
15-jähriges Mädchen mit Unterleibsschmerzen und ovarieller Raumforderung
Ein 15-jähriges Mädchen wurde mit Unterleibsschmerzen und einer Raumforderung im Bereich der Eierstöcke stationär aufgenommen. Die erste Verdachtsdiagnose einer in diesem Alter häufiger vorkommenden rupturierten Ovarialzyste erwies sich im Verlauf als falsch. Erst die Entfernung des Tumors mit histologischer Untersuchung führte zur richtigen Diagnose.1
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Autorin: Maria Weiß | Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Die Fallbeschreibung
Schon sechs Wochen vor der stationären Aufnahme hatte die Patientin aus voller Gesundheit heraus Unterleibsschmerzen im Bereich der Mittellinie entwickelt, die sich dann innerhalb von 24 Stunden auf die rechte Seite verlagerten. Sie hatte kein Fieber, das Abdomen war weich ohne Abwehrspannung und der Unterbauch beidseits nur etwas druckschmerzhaft.
Dickwandige Zyste im linken Ovar
Bei den Laboruntersuchungen fiel eine Leukozytose und eine leichte Anämie (Hb 10,9 g/dl) auf, die sonstigen Laborwerte und Urinbefunde waren unauffällig. Im transabdominalen Ultraschall mit Doppleruntersuchungen sahen die Ärzte in der Notaufnahme dann eine dickwandige Zyste im rechten Ovar, und multiple follikuläre Zysten im linken Ovar. Der normale Blutfluss sprach gegen eine Adnextorsion. Es war etwas freie Flüssigkeit im Becken nachweisbar, sodass nach Ausschluss einer ektopen Schwangerschaft die Diagnose einer rupturierten Ovarialzyste gestellt wurde.
Die Patientin wurde nach Hause entlassen, mit der Auflage, sich nach 6 Wochen zur erneuten Ultraschallkontrolle vorzustellen. Hier besserten sich die Beschwerden zuerst und drei Tage später konnte das Mädchen sogar an einem Langstreckenlauf teilnehmen. Nach vier Wochen entwickelte sie aber eine erneute, nicht durch Ibuprofen zu lindernde Schmerzepisode, die dann zur Krankhausaufnahme führte, wie Andrea L. Zuckermann von der Harvard Medical School in Boston im New England Journal of Medicine berichtet.
Zunahme des Taillenumfanges seit 14 Tagen
In der allgemeinen und gynäkologischen Anamnese des Mädchens zeigten sich keine Auffälligkeiten. Bei einem BMI von 18,7 hatte die Patientin seit zwei Wochen eine Zunahme ihres Taillenumfanges bemerkt, der dazu geführt hatte, dass sich nicht mehr in ihre Hosen passte. Im erneuten transabdominalen Ultraschall zeigte sich ein nicht vom rechten Ovar abgrenzbare heterogene Tumormasse (16,6 mal 15,6 mal 9,9 cm), mit normalem Blutfluss und Bereichen erhöhter Heterogenität.
Dieser Tumor war auch im Kontrastmittel-verstärkten CT-Nachweis, der Tumor verdrängte hier Darm und Beckengefäße. Auch ein Aszites war jetzt nachweisbar. Diese neuen Befunde lenkten die Verdachtsdiagnose in Richtung ovarielle Neoplasie.
Differentialdiagnostisch kommen hier nach Aussage Zuckermans Epithelzell-Tumoren und Keimzell-Tumoren in Betracht.
Epithelzelltumoren und Keimzelltumoren als Differenzialdiagnose
Epithelzelltumore stellen sich im Ultraschall als Tumoren mit nodulären oder papillären soliden Anteilen, dicken Septen und Aszites dar. Maligne epitheliale Ovartumore sind bei unter 17-Jährigen extrem selten, können aber in Einzelfällen auch vorkommen. Bei benignen ovariellen Epithelzelltumoren handelt es sich meist um seröse oder mukinöse Cystadenome. Dagegen würde bei der Patientin das schnelle Wachstum innerhalb von 6 Wochen sprechen. Es gibt auch Borderline-Tumore mit malignem Potenzial – diese findet man aber überwiegend bei Patientinnen über 40 Jahre.
Keimzelltumoren sind bei jugendlichen Mädchen die wahrscheinlichere Diagnose. Sie stammen von primitiven Keimzellen embryonalen oder extraembryonalen Ursprungs ab und können ebenfalls benigne oder maligne sein. Die häufigsten Keimzelltumoren sind benigne reife zystische Teratome, die seborrhoisches Material, Haare, Knorpel, Knochen oder Zähne enthalten können. Dies war bei der Patientin nicht nachweisbar.
Die häufigsten malignen Keimzelltumoren mit einem Anteil von 35 % sind unreife Teratome. Am zweithäufigsten sind Dysgerminome, von denen etwa ein Drittel ein aggressives Wachstum zeigen. Hier würde man Nekrosen, Einblutungen oder kleine Kalzifizierungen erwarten, was bei der Patientin ebenfalls nicht der Fall war.
Juveniler Granulosazelltumor als wahrscheinlichste Diagnose
Eine weitere Möglichkeit sind Keimstrang-Stroma-Tumoren (auch Sex-Cord-Tumoren genannt), die sich von den embryonalen Keimsträngen (Granulosazellen, Sertoli-Zellen) oder vom ovariellen Stroma ableiten (Thekazellen, Leydig-Zellen, Fibroblasten) und 2-5 % aller Ovarialtumoren ausmachen. Am wahrscheinlichsten erschien bei der Patientin aufgrund der Größe des Tumors und des schnellen Wachstums ein juveniler Granulosazelltumor. Dafür würde auch die noch nicht eingesetzte Menarche und die ebenfalls nachgewiesene endometriale Hypertrophie sprechen, was bei diesem Tumor auf erhöhte Inhibin-A- und Östradiolspiegel zurückzuführen ist.
Die histologische Untersuchung des chirurgisch entfernten Tumors bestätigte diese Diagnose. Ein Staging mit Biopsie pleuraler Lymphknoten und Untersuchung von Pleuraflüssigkeit war zum Glück negativ und auch im Bauchraum waren keine malignen Zellen nachweisbar.
Chirurgische Entfernung ausreichend als Therapie
Die chirurgische Entfernung reicht in diesem Fall somit als Therapie aus und die Prognose ist exzellent. Einen Monat nach der OP betrieb die Patientin wieder Leistungssport und auch die Menarche hatte inzwischen eingesetzt. Empfohlen wurden regelmäßige Kontrolluntersuchungen für die nächsten 5 Jahre.