Blutungsstörungen in der Pubertät: Ein Überblick
Störungen der Menstruation können sowohl bei jungen als auch älteren Frauen auftreten. In der Adoleszenz gibt es jedoch einige Besonderheiten zu beachten. Auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. präsentierte Prof. Dr. Patricia G. Oppelt aktuelle Highlights zum Vorgehen bei den 3 häufigsten Blutungsproblemen in der Pubertät: Oligomenorrhoe, juvenile Dauerblutung und primäre Amenorrhoe.
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Der folgende Beitrag basiert auf dem Vortrag „Blutungsstörungen in der Pubertät“ von Prof. Dr. Patricia G. Oppelt, Frauenklinik des Universitätsklinikum Erlangen, auf dem diesjährigen Kongress der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. | Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Junge Mädchen: Blutungsstörung oder nicht?
Um zu erkennen, ob bei auffälligen Blutungen in der Pubertät bereits eine Störung vorliegt, ist Basiswissen über die Abläufe der Pubertät notwendig, erläutert die Gynäkologin (siehe Tabelle 1).
Ab dem 8. Lebensjahr kann die Pubertät mit Brustwachstum und/oder Pubarche beginnen.
Als Faustregel gilt: Ungefähr 2 1/2 Jahre nach Beginn der Thelarche ist die erste Monatsblutung zu erwarten.
Veränderungen | Zeitraum |
Erste Schambehaarung (Pubarche) | 8. – 13. Jahre |
Erster pubertärer Wachstumsschub | 8. – 15. Jahre |
Wachstumsbeginn Scheide und Uterus | 9. – 13. Jahre |
Beginn Brustwachstum (Thelarche) | 8. – 16. Jahre |
Erste Monatsblutung (Menarche) | 10. – 16. Jahre |
Erster Eisprung (Ovularche) | Etwa 12. – 18. Jahre |
Volle Brustentwicklung | 12. – 17. Jahre |
Intimsphärenentwicklung | Etwa 13. Jahre |
Doch was ist zu früh? „Alles, was vor dem 8. Geburtstag passiert und/oder eine Blutung vor dem 8. Geburtstag“, erläutert Prof. Oppelt. Diese Mädchen würden jedoch nicht in der frauenärztlichen Praxis betreut, sondern an einen Facharzt oder -ärztin aus der Kinderendokrinologie überwiesen.
Frauenärztinnen und Frauenärzte beschäftigten sich vielmehr mit der verspäteten Pubertät (Pubertas tarda), die laut der kinderärztlichen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und - diabetologie (DGKED) durch folgendes gekennzeichnet sein kann:
- Ausbleiben von Pubertätszeichen jenseits eines chronologischen Alters von 13,5 - 14 Jahren
- Das Durchlaufen der Pubertät von einem Stadium B2 bis zur Menarche beträgt mehr als 5 bis 5 1/2 Jahre
- Eine begonnene Pubertätsentwicklung steht länger als 18 Monate still
Häufig gehe damit auch die primäre Amenorrhoe einher, erklärt die Referentin. Hier würde sie allerdings nicht 5 Jahre abwarten, wie in der Leitlinie zur Pubertas tarda und Hypoginadismus angegeben, sondern der Ursache früher auf den Grund gehen.
Menarchealter in Deutschland heute vs. früher
Heute setzt die Menarche deutlich früher ein als noch vor 150 Jahre, als die meisten Mädchen das erste Mal mit 16,6 Jahren bluteten. Im Hinblick auf die letzten 30 Jahre hat sich dieser Trend nicht fortgesetzt, d.h. die Mädchen, die das erste Mal bluten, sind seitdem nicht mehr jünger geworden. Allerdings ist seit 1980 der Anteil der jungen Frauen, die bereits mit 11 oder 12 Jahren ihre erste Menstruation haben, deutlich gestiegen (17 % vs. 46 %), erklärt Prof. Oppelt.
Wann sind Blutungen abklärungsbedürftig?
