzte Embryo wurde im Februar 2022 transferiert. Broadmeadow konnte ihr Glück kaum fassen, als sie schwanger wurde. Harry kam im November letzten Jahres zur Welt.

„Er ist ein absolutes Wunder“, sagt sie, „jedes Mal, wenn ich ihn anschaue, denke ich, was für ein Glück ich habe. Bei dieser schlimmen Diagnose, was ich alles durchmachen musste und dann die Aussage, dass dieser kleine Embryo nicht der Fitteste war... Ich nenne ihn meinen kleinen Nemo. In dem Film war Nemo ja das letzte kleine Ei, das übrigblieb. Also ist er mein Nemo, mein kleines Wunder. Er ist einfach so besonders.“

Broadmeadow befindet sich derzeit im Mutterschaftsurlaub von ihrem Job als Theaterdirektorin am Palace and Opera House in Manchester. Sie sagt, dass sich ihr Leben seit der Geburt von Harry komplett verändert habe.

„Mein Lebensinhalt war meine Karriere, ich habe 12 oder sogar 14 Stunden am Tag gearbeitet, und das fast täglich“, sagt sie, „aber jetzt hat sich alles zum Guten gewendet. Ich habe das Gefühl, dass ich mit diesem kleinen Kerl so viele Abenteuer erleben werde. Wir werden so viel Spaß haben. Mein Leben wird ausgeglichener sein, voller Liebe und Glück“.

Auch Broadmeadows Mutter Susan blühte auf. Sie hat bereits 2 erwachsene Enkelkinder, eines ist 24 und das andere 22 Jahre alt, also sei es an der Zeit, wieder ein Baby in der Familie zu haben.

Rebecca Halstead, leitende onkologische Fachpflegerin im Christie Hospital, unterstützte Broadmeadow während ihrer Fruchtbarkeitsbehandlung: „Für Patienten wie Stacey da zu sein, ist der Grund, warum ich diesen Beruf gewählt habe. Ein PMP ist selten und viele Patienten werden nicht diagnostiziert oder erhalten eine falsche und unangemessene Behandlung, bevor sie richtig diagnostiziert werden.“

„Hier am Christie haben wir heute aber nicht nur das Fachwissen und die Technologie, um die Erkrankten zu behandeln, sondern wir betreiben auch Forschung, von der Patienten und Patientinnen in der Zukunft profitieren werden.“

Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape.com erschienen.

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