Der chronische Beckenschmerz der Frau
Anhaltende Schmerzen im Beckenbereich sind oft herausfordernd, da eine Vielfalt an teilweise multifaktoriell bedingten Differenzialdiagnosen infrage kommen. Mit einer ausführlichen Anamnese und gezielten Untersuchung können jedoch Patientinnen mit monokausaler Schmerzursache identifiziert werden, und es kann eine geeignete, verhältnismäßig einfache Therapie eingeleitet werden.
Lesedauer: ca. 13 Minuten

Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Der folgende Beitrag erscheint hier mit freundlicher Genehmigung des Hamburger Ärzteblatts. Autorinnen und Autoren: Dr. Anna Jacob,1 Dr. Marco Antonio Pontt Poppa,2 Setareh Huschi,2 Dr. Simone Klüber1 .
1 Asklepios Klinik Wandsbek
2 Asklepios Klinik St. Georg
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Dr. Anna Jacob
Chefärztin
Gynäkologie
Asklepios Klinik Wandsbek
E-Mail: [email protected]
Der chronische Beckenschmerz der Frau ist eine häufige und schwierige Diagnose und hinterlässt bei Behandelnden oftmals Ratlosigkeit. Grund dafür sind die nicht selten multifaktorielle Ätiologie und die Vergesellschaftung mit chronischen Schmerzsyndromen und psychischen Krankheitsbildern. Die Diagnostik wird dadurch äußerst kleinteilig und muss idealerweise durch ein multidisziplinäres Team erfolgen, was eine entsprechend komplexe und zeitaufwendige Behandlung nach sich zieht. Dieser Artikel soll helfen, Patientinnen zu identifizieren, deren Beschwerden monokausal sind und denen mit einer geeigneten, verhältnismäßig einfachen Therapie geholfen werden kann.
Große Spanne in der Prävalenz
Mit einer Prävalenz zwischen 6 und 27 Prozent stellt der chronische Beckenschmerz der Frau weltweit ein relevantes Gesundheitsproblem dar, und auch in der Bundesrepublik ist er mit 12 Prozent betroffener Frauen eine der häufigsten Diagnosen in der gynäkologischen Praxis. Die große Spanne in der Prävalenz ist vermutlich Folge einer fehlenden international gültigen Definition sowie Unterschieden in der medizinischen Versorgung, Sexualhygiene und der soziokulturellen Gepflogenheiten der Länder, was den Datenvergleich stark erschwert und uneinheitliche Angaben zu den kausalen Krankheiten zur Folge hat.1
Dauer mindestens 6 Monate und nicht mit Zyklus assoziiert
Meist beinhaltet die Definition des chronischen Beckenschmerzes eine Dauer von mindestens 6 Monaten und eine fehlende Assoziation mit dem hormonellen Zyklus. Zeigen sich sonografisch bei diesen Patientinnen keine deutlichen Auffälligkeiten, stehen die Behandelnden oft vor einer schwierigen Aufgabe.
Komplizierend kommt hinzu, dass die Patientinnen zu einem hohen Anteil zusätzlich unter psychischen Krankheiten leiden, so z.B. unter Depressionen in 25 bis 50 Prozent und Angststörungen in 10 bis 20 Prozent.2 Die Betroffenen haben einen hohen Leidensdruck, empfinden eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität und zeigen eine oft massive Reduktion der Arbeitskraft. Die Kosten, die durch Arbeitsausfall, Therapie und Diagnostik entstehen sind immens. In den USA werden beispielsweise etwa 40 Prozent aller gynäkologischen Laparoskopien zur Abklärung chronischer Schmerzen durchgeführt.3
Eine Übersicht über alle Ursachen des chronischen Beckenschmerzes zu geben, übersteigt bei Weitem den Umfang dieses Artikels, zumal auch somatoforme Schmerzen und die Assoziation mit chronischen Schmerzsyndromen, z.B. der Fibromyalgie, eine große Rolle spielen. Es sollen hier diejenigen Krankheitsbilder erwähnt werden, die – wenn sie nur bedacht werden – durch gezielte Diagnostik identifiziert und mit einer verhältnismäßig einfachen Therapie behandelt werden können, sodass den betroffenen Frauen zu einer besseren Lebensqualität verholfen werden kann.
