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Gynäkologie

08. März 2023
Prophylaxe von frühen Präeklampsien

ASS schützt schon nach kürzerer Einnahmedauer

Schwangeren mit einem hohen Risiko für eine frühe Präeklampsie wird eine Prophylaxe mit Acetylsalicylsäure (ASS) bis zum Ende der 37. Schwangerschaftswoche (SSW) empfohlen. Aber möglicherweise muss die Einnahme gar nicht so lange fortgeführt werden, wie Forschende aus Spanien in JAMA berichten.1

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Arzt misst Blutdruck von schwangerer Frau
Die wirksame Phase, in der ASS einen Effekt auf das Auftreten einer Präklampsie ausübt, liegt der Studie zufolge zwischen 12 und 28 SSW. (Foto: Nataliya Piatrovich | Dreamstime.com)

Autorin: Nadine Eckert | Redaktion: Dr. Nina Mörsch

Wurde bei Schwangeren mit hohem Präeklampsierisiko, aber normalem sFlt-1/PlGF-Quotienten die ASS-Behandlung bereits nach 24-28 SSW abgesetzt, kam es nicht zu mehr Präeklampsien als bei der üblichen Behandlungsdauer bis 36 SSW. Der sFlt-1/PlGF-Quotient ist ein Blutmarker, mit dem eine Präeklampsie kurzfristig ausgeschlossen werden kann.

„Aspirin kann das Auftreten einer frühen Präeklampsie bei Schwangeren mit hohem Präeklampsierisiko um 62% reduzieren, geht aber mit einem erhöhten Risiko für peripartale Blutungen einher“, schreiben Dr. Manel Mendoza von der Maternal Fetal Medicine Unit, Department of Obstetrics, Vall d’Hebron Barcelona Hospital Campus, Universitat Autònoma de Barcelona, Spanien, und seine Kollegen.

Frühe Präeklampsien sind selten

Etwa 3% aller Schwangeren entwickeln eine Präeklampsie. Aber nur bei 0,8% kommt es vor der 37. SSW zu Blutdruckanstieg und Proteinurie, den beiden wichtigsten Merkmalen der Präeklampsie. Diese frühen Präeklampsien lassen sich mithilfe eines Algorithmus vorhersagen. Er prognostiziert 71% der vor der 37. SSW auftretenden Präeklampsien korrekt, aber am besten funktioniert er aber bei Frauen, die vor 32 SSW eine Präeklampsie entwickeln. Von ihnen erkennt er 89%. Bei späten Praeklampsien nach der 37. SSW erkennt er dagegen nur die Hälfte der Frauen.

Bislang wird empfohlen die ASS-Prophylaxe bei hohem Präeklampsierisiko bis Woche 36 durchzuführen. „Aber es wird schon länger vermutet, dass es rein von der Pathophysiologie her möglich sein sollte, die Einnahmedauer zu verkürzen“, sagt Prof. Dr. Ulrich Pecks, Sprecher der Sektion Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen und fetale Wachstumsrestriktion der Arbeitsgemeinschaft Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der der DGGG.

„Man nimmt an, dass Aspirin die Verzahnung der Plazenta mit der Gebärmutterwand positiv beeinflusst, die bei der frühen Präeklampsie eingeschränkt ist. Und die Phase, in der diese Verzahnung stattfindet, reicht bis etwa SSW 24. Deshalb wurde überlegt, ob es ausreicht, Aspirin nur über diesen Zeitraum zu geben.“

In Deutschland wird schwangeren Frauen zwischen 11 und 13 SSW ein Präeklampsie-Screening auf Selbstzahlerbasis angeboten. Liegt das Risiko für eine frühe Präeklampsie bei über 1 zu 100 wird den Frauen eine Prophylaxe mit ASS empfohlen. „Wir gehen davon aus, dass man mit der Aspirin-Gabe frühe Präeklampsien verhindert, indem diese sich erst später manifestieren. Die Gesamtanzahl der Präeklampsien verändert sich nicht“, erklärt Pecks.

Lange versus kürzere ASS-Gabe

Ob sich die Dauer der ASS-Prophylaxe auch verkürzen lässt, untersuchten Mendoza und seine Kollegen in einer randomisierten Open-label-Studie der Phase 3 an 9 Geburtskliniken in Spanien. Eingeschlossen wurden Frauen, bei denen der Algorithmus im Ersttrimester-Screening ein hohes Risiko für eine frühe Präeklampsie (vor 37 SSW) gezeigt hatte, woraufhin sie mit der Einnahme von 150 mg ASS am Tag begonnen hatten.

In SSW 24-28 wiesen sie aber einen normalen sFlt-1/PlGF Quotienten auf. „Mit diesem Präeklampsie-Marker kann man feststellen, ob eine Schwangere eine Präeklampsie hat, selbst wenn der Blutdruck noch nicht erhöht ist“, so Pecks. „Aber noch besser funktioniert der Wert, um eine unmittelbar bevorstehende Präeklampsie auszuschließen. Liegt er unter 38, dann entwickelt die Frau in den nächsten 4 Wochen mit 95%iger Wahrscheinlichkeit keine Präeklampsie.“

In die Studie eingeschlossen wurden somit nur Schwangere, die zwar ein hohes Präeklampsierisiko hatten, bei denen das Absetzen der ASS-Therapie aber vertretbar war, da keine unmittelbare Präeklampsie zu befürchten war.

Die Interventionsgruppe bestand aus 473 schwangeren Frauen, bei denen das Aspirin nach 24-28 Wochen abgesetzt wurde. Die 463 Schwangeren in der Kontrollgruppe führten die Prophylaxe dagegen bis zu Woche 36 fort. Die 936 Schwangeren waren im Schnitt 32 Jahre alt.

ASS wirkt zwischen der 12. und 28. SSW

Das frühe Absetzen der Aspirinprophylaxe habe sich als „nicht unterlegen“ erwiesen, so die Autoren. Die Inzidenz der frühen Präeklampsie betrug 1,48% (7 von 473) in der Interventionsgruppe und 1,73% (8 von 463) in der Kontrollgruppe. Sie schlussfolgern, dass das Absetzen von Aspirin nach 24 bis 28 SSW der Fortführung der Aspirinprophylaxe bei Schwangeren mit hohem Risiko für eine frühe Präeklampsie und einem normalen sFlt-1:PlGF-Quotienten gleichwertig ist.

„Durch die Gabe von Aspirin wurde das Auftreten einer Präeklampsie unter den Frauen, die ein hohes Risiko für eine frühe Präeklampsie hatten, von erwarteten etwa 5% auf 1,48% bzw. 1,73%% reduziert – und zwar unabhängig davon, ob Aspirin bereits frühzeitig abgesetzt wurde oder nicht“, sagt Pecks. „Dies spricht dafür, dass die wirksame Phase, in der Aspirin einen Effekt ausübt, zwischen 12 und 28 SSW liegt.

Für eine Änderung der Empfehlungen zur ASS-Prophylaxe der Präeklampsie reicht die Studie Pecks zufolge noch nicht aus: „Ich würde daraus nicht den Schluss ziehen, dass man jetzt allen betroffenen Frauen das Absetzen der Aspirin-Prophylaxe nach 24-28 SSW empfehlen sollte. Aber wenn bei einer Frau ein hohes Risiko für eine frühe Präeklampsie besteht, sie aber große Bedenken gegen eine ASS hat, dann könnte man ihr empfehlen, es zumindest bis 28 SSW zu nehmen.“

Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape erschienen.

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