
Mit dem Kinderkriegen warten: Nicht immer eine gute Idee

Viele Frauen planen, das „Kinderkriegen“ bis nach dem 35. Lebensjahr aufzuschieben. Dabei sind sie sich oft nicht bewusst, dass es mit der Fertilität dann problematisch werden könnte. Zwei Psychologinnen aus Australien sind den Motiven für das Zuwarten auf den Grund gegangen.
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Dieser Beitrag von Dr. Elke Oberhofer erscheint mit freundlicher Genehmigung von Springer Medizin. Weitere Beiträge aus dem Fachgebiet Gynäkologie finden Sie auf Springer Medizin – Gynäkologie.
Bereits ab dem 30. Lebensjahr beginnt die Fruchtbarkeit bei Frauen abzunehmen. Ab 35 dann geht es rapide bergab: Nicht nur die Zahl der Eizellen, sondern auch deren Qualität sinkt mit zunehmendem Alter deutlich. Das kann für Frauen verhängnisvoll werden, die sich zwar Nachwuchs wünschen, die Familienplanung aber aus verschiedensten Gründen bislang auf Eis gelegt haben.
Bei unerfülltem Kinderwunsch häufiger Depressionen
Studien haben gezeigt, dass zwischen dem langen Hinauszögern des Versuchs, schwanger zu werden, und einer „unbeabsichtigten Kinderlosigkeit“ ein deutlicher Zusammenhang besteht. Dass Letztere den Frauen schwer zu schaffen macht, ist ebenfalls gut belegt. So zeigen Frauen, bei denen der Kinderwunsch unerfüllt geblieben ist, überdurchschnittlich häufig Ängste und Depressionen sowie Gefühle von Schuld und Stigmatisierung.
Um herauszufinden, warum bis zum Entschluss, die Kontrazeption abzusetzen, oft bis nach dem 35. Lebensjahr abgewartet wird, haben die Psychologinnen Allison L. Kearney und Katherine M. White von der Queensland University im australischen Brisbane 358 Frauen zwischen 18 und 30 Jahren befragt. Als wissenschaftliche Basis für ihre Studie diente ihnen die sogenannte Theorie des geplanten Verhaltens (theory of planned behaviour, TPB) von Ajzen.
Vier Einflussfaktoren
Wie die Forscherinnen berichten, wurde der Entschluss zu warten vor allem von vier Faktoren beeinflusst:
- der persönlichen Ansicht, dass es im individuellen Fall günstiger/schlauer/von Vorteil/angenehmer wäre, noch zu warten, beispielsweise aus beruflichen oder finanziellen Gründen oder weil man noch in der Ausbildung steckt,
- dem subjektiv empfundenen Druck von nahestehenden Menschen (hier waren offenbar vor allem Geschwister und Freunde ausschlaggebend),
- der Zuversicht, dass man bis nach dem 35. Lebensjahr warten kann, wenn man das möchte,
- dem Gefühl, dass man die verpassten Jahre des Ungebundenseins bedauern könnte, wenn man zu früh schwanger wird.
Rolle des Alters unterschätzt
Nach Kearney und White unterschätzen viele junge Frauen die Rolle, die das Alter für die Fruchtbarkeit spielt. Aufklärung in dieser Hinsicht ist den Psychologinnen zufolge dringend ratsam; ihre Studie habe schließlich auch bestätigt, dass die Teilnehmerinnen es sehr wohl bedauern würden, wenn sich der Kinderwunsch nicht erfüllen ließe.
Ein weiterer Ansatzpunkt für eine beratende Intervention könnte sein, dass viele Frauen sich offenbar auch mit der Vorstellung auseinandergesetzt hatten, sie könnten dem Kind eine „zu alte“ oder „zu wenig aktive“ Mutter zu sein, wenn sie zu lange warteten.
Auch kontextuelle Faktoren wie das Fehlen eines als geeignet empfundenen Partners wurden in der Studie als Grund angegeben, warum man erst später ein Kind haben wollte; solche lassen sich naturgemäß kaum beeinflussen.
Auf der anderen Seite neigten auch Frauen, denen es nicht allzu viel bedeutete, ein Kind zu haben, dazu, die Familienplanung zu verschieben.
Lebensziele berücksichtigen
„Es könnte von Vorteil sein, junge Frauen nach den Zielen und Prioritäten zu fragen, die sie sich für ihr Leben gesetzt haben“, so die Forscherinnen. Dann könne man gemeinsam überlegen, wie und zu welchem Zeitpunkt ein Kind sich gegebenenfalls mit ihren weiteren Lebenszielen vereinbaren ließe, schreiben Kearney und White. Zudem sollte man Frauen mit Kinderwunsch nahelegen, sich frühzeitig gynäkologisch untersuchen zu lassen, auch wenn sie unter keinerlei Symptomen litten, um eine informierte Entscheidung zu ermöglichen.