Adenomyose
Die Adenomyose ist eine Erkrankung der uterinen Muskulatur, bei der endometriale
Drüsen und endometriales Stroma im Myometrium nachgewiesen werden können. Diese ektope Schleimhaut führt klinisch zu chronischen Schmerzen, einer asymmetrischen oder diffusen Vergrößerung des Organs und zu Blutungsstörungen im Sinne von Dysmenorrhoe, Menorrhagie und Hypermenorrhoe. Obwohl eine Vergesellschaftung mit der Endometriose beobachtet wird, handelt es sich um eine eigene Entität, und es müssen nicht zwangsläufig Endometrioseherde nachweisbar sein. Die Prävalenz der Adenomyose wird je nach untersuchtem Kollektiv sehr unterschiedlich und wahrscheinlich oft zu hoch geschätzt, da sie z.B. an Hysterektomie-Kollektiven oder Patientinnen mit Schmerzen erhoben wird.
Prävalenz: Aber auch die Angaben für symptomlose Patientinnen schwanken stark. In einem gesunden, unbehandelten Kollektiv wurde z.B. eine Prävalenz von 0,8 Prozent, mit einem Peak von 1,5 Prozent zwischen 41 und 45 Jahren erhoben. 4 In einem gewollt kinderlosen Kollektiv zwischen 18 und 30 Jahren zeigte sich hingegen eine sonografisch erhobene Prävalenz von 34 Prozent.5
Die Ursache der Adenomyose ist nach wie vor ungeklärt. Zweifelsohne besteht aber ein Zusammenhang zur Hormonproduktion der fertilen Lebensjahrzehnte, da nach der Menopause die Beschwerden üblicherweise sistieren.
Als diagnostisches Mittel steht, neben der typischen Anamnese, die vaginale Ultraschalluntersuchung als verlässliches Mittel zur Verfügung. Wurde in der Vergangenheit vor allem die Magnetresonanztomografie (MRT) zur Diagnostik herangezogen, konnte inzwischen gezeigt werden, dass die transvaginale Sonografie in Sensitivität und Spezifität vergleichbar ist, wenn der Untersucher weiß, worauf es zu achten gilt.6
Anzeichen für eine Adenomyose können sein: ektopes, im Myometrium darstellbares Endometrium, eine lokal oder ubiquitär verdickte Muskelschicht und eine vermehrte Durchblutung. Die lokal verdickte Uteruswand ist das am einfachsten zu diagnostizierende Anzeichen einer Adenomyose. Das ektope Endometrium zeigt sich als Inhomogenität des Myometriums, hervorgerufen durch echogene Knoten oder streifige Veränderungen. Auch zystische Strukturen, sogenannte Lakunen, können entstehen. Die schlechtere Abgrenzbarkeit des Endometriums gegen das inhomogene Myometrium ist ein weiteres typisches Zeichen, ebenso wie die Verbreiterung der Junktionalzone (Abb. 1).7


Die Therapie der Adenomyosis uteri gründet sich auf zwei Säulen: die Hormon- und die
operative Therapie, wobei Letztere wie immer die Ultima Ratio sein sollte. Medikamentös stehen verschiedene Regime zur Verfügung, weitere werden zurzeit erforscht. Zu den Standardtherapien gehört die Therapie mit Gestagenen, die auf verschiedene Weise appliziert werden können:
Gestagene führen zu einer endometrialen Atrophie und somit zu einer signifikanten
Reduktion der Blutungen und Schmerzen. Insbesondere gestagenhaltige Intrauterinpessare können hier, aufgrund der geringen Serumkonzentration, eine wenig belastende Option zur Langzeittherapie sein. Eine weitere Option ist die Gabe von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH)-Analoga, im Optimalfall in Kombination mit einer Add-Back-Therapie zur Reduktion der Nebenwirkungen: Der proliferative Effekt des Östrogens wird dabei unterbrochen,und es folgt die Apoptoseinduktion im adenomyotischen Gewebe. Außerdem werden auch kombinierte orale Kontrazeptiva mit gutem Erfolg eingesetzt – trotz des Mangels an prospektiv-randomisierten Daten.8