In den ersten 2 Jahre nach Einsetzen der Menarche sind Zyklusstörungen physiologisch, insbesondere weil 50 bis 80 % der Zyklen anovulatorisch sind. Hier müsse also selten eingegriffen werden, so die Referentin. Bei folgenden Anzeichen sollte jedoch eine Abklärung und gegebenenfalls auch eine Therapie noch vor Ablauf der 2 Jahre erfolgen:
- Starke Gewichtsschwankungen
- Androgenisierungserscheinungen
- Abnormes Blutvolumen
- Dysmenorrhoe
- Wenn ein regelmäßiger Zyklus wieder unregelmäßig wird
Im Folgenden geht Prof. Oppelt auf die 3 wichtigsten Blutungsstörungen in der Adoleszenz ein:
1. Oligomenorrhoe
Die Oligomenorrhoe ist ein typisches Zeichen einer Hyperandrogenämie, der häufigsten hormonellen Störung im fertilen Alter. Zur Abklärung dienen folgende labormedizinische Parameter: LH, FSH, E2 Prolaktik, DHEAS, Testosteron, SHBG, FAI, 17-OHP.
- LH= Luteinisierendes Hormon
- FSH = Follikelstimulierendes Hormon
- DHEAS = Dehydroepiandrosteronsulfat
- SHBG = Sexualhormon-bindendes-Globulin
- FAI = Freier Androgenindex
- 17-OHP = 17α-Hydroxyprogesteron
- E2 = Östradiol

Die „Rotterdam-Kriterien“ für das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS) lassen sich für Jugendliche kaum nutzen, betont die Referentin und führt aus: Die Ovarien sind bei jugendlichen Mädchen häufig multizystisch und sollten daher nicht mit polyzystischen Ovarien verwechselt werden. Auch Symptome wie Akne seien meistens physiologisch und nicht auf eine Androgenisierung zurückzuführen. Der Begriff PCOS sollte daher frühestens 8 Jahre nach der Menarche genutzt werden.
Hinweise auf spätere PCOS-Ausbildung
Dennoch sollten Gynäkologinnen und Gynäkologen bei diesen Mädchen auf folgende Symptome achten, die auf ein sich später entwickelndes PCOS hindeuten können:
- Prämature Pubarche vor dem 8. Lebensjahr (frühe Schambehaarung, jedoch ohne verfrühte Pubertätsentwicklung)
- Verzögert ablaufende Pubertätsentwicklung mit Menarche später als 2 Jahre nach Thelarche oder >1 Jahr nach Beginn des Weißflusses
- Zyklusstörungen mehr als 3 Jahre nach erster Menstruation
- Ausgeprägte Köperbehaarung, männliches Verteilungsmuster
- Unreine Haut, Akne, besonders schwer behandelbare Akne
- Rasche Gewichtszunahme in der Pubertät, Übergewicht, Adipositas, Insulinresistenz
Therapieoptionen bei Hyperandrogenämie
Hier nennt Prof. Oppelt als gängigste Behandlung die Gabe von kombinierten hormonellen Kontrazeptiva mit Antiandrogenen. Auch ließen sich Androgene durch eine Gewichtsabnahme senken, was sich allerdings für die Mädchen oftmals als schwierig erweise. Insulinsensitizer würden ebenfalls viel eingesetzt, insbesondere bei nachgewiesener Insulinresistenz - auch wenn sich damit nicht jedem Mädchen helfen lasse, erklärt die Ärztin.
Inositol: Daten belegen positive Wirkung
Mittlerweile lägen einige Studien vor, so die Referentin, in denen sich Inositol (Myo- oder di-Chiro-Inositol) bei Jugendlichen als gut einsatzbar erwiesen hat. So hat das Nahrungsergänzungsmittel in placebo-kontrollierten Studien positive Effekte auf die Zyklusregulation gezeigt und Androgenisierungserscheinungen verbessert. Und eine aktuelle Metaanalyse von 6 kleineren kontrolliert-randomisierten Studien hat im Vergleich zur etablierten Behandlung der Insulinresistenz mit Metformin keine signifikanten Unterschiede in der Wirkung beider Substanzen bei deutlich geringeren Nebenwirkungen durch Inositol gezeigt.
Inositol wird als Botenstoff in die Zellmembran eingebaut und verstärkt die Wirkung von Insulin sowie die Aufnahme von Glukose in die Zellen. Das häufigste Handycap der Therapie seien allerdings die Kosten von zirka 45 Euro pro Monat, die von den Eltern selbst zu tragen seien, so Oppelt.
2. Juvenile Dauerblutung
Viele der betroffenen Mädchen würden die Praxis typischerweise nicht wegen der langanhaltenden Blutungen aufsuchen, sondern in erster Linie aufgrund der Begleitsymptome der juvenilen Dauerblutung wie Schlappheit, Müdigkeit und Konzentrationsstörungen, die auf den Eisenmangel zurückzuführen sind.
