Frustrane Geburtseinleitung: Therapieoptionen im Überblick
Mehr als jede 5. Geburt wird in Deutschland eingeleitet. Was ist aber zu tun, wenn es bei der Geburt trotz Einleitung nicht weitergeht? Antworten auf diese Frage lieferte Dr. Verena Bossung auf dem DGGG-Kongress 2022.
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geburtshilflichen Alltag. (Foto: GettyImages / E+ / Symbolbild)
Der folgende Beitrag basiert auf dem Vortrag "Behandlungsoptionen bei langen und frustranen Einleitungen" von Dr. Verena Bossung, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Universitätsspitals Zürich, der auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. 2022 präsentiert wurde. | Redaktion: Dr. Nina Mörsch.
Aus historischer Sicht gilt eine Einleitung als frustran, wenn innerhalb von 24 Stunden keine Geburt erfolgt, erklärt Bossung. Banos et al.1 bezeichnen indes das Nicht-Erreichen der aktiven Eröffnungsphase - wenn der Muttermund sich nicht weiter als 4-5 cm öffnet - als frustrane Einleitung. Amerikanische Gynäkologinnen und Gynäkologen betrachten die Weheneinleitung indes als gescheitert, wenn nach abgeschlossener Zervixreifung und erfolgtem Blasensprung oder Amniotomie, Oxytocin mindestens 12 – 18 Stunden erfolglos verabreicht wurde.
Einleitungsindikationen prüfen!
Folgende Faktoren erhöhen nach Angaben von Bossung das Risiko einer frustranen Einleitung:
- Erstgebärende
- Unreife Zervix: Bishop-Score <6 (siehe Tabelle 1)
- Frühes Gestationsalter
- Stadium nach Sectio (nicht alle Medikamente können genutzt werden)
- Maternale Adipositas
- Diabetes in der Schwangerschaft
Außerdem sei die Indikation zur Einleitung selbst ein Risikofaktor für eine frustrane Einleitung, betont Bossung und verweist auf eine große norwegische Kohortenstudie mit funktionellen Erstgebärenden (Nullipara oder nach Sectio) und eingeleiteten Wehen. Hier zeigte sich, dass Frauen nach Sectio per se ein höheres Risiko für eine wirkungslose Einleitung und eine erneute Sectio haben. Und bei Frauen, die noch niemals geboren hatten, waren ein zu großes Kind oder ein nicht-insulinpflichtiger Gestationsdiabetes die häufigsten Gründe, weshalb die Einleitung versagte.
Punkte | 0 | 1 | 2 | 3 |
---|---|---|---|---|
Dilatation | 0 cm | 1-2 cm | 3-4 cm | 5 cm |
Verkürzung | 0-30 % | 40-50 % | 60-70 % | ≥80 % |
Höhenstand | -3 | -2 | -1 oder 0 | +1 oder +2 |
Konsistenz | Derb | Mittelweich | Weich | - |
Zervixposition | Dorsal | Mediodorsal | Zentriert | - |
Behandlungsoptionen im Überblick
Zervixreifung (Bishop-Score <6)
Medikamentös:
- Misoprostol: Prostaglandin 1
- Dinoprostol: Prostaglandin 2
Mechanisch:
- Ballon (Foley, Doppelballon)
- Dilapan
Alternativ:
- Nelkentampon
- Eipollösung
- Rhizinus
Weheneinleitung (Bishop-Score >6)
- Oxytocin
- Amniotomie
Dringend empfohlen: Mifepriston zu Abortinduktionen oder bei intrauterinem Fruchttod
Um die Rate an frustranen Einleitungen bei Abortinduktion oder intrauterinem Fruchttod zu minimieren, rät Bossung dringend zur Gabe von Mifepriston vor der regulären Geburtseinleitung. In ihrer Klinik in Zürich erfolge diese ambulant und leitliniengerecht wie folgt:
Vorbehandlung mit Mifepriston 200 (-600 mg) oral
- 48 h Stunden warten (zu Hause)
- Dann reguläre Geburtseinleitung
- Misoprostol am effektivsten: Dosierung an Schwangerschaftswoche angepasst
- Kombination mit Ballonkatheter gut möglich
- Mifepristongabe kann wiederholt werden
„Dieses Vorgehen erspart Ihnen viele frustrane Einleitungsversuche in diesem Bereich. Wer das noch nicht so macht, unbedingt machen“, betont die Referentin
Was ist die beste Einleitungsmethode überhaupt?