Für Patientinnen mit abgeschlossener Familienplanung oder Kontraindikationen für eine hormonelle Therapie ist die Hysterektomie eine äußerst effektive Therapieoption mit einer hohen Zufriedenheit von bis zu 93 Prozent und einer besseren Lebensqualität in 84 Prozent der Fälle. Patientinnen mit Adenomyose berichten dabei signifikant häufiger über Beschwerdefreiheit nach Hysterektomie
als solche ohne Adenomyose. Ob die Cervix bei der Operation erhalten bleibt, scheint für
den Therapieerfolg unerheblich zu sein.9
In den vergangenen Jahren ist eine weitere Therapiemethode hinzugekommen, die bereits in der Behandlung des Uterus myomatosus gute Ergebnisse gezeigt hatte: die Embolisation der Arteria uterina. In kleineren Studien konnten hier sehr gute Erfolge in Bezug auf Symptomkontrolle und Steigerung der Lebensqualität beobachtet werden, sodass die Hysterektomie bei bis zu 96 Prozent der teilnehmenden Patientinnen vermieden werden konnte. 10, 11
Myofaszialer Beckenschmerz
Der myofasziale Beckenschmerz (myofasziales Schmerzsyndrom) beschreibt einen chronischen Schmerz, der seinen Ursprung in den Muskeln, Bändern oder Faszien des Beckens hat. Es wird angenommen, dass ein großer Anteil der Patientinnen (14 bis 78 Prozent) mit chronischem Beckenschmerz exklusiv oder zusätzlich ein myofasziales Schmerzsyndrom aufweist. Die weite Spanne lässt erahnen, wie schwierig dabei die Differenzierung ist.12
Myofaszialer Schmerz tritt deshalb so häufig in Assoziation mit Beschwerden anderer Ursache auf, weil er durch eine Art „Schonhaltung“ entstehen kann, die wegen des chronischen Schmerzes eingenommen wird. Die Schmerzen werden dann durch eine zwar schwache, aber anhaltende Anspannung verursacht, die dazu führt, dass der Muskel insgesamt verhärtet oder schmerzhafte Knoten, die typischen „Triggerpunkte“, ausbildet.13 Analog dazu kann die betroffene Patientin sehr genau angeben, wo und in welcher Situation Schmerzen auftreten. Oft ist eine ausgeprägte Dyspareunie vorhanden, die auf Nachfrage exakt beschrieben werden kann, z.B. bezüglich der Position, in der sie besonders ausgeprägt ist. 14, 15.
Da Triggerpunkte oft als gesondertes Symptom übersehen werden und den initialen Auslöser „überleben“ können, muss bei typischer Anamnese in der gynäkologischen Praxis eine systematische Palpation erfolgen. Die Muskeln können sich dabei durch die chronische Anspannung und Verhärtung anfühlen wie Sehnen, die nicht selten den Vaginalkanal seitlich verengen. Der Schmerz lässt sich dort immer wieder reproduzieren und wird von der Patientin sicher angegeben. Auch wenn Triggerpunkte als alleinige Schmerzursache auftreten können, muss in der Anamnese der Vergesellschaftung mit weiteren Diagnosen Rechnung getragen werden und weitere Symptome genau erfragt werden. Chronische Schmerzsyndrome wie die Fibromyalgie kommen dabei ebenso infrage wie die Endometriose, urgency (Drang mit oder ohne Inkontinenz), Vulvodynie, „painful bladder syndrome“ (Blasenschmerzsyndrom) oder ein Reizdarmsyndrom. Auch
eine chronische Fehlhaltung, skelettale Fehlbildung oder eine vaginale Entbindung können Ursachen sein.16–18
Trotz der Vergesellschaftung mit anderen Diagnosen lohnt sich oft ein lokaler Therapieversuch. Als Goldstandard zur Therapie der Triggerpunkte hat sich die Infiltrationstherapie bewährt. Dabei werden kleine Mengen eines Lokalanästhetikums einmalig oder wiederholt direkt in die schmerzhaften Muskeln injiziert. Mehrere Vergleichsstudien mit Placebo- oder Botox-Infiltration und systemischer Schmerztherapie konnten eine Überlegenheit der lokalen Anästhetika zeigen. In einzelnen Studien konnte eine sofortige Schmerzfreiheit bei 58 Prozent der Patientinnen dokumentiert werden, die verbliebenen 42 Prozent gaben nur noch minimale Schmerzen an. 19–22 Unter der Annahme, dass Procain selektiv zarte unmyelinisierte Schmerzfasern betäubt, wird dieses gern zur Infiltration verwendet. Vergleichsstudien mit Lidocain oder Bupivacain, die eine Überlegenheit beweisen, liegen jedoch nicht vor.23 Auch die lokale Massage und Mobilisation der angespannten Muskeln können Erfolge erzielen, sofern eine gute Anleitung und ausreichende Compliance gegeben sind.24