Wichtig für die Diagnostik
Die Referentin rät grundsätzlich zu einem Schwangerschaftstest, auch wenn die Mütter die Möglichkeit einer Schwangerschaft häufig bestreiten würden. Zur Beurteilung des inneren Genitales bietet sich der abdominale Ultraschall bei voller Harnblase an. Die initiale Labordiagnostik umfasst ein Blutbild sowie die Bestimmung von Eisen Ferritin und Transferrin.
Anamnestisch sollte eine Hämophilie (häufiges Nasenbluten, Hämatome) erfragt und gegebenenfalls ein Gerinnungsscreening in der Transfusionsmedizin einer Kinderklinik veranlasst werden.
Aber: „Sie brauchen keine Hormone kontrollieren“, betont die Gynäkologin. „Die Mädchen haben keine Hormonstörung. Juvenile Dauerblutung fußt entweder auf einer Hämophilie oder auf einer Follikelpersistenz.“
Therapieziel: Schneller Blutungsstopp
Bei flachem Endometrium erfolgt eine Estrogenmonotherapie für 10 Tage, z.B. mit Estradiolvalerat 2 mg, Ethinylestradiol 30 μg gefolgt von einem Kombinationspräparat für mind. 12 Tage.
Bei einem hochaufgebautem Endometrium und weniger als 3 Wochen anhaltenden Blutungen, erhalten die Mädchen ein Gestagen für 14 Tage, z.B. Dyhydrogesteron 10 mg und CMA 2mg. Anders jedoch bei Jugendlichen, die länger als 3 Wochen bluten: Diese würden bei hochaufgebautem Endometrium eher nicht von einer Gestagenmonotherapie profitieren, weiß die Gynäkologin und rät hier - um die Blutung schnellstmöglich zu stoppen - zu einem Kombinationspräparat (z.B. Estradiol 2mg, Ethinylestradiol 30 μg mit Dienogest, CMA).
Lässt sich die Blutung mit den hormonellen Medikationen nicht stillen, kann die Gabe von Tranexamsäure in Betracht gezogen werden, auch in Kombination mit der Pille. Eine therapeutische Kürettage sollte hingegen – vor allem bei fehlendem sonographischen intrauterinen Korrelat – nur in Ausnahmefällen erfolgen: Beispielsweise bei sehr niedrigem Hb-Wert und instabilem Kreislauf und wenn sich die Blutung nicht stoppen lässt.
„Eine Eisentherapie ist aufgrund des häufig geringen Hb-Wertes selbstverständlich“, ergänzt die Ärztin.
Nach dem Blutungsstopp: Wie behandle ich weiter?
Die juvenile Dauerblutung kann ein einmaliges Ereignis sein, weshalb die prophylaktische Einnahme einer kombinierten Pille oder Hormontherapie nicht zwingend notwendig ist. Da der weitere Verlauf aber nicht vorhersagbar ist, gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen. Vielmehr erfolgt die weitere Therapie individuell in Abstimmung mit den Wünschen und Bedürfnissen der Mädchen (und deren Eltern).
So können zur Stabilisierung des Zyklus Kombinationspräparate noch 3 Monate weitergegeben werden, entweder zyklisch (sodass eine Blutung einsetzt) oder durchgehend, etwa wenn Mädchen zunächst Angst vor weiteren Blutungen haben. Das Präparat könne aber auch versuchsweise abgesetzt werden, so Prof. Oppelt. Auch die Gabe von Mönchspfeffer (4 mg/d) sei möglich – gegebenenfalls auch überlappend zur begonnenen kombinierten Therapie. Allerdings fehle hierfür bislang die Evidenz.
Fakten zu Mönchspfeffer
- Erst ab 18 Jahre zugelassen, weshalb Patientinnen über den Off-label-Use und mögliche, wenn auch seltene Nebenwirkungen (z.B. Hautausschlag, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Beschwerden) aufgeklärt werden sollten
- Keine validen Daten für den Nutzen der Therapie bei jugendlichen Mädchen vorhanden
- Effekt erst nach einer Einnahmedauer von mindestens 3 Monaten zu erwarten
- Wirkmechanismus nicht vollständig geklärt. Effekte werden unter anderem auf dopinerge und prolaktinsenkende Eigenschaften zurückgeführt.