Laut einer Metaanalyse aus dem Jahr 20162 weisen das geringste Risiko einer frustranen Einleitung intravenöses Oxytocin mit Amniotomie (bei reifem Zervixbefund) sowie höher dosiertes (≥ 50 µg) vaginales Misoprostol und orales Misoprostol auf.
Laut deutscher Leitlinie sollte die Applikation von Misoprostol oral erfolgen. Dies einfach deshalb, so die Ärztin, weil „es ein bisschen weniger uterine Überstimulation macht“. Zudem sollte die Amniotomie nicht als alleiniges Verfahren zur Geburtseinleitung eingesetzt werden, sondern immer in Kombination mit Oxytocin.
Frühe Amniotomie verkürzt Intervall zwischen Einleitung und Entbindung
Eine weitere systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse3 (N=1273 Schwangere, 4 Studien) bewertete die Wirksamkeit einer frühen Amniotomie (innerhalb 1 Stunde) im Vergleich zur späten Amniotomie und zum spontanen Blasensprung. Eingeschlossen waren Frauen nach Zervixreifung (Prostaglandin, Ballonkatheter).
Den Ergebnissen der Analyse zufolge verkürzt die frühe Amniotomie nach Zervixreifung die Dauer von Einleitung bis Geburt um 5 Stunden, ohne das Risiko einer Sectio zu erhöhen. Fazit der Referentin: „Ist die Zervixreifung erreicht, dann ist die Kombination aus früher Amniotomie und Syntocinon zur Einleitung die effektivste Methode.“
Kombinierte mechanische und medikamentöse Zervixreifung
Hier verwies die Referentin auf eine randomisierte Studie (n=491) von Levine et al4, in der vier Methoden zur Geburtseinleitung verglichen wurden:
1. Einleitung mittels intravaginaler Applikation von Misoprostol
2. Foley-Katheter transzervikal
3. Foley-Katheter und Misoprostol kombiniert
4. Foley-Katheter und Oxytocin kombiniert
Die Studienteilnehmerinnen erfüllten folgende Kriterien:
- 37. Schwangerschaftswoche oder später
- Einlingsgeburt mit Scheitelgeburt
- keine Kontraindikationen für eine vaginale Entbindung
- kein Blasensprung
- Bishop-Score ≤ 6
- unreife Zervix
Die Kombination aus Foley-Katheter und Misoprostol erwies sich hier als schnellste Methode und führte nach durchschnittlich 13,1 Stunden zur Geburt. Die Rate von Kaiserschnitten sowie die Komplikationsrate für Mutter und Kind waren in allen vier Gruppen gleich.
Nach Kaiserschnittentbindung: Auf keinen Fall mit Misoprostol einleiten
Nach einer Sectio sollte Misoprostol insbesondere nicht im dritten Trimenon zur Geburtseinleitung eingesetzt werden. Bei reifem Zervixbefund stellt eine Geburtseinleitung nach vorherigem Kaiserschnitt mittels Oxytocin und Amniotomie eine risikoarme Methode dar, so die Frauenärztin.
- Haben Sie Geduld!
- Einleitungsindikation prüfen! (Diabetes, Makrosomie)
- Einleitungspause für 1-2 Tage
- Kommunikation: wiederholte Aufklärung der Patientin über Vorgänge
- Supportive Maßnahmen (Zeit nehmen, Bad, Massage, spazieren gehen, Akupunktur, Homöopathie)
- Schmerztherapie
- Adäquat dosieren!
- Kombinationen nutzen: medikamentös & mechanisch
- Liegedauer Ballon >12 h nicht sinnvoll
- Amniotomie in Kombination mit Oxytocin anstreben
- Letzte Option: Schnittentbindung