„Pelvic inflammatory disease“ (Beckenentzündung oder
Adnexitis)
Adnexitis)
Als „pelvic inflammatory disease“ (PID) werden Infektionen des inneren Genitals und
Unterbauchs bezeichnet. Diese sind meist Folge einer aufsteigenden Infektion aus Vagina und Cervix uteri, wobei in 15 Prozent der Fälle auch eine hämatogene oder lymphogene Besiedlung aus Darm oder Respirationstrakt vorkommen kann. 25
Typischerweise handelt es sich um eine akut verlaufende Infektion, sie soll hier aber Erwähnung finden, da sie falsch oder zu spät behandelt eine der häufigsten Ursachen für chronische abdominale Schmerzen darstellt. Überwiegender Auslöser sind die sexuell übertragbaren Keime Chlamydia trachomatis und Neisseria gonorrhoeae, auch wenn diese in den vergangenen Jahren in verhältnismäßig wohlhabenden Kollektiven nur noch in unter 50 Prozent der Fälle nachgewiesen werden konnten.26 Keime, die im Rahmen einer bakteriellen Vaginose die gesunde Flora überwuchern, können ebenfalls aufsteigende Infektionen verursachen (z.B. Ureaplasma urealyticum, Clostridien, Prevotella spp, Leptotrichia spp, Bacteroides spp, Peptostreptococcus spp, Mycoplasma genitalium und Atopobium vaginae). 27, 28
Die Erkrankung wird immer seltener diagnostiziert, was mit dem Rückgang der Gonorrhoe und vermutlich mit dem Chlamydien-Screening junger Frauen in vielen Industrienationen zusammenhängt. Dies hat dazu geführt, dass schon im asymptomatischen Stadium und vor der Infektion des oberen Genitaltrakts therapiert werden kann.29 Als Folge des Keimaufstiegs können schwere, teils irreversible Schäden am inneren Genital auftreten, die das Leben der Patientinnen fortan belasten. Chronische Schmerzen durch Adhäsionen, chronisch-rezidivierende Infektionen, Schädigung des Tubenepithels mit konsekutiver tubarer Sterilität sowie Extrauteringraviditäten können durch die Aszension auftreten, wobei vor allem Chlamydien und Gonokokken eine starke Schädigung der Gewebe hervorrufen und häufiger mit tubarer Sterilität assoziiert sind als andere Keime (Abb. 2).30


Risikofaktoren für die Entstehung von Langzeitschäden sind die verspätete Diagnosestellung und der damit verbundene verspätete Einsatz der korrekten Therapie. Schon eine Therapieverzögerung um 2 bis 3 Tage kann dabei das Risiko für eine tubare Infertilität oder Extrauteringravidität um das Dreifache erhöhen, weshalb empfohlen wird, schon bei Verdacht auf eine aufsteigende Infektion die antibiotische Therapie zu beginnen, auch wenn der Keimnachweis noch nicht erfolgt ist. 31
Die Diagnose der pelvinen Infektion ist in der Praxis oft schwierig zu stellen. Mit dem Rückgang von N. gonorrhoeae stellen sich weniger Patientinnen mit akutem Krankheitsbeginn und Fieber vor, und es wird davon ausgegangen, dass inzwischen die Mehrzahl der Infektionen subklinisch verläuft.32 Auch die typischen sonografischen Zeichen wie flüssigkeitsgefüllte Tuben oder, im Falle einer Abszessbildung, zystische Formationen im Bereich der Adnexen, können bei Erstvorstellung (noch) fehlen. Bei folgenden Symptomen sollte, trotz fehlendem Keimnachweis und unauffälligem sonografischen Befund, die antibiotische Therapie begonnen werden (siehe Kasten):
• Schmerzen (klassischer Portioschiebeschmerz oder diffuser Unterbauchschmerz),
• Fieber (>38,5°C),
• purulenter zervikaler Ausfluss,
• Leukozytose über 10.000/ml,
• CRP-Erhöhung,
• irreguläre vaginale Blutung,
• erhöhte Anzahl von Leukozyten im vaginalen Sekret.