3. Primäre Amenorrhoe
„Schauen Sie sich Mädchen mit primärer Amenorrhoe zuerst genau an, bevor Sie überhaupt mit der Diagnostik beginnen,“ appelliert die Gynäkologin Oppelt an das Auditorium. Denn den Mädchen könne man bereits gut ansehen, welcher Weg der Diagnostik der richtige ist. Sie stellt Fallbeispiele von gleichaltrigen Mädchen vor:
Mädchen mit normalem Pubertätsverlauf: Das erste Mädchen ist äußerlich völlig normal entwickelt. Sie weist Brustwachstum und weitere weibliche Körpermerkmale auf, die auf eine Östrogenproduktion schließen lassen. Mit 10 1/2 Jahren begann die Thelarche, doch mit 15 Jahren hat immer noch keine Regelblutung eingesetzt. Diese Anamnese deute klar auf eine genitale Fehlbildung hin, verrät Prof. Oppelt.
Mädchen mit Anorexie: Zunehmend würden Mädchen in die Praxis kommen, die irgendwann aufgehört haben, ausreichend Nahrung zu sich zu nehmen. Dies verzögert die Pubertät oder bringt diese zum Stillstand. Auffallend sei in diesem Zusammenhang auch die Größe der Mädchen. Denn was aus Sicht der Referentin häufig vergessen werde, dass zur Pubertätsentwicklung auch das Längenwachstum dazugehöre. „Mädchen, die sehr früh in die Anorexie kommen, werden auch ihr Längenwachstum nicht ausschöpfen", betont die Referentin.
Folgende Basisdiagnostik ist bei der primären Amenorrhoe üblich:
- Anamnese: Pubertätsentwicklung, chronische Erkrankungen, Gewichtsverlauf, Sport, Z.n. gonadotoxischer Therapie? Z.n.OP?
- Allgemeine körperliche Untersuchung: Erhebung der Tannerstadien, Körpergröße, Gewicht, Androgenisierung, Stigmata für Syndrome (Ullrich-Turner-Syndrom, UTS)
- Vaginale Inspektion: Anatomie und Östrogenisierungsgrad des äußeren Genitale
- Ultraschall: Beurteilung der Ovarien und Uterus (Uterusanlage vorhanden? Adult oder infantil? Aufgebautes oder flaches Endometrium, Ausschluss Hämatokolpos, Hämatometra)
Gegebenenfalls weiterführende Diagnostik zur Bestätigung
- Labordiagnostik bei hormonellen Störungen
- Röntgen der linken Hand: Bestimmung des Kochenalters
- Humangenetische Untersuchung: Ausschluss UTS, Zeichen für „Disorders of sex development“ (DSD)
- MRT-Schädel/Hypophyse: Bei V.a. Raumforderung oder Hypopyseninsuffizienz
- MRT kleines Becken: Bei V.a. genitale Fehlbildungen
Therapeutische Maßnahmen bei Anorexie
Bei anorektischen Mädchen sollten Ärztinnen und Ärzte sehr zurückhaltend mit der oralen Gabe von Kombinationstherapien sein: Chronisches Untergewicht und ein damit verbundener Östrogenmangel im Kindes- und Jugendalter wirken sich unter anderem negativ auf die maximale Knochendichte aus. Deshalb ist es das Wichtigste, das Gewicht zu normalisieren. Auch die Substitution von Kalzium und Vitamin D kann erforderlich sein.
Die orale Gabe von Östrogen-Gestagen-Präparaten hat jedoch in bisherigen Interventionsstudien keinen signifikanten positiven Effekt auf den Knochenstoffwechsel gezeigt, erklärt die Frauenärztin. Einen Vorteil bei mehrjähriger ausgeprägter Anorexie zeigte hingegen die transdermale Östrogensubstitution.
In Studien würde aktuell die Gabe von Bisphosphonaten, rekombinantem IGF-1 und rekombinantem Leptin getestet.
- Ovarien in der Pubertät sind multizystisch und werden häufig als polyzystisch beschrieben
- die Bezeichnung PCOS sollte frühestens 8 Jahre nach Menarche genutzt werden
- bei langanhaltender juveniler Dauerblutung und hochaufgebautem Endometrium ist eine Kombinationstherapie zu empfehlen
- für die Diagnostik der primären Amenorrhoe ist die Basisdiagnostik wesentlich, die Stufendiagnostik dient der Bestätigung
- bei Anorexia nervosa sollte eine Hormontherapie zurückhaltend eingesetzt werden, und wenn, dann sollte das Östrogen transdermal verabreicht werden.
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