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Gynäkologie

22. Aug. 2023
In Schwangerschaft und nach Geburt

Einsamkeit begünstigt perinatale Depression

Einsamkeit kann häufig zu Depressionen bei werdenden und frisch gebackenen Müttern beitragen. Ursachen dieser perinatalen psychischen Erkrankung und mögliche Lösungsansätze fassen Forscherinnen des University College London (UCL) zusammen. 1

Lesedauer: ca. 3 Minuten

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Einsamkeit als zentrale Ursache für perinatale Depression | Symbolbild (Foto: Getty Images / urbazon)

Redaktion: Dr. Linda Fischer

Die Forscherinnen konstatieren in dem Review, dass Menschen, die mit werdenden Müttern arbeiten, z. B. in Geburtsvorbereitungskursen oder in der Sprechstunde, sich der Bedeutung von Einsamkeit bewusst sein sollten. Es sei wichtig, frisch gebackene Mütter zu ermutigen, gute soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.

Die Ergebnisse der Arbeit deuten darauf hin, dass eine verstärkte Unterstützung durch Familie und medizinisches Fachpersonal hilfreich sein kann, um die negativen Auswirkungen der Einsamkeit auf die psychische Gesundheit zu verringern.

Einsamkeit zentrale Rolle bei Müttern mit Depressionen

Die in der Fachzeitschrift BMC Psychiatry veröffentlichte Meta-Analyse umfasst Berichte mit 537 Frauen aus 27 Forschungsarbeiten.1

Die Hauptautorin Dr. Katherine Adlington (UCL Psychiatry and East London NHS Foundation Trust) kommentiert: „Wir haben herausgefunden, dass Einsamkeit eine zentrale Rolle bei den Erfahrungen von werdenden und neuen Müttern mit Depressionen spielt. Wir wissen, dass Depressionen und Einsamkeit oft miteinander verbunden sind - das eine kann zum anderen führen - und dies gilt möglicherweise besonders für perinatale Depressionen.“

Sie ergänzt: „Die Geburt eines Kindes ist eine Zeit des Umbruchs und der Umwälzung, die dazu führen kann, dass man den Kontakt zu anderen Menschen und bestehenden Netzwerken, wie etwa Arbeitskollegen, verliert. Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Einsamkeit ein großes Risiko für psychische Probleme während der Schwangerschaft und für junge Mütter darstellt.“

Eine von 5 Frauen von postnataler Depression betroffen

Depressionen sind in der Perinatalperiode weit verbreitet und betreffen 1 von 6 schwangeren Frauen und 1 von 5 Frauen in den ersten 3 Monaten nach der Geburt. Sie können die Lebensqualität der frischen Eltern erheblich beeinträchtigen und sich langfristig negativ auf die kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes auswirken, schreiben die Autorinnen.

Einsamkeit durch Stigmatisierung, Angst vor Beurteilung

Die Autorinnen der Übersichtsarbeit stellten fest, dass es zwar nur begrenzt Forschungsarbeiten gibt, die sich speziell mit der Einsamkeit im Zusammenhang mit perinatalen Depressionen befassen, dass aber Einsamkeit in allen Studien als ein wichtiger Faktor auftaucht. Zu den Ursachen für die Einsamkeit gehörten

  • Stigmatisierung,
  • Selbstisolierung,
  • emotionale Abkopplung und
  • unzureichende Unterstützung.

Viele Frauen berichteten von der Angst, als „schlechte Mutter“ beurteilt zu werden, und von der Stigmatisierung der psychischen Gesundheit, die dazu beitrug, dass sie die Symptome psychischer Erkrankungen verbargen, und oft zu Selbstisolation und Rückzug führte.

Emotional abgekoppelt, wenig Unterstützung, Doppelbelastung

Viele Frauen berichteten auch von einem plötzlichen Gefühl der emotionalen Trennung nach der Geburt, von ihrem früheren Leben vor der Schwangerschaft, von anderen Müttern und von ihrem Baby. Andere berichteten von einem Missverhältnis zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Unterstützung durch ihren Partner, ihre Familie und ihr soziales Umfeld im weiteren Sinne.

Die Forscherinnen stellten auch eine Doppelbelastung für Mütter aus benachteiligten Gruppen fest, die auf eine verstärkte Stigmatisierung und eine geringere soziale Unterstützung zurückzuführen ist. Dies unterstreiche die Notwendigkeit einer gezielteren, kulturell angemessenen Unterstützung ohne Sprachbarrieren.

Unterstützung durch: klinisches Personal, andere Betroffene

Die Untersuchung gab auch Aufschluss über mögliche Lösungen: Viele Frauen berichteten, dass die Bestätigung und das Verständnis von medizinischem Fachpersonal hilfreich war und ihre Einsamkeit lindern konnte. Das deutet darauf hin, dass klinisches Personal einen größeren Einfluss auf weniger Einsamkeit haben könnte als erwartet.

Die Unterstützung durch andere Mütter mit Erfahrungen mit perinatalen Depressionen war ebenfalls hilfreich – allerdings nur, wenn diese Mütter ähnliches erlebt hatten. Ein Gespräch mit Müttern, denen es gutzugehen schien, konnte die Einsamkeit sogar noch verstärken.

Auswirkung perinataler psychischer Erkrankungen verringern

Die leitende Autorin Professor Sonia Johnson (UCL Psychiatry und Camden and Islington NHS Foundation Trust), die das Loneliness and Social Isolation in Mental Health Network am UCL mit leitet, sagte: „Wenn wir Frauen schon früh in der Schwangerschaft helfen zu verstehen, wie häufig Einsamkeit vorkommt, wie sie zu psychischen Problemen führen kann und dass es in Ordnung ist, solche Gefühle zu empfinden, könnte dies ein wichtiger Weg sein, um die Auswirkungen perinataler psychischer Erkrankungen zu verringern.“

Weiter: „Wir haben herausgefunden, dass auch Fachkräfte im Gesundheitswesen eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Frauen zu helfen, sich in ihren Erfahrungen mit Einsamkeit gehört und bestätigt zu fühlen. Diese Studie trägt dazu bei, die Bedeutung sozialer Kontakte in dieser Zeit zu verstehen. Es muss aber noch mehr getan werden, um zu erschließen, warum Einsamkeit in der Perinatalperiode eine so große Rolle spielt, und um wirksame Methoden zu entwickeln, sie zu lindern.“2

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