Besteht die Möglichkeit einer Nativmikroskopie, ist das Fehlen von Leukozyten im vaginalen Ausstrich mit einem negativ prädiktiven Wert von 95 Prozent als annähernd sicheres Ausschlusskriterium für eine Infektion zu werten.33
Bei Verdacht auf eine Infektion sollte unverzüglich eine Therapie begonnen werden, welche Chlamydien und Gonokokken – unabhängig vom Testergebnis – mit abdeckt. Zum Einsatz kommen nach Leitlinienempfehlung meist ein Cephalosporin (z.B. Ceftriaxon) in Kombination mit Doxycyclin.
In schweren Fällen kann Metronidazol gegen Anaerobier ergänzt werden. Der Nutzen ist jedoch aufgrund des häufig unklaren Keimspektrums umstritten. Bei leichten Verläufen kann Ceftriaxon gegen Amoxicillin/Clavulansäure, bei schweren Verläufen gegen Piperazillin/ Tazobactam ausgetauscht werden. 34, 35 Sollte der Nachweis von Chlamydien oder Gonokokken gelingen, ist unbedingt an die Partnerbehandlung zu denken, da Reinfektionen häufig sind. Die Frage nach Entfernung eines liegenden Intrauterinpessars wurde viele Jahre kontrovers diskutiert. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass die Entfernung nicht zu einer schnelleren Heilung der Infektion oder weniger Langzeitschäden führt. 36
Adhäsionen
Chronische Schmerzen bei Patientinnen, die sich in der Vergangenheit einem chirurgischen Eingriff unterzogen hatten, sind keine Seltenheit, und bei fehlendem morphologischem Korrelat in der Untersuchung liegt schnell der Verdacht nahe, dass sie durch Adhäsionen hervorgerufen werden. Der ist nicht unbegründet, berichten doch 20 bis 40 Prozent aller Patientinnen nach Eingriffen im Becken oder am Gastrointestinaltrakt von chronischen Schmerzen.37–39
In zahlreichen Studien konnte eine Verbindung zwischen chronischen Schmerzen und Adhäsionen hergestellt werden, sogar Schmerzfasern konnten innerhalb der peritonealen Stränge nachgewiesen werden.40
Der Nutzen der naheliegenden chirurgischen Adhäsiolyse hat sich in den wissenschaftlichen Untersuchungen unglücklicherweise als weniger eindeutig erwiesen. So zeigte eine randomisiert-kontrollierte Studie aus dem Jahre 2003 zwar eine Symptomminderung bei 56 Prozent der Patientinnen nach einem Jahr. Die Patientinnen der Kontrollgruppe, die zwar eine Laparoskopie erhalten hatten, jedoch gänzlich ohne Adhäsiolyse, berichteten aber in 42 Prozent der Fälle ebenfalls von einer Besserung der Schmerzen auch noch 12 Monate nach dem Eingriff.41 Neben einem Placeboeffekt des Eingriffs wurde vermutet, dass durch die Anlage des Pneumoperitoneums zarte, spinnengewebsartige Adhäsionen bereits ohne einen weiteren Eingriff gelöst wurden. Diese Art der Adhäsion war in einer weiteren Untersuchung als besonders schmerzhaft identifiziert worden.42
Trotz dieses aus chirurgischer Sicht ernüchternden Ergebnisses zeigen sich in der Gesamtheit der Studien zur Adhäsiolyse Symptombesserungen in 74 Prozent der Fälle, sodass bei hohem Leidensdruck und Ausschluss anderer Ursachen die erneute Laparoskopie, auch mit Hinblick auf die sehr geringe Komplikationsrate, guten Gewissens angeboten werden kann.43
„Pelvic congestion syndrom“ (Beckenvenensyndrom)
Das „pelvic congestion syndrom“ (PCS) ist eine häufige Ursache von chronischen Schmerzen im Beckenbereich bei Frauen im gebärfähigen Alter. Die Erkrankung ist trotz der hohen Prävalenz nicht gut bekannt und wird oft unterdiagnostiziert. Häufig klagen Betroffene über langanhaltende, drückende und stumpfe Schmerzen im Unterleib vorwiegend im Sitzen und Stehen, aber auch im Liegen. Eine Besserung wird teilweise durch Änderung der Stellung und Lagerung sowie bei Bewegung empfunden. Des Weiteren können starke Regelblutungen, Dysmenorrhoe, Dyspareunie, aber auch atypische Beschwerden wie Schmerzen im Sitzbein, Varikosis der Vulva und rezidivierende Aborte im ersten Trimenon auftreten.
Die Schmerzen können zu erheblichen Einschränkungen im Alltag und nicht selten zu
Arbeitsunfähigkeit führen. Vorwiegend, aber nicht ausschließlich, sind Frauen nach multiplen Schwangerschaften betroffen. Die Prävalenz des PCS liegt bei circa 2 bis 5 Prozent in der Altersgruppe von 18 bis 50 Jahren.44, 45
Bei circa 10 Prozent der Frauen liegen variköse Veränderungen der V. ovarica vor. In circa 60 Prozent dieser Fälle besteht ein PCS.46 Das PCS wird durch eine Insuffizienz der V. iliaca interna, der V. ovarica oder beider verursacht. Der venöse Reflux führt zu einem erhöhten orthostatischen Druck des hämorrhoidalen, utero-ovarialen, sakralen und prävesikalen Venenplexus, da diese pelvinen Venen über ein gemeinsames venöses Abflusssystem drainiert werden. Der hohe intravasale Druck kann ferner zu einer Varikosis der Vulva und zu einem Reflux in die untere Extremität über Obturator- und Femoralvenen führen. Die Venendilatation wird hormonell und durch Kompression während der Schwangerschaft zusätzlich beeinflusst.
Der Nachweis der Erkrankung erfolgt über eine gezielte Bildgebung. Duplexsonografisch lassen sich parametriale Venenkonvolute und unter Umständen ein Reflux der linken V. ovarica darstellen. Der intravasale Druck der pelvinen Venen ist in der Trendelenburg- und der horizontalen Rückenlage reduziert, daher sollte die Untersuchung dynamisch unter Valsalva-Manöver durchgeführt werden. Mittels spezieller Sequenzen der MR-Phlebografie können der Reflux der V. ovarica und die pelvine Varikosis richtungsweisend dargestellt werden.
Die Diagnosestellung ist schwierig, da nicht alle Frauen mit pelviner Varikosis Beschwerden haben. Sie lässt sich zuverlässig mittels einer funktionellen Phlebografie der Vv. ovaricae und der Beckenvenen zusammen mit einer sorgfältigen Anamnese stellen. Die Phlebografie wird über eine perkutane Leistenpunktion in örtlicher Betäubung durchgeführt und ermöglicht die Einleitung von therapeutischen Maßnahmen in der gleichen Sitzung.
Zum Zweck einer dauerhaften Druckentlastung der pelvinen Venen stehen verschiedene Embolisationsmittel allein und in Kombination einschließlich alkoholischer Sklerosierungsmittel, Partikel, Metallspiralen (Coils) sowie diverser Gefäßverschlusskörper zur Verfügung. Dadurch kann eine Besserung der Beschwerden in 82,1 bis 100 Prozent der Fälle mit einer sehr niedrigen Komplikationsrate und niedriger Rezidivrate erreicht werden.47 In einem Beobachtungszeitraum von 5 Jahren wurde eine Besserung der Schmerzen in 93 Prozent und eine vollständige Remission der Beschwerden in circa 30 Prozent der Fälle beschrieben.48 Der Therapieerfolg und die Rezidivrate hängen vom Ausmaß der Embolisation ab (Abb. 3).

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