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Dermatologie

26. Juli 2022
Unberechenbar und rückfallfreudig

Keloide: Wie leitliniengerecht behandeln?

Keloide sind wenig berechenbar und bis heute liegen nur wenig valide Daten zur Therapie vor. Welche Behandlungsoptionen sich in der Praxis als überzeugend erwiesen haben und auf welche Therapien er selbst fast immer verzichtet, berichtete der Dermatologe Prof. Dr. Jürg Hafner auf der diesjährigen FOBI.

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Keloid am Arm von Frau

Dieser Beitrag beruht auf dem Vortrag „Keloide – Wie gehe ich vor? Welche Therapien gibt es?“ auf der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie am 13.07.2022 in München | Autorin: Dr. Nina Mörsch

Keloide sind Narben, die sich in den Monaten nach einer Hautverletzung entwickeln und im Gegensatz zu hypertrophen Narben über die ursprüngliche Läsion in die umliegende gesunde Haut tumorartig hinauswachsen.

Für gewöhnlich entwickeln sie sich z. B. nach einer Operation an Körperstellen, die Dehnungskräften ausgesetzt sind. Häufig sind Brustkorb, Schulterregion, Rücken oder auch Schamhügel betroffen. Auch können sich Keloide infolge einer Entzündung (Akne, Piercing) bilden und an Gesicht und Ohrläppchen auftreten.

Die Entstehung von Keloiden ist genetisch bedingt - die Narbenwucherungen treten daher familiär gehäuft auf. Besonders betroffen sind Menschen dunklerer Hautfarbe (Fitzpatrick-Hauttyp IV und V).

Grundsätzlich sind Keloide gutartige Hautveränderungen. Dennoch können sie gravierende ästhetische als auch funktionelle Probleme verursachen und so die Lebensqualität der betroffenen Patientinnen und Patienten stark einschränken.

Lange Zeit mit Therapieformen „unglücklich“

In seinem Vortrag auf der diesjährigen Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI) schilderte Prof. Dr. Jürg Hafner, leitender Arzt an der Dermatologischen Klinik am Universitätsspital Zürich (USZ), wie er als junger Assistenzarzt im Jahr 1990 noch gelernt habe, Keloide mit (unverdünntem) Triamcinolon oder einer Kombination aus Kryotherapie und Triamcinolon zu behandeln. Auch die Anwendung von lokalem Druck, etwa mit Druckhemden, sei üblich gewesen, wie auch die Exzision gefolgt von einer Strahlenbehandlung.

Lange Zeit habe er diese Therapieformen durchgeführt – auch wenn er „immer etwas unglücklich“ mit den Resultaten war. Denn in vielen Fällen kam es zu keinem Ansprechen und die Rückfallrate war hoch. Daneben erwiesen sich einige Techniken wie z. B. der Ohrclip als sehr schmerzhaft. Viele Patientinnen oder Patienten brachen die Therapie schließlich ganz ab.  

„Keloide haben etwas sehr Unberechenbares und eine unglaubliche Rückfallfreudigkeit“, betonte der Referent und verwies auf den Onkologen Michael Tirgan aus den USA. Dieser behandelt in seiner Praxis ausschließlich Keloid-Patientinnen und Patienten und rät vehement davon ab, Keloide zu operieren „Das ist zwar etwas apodiktisch. Aber Tirgan sagt, dass die sogenannten katastrophalen Keloide immer nur nach einer Operation entstehen“, erklärte Hafner.

Therapie: Vorgehen nach Leitlinie

Schließlich sei er auf zwei andere Behandlungsmethoden übergegangen, so Hafner weiter, die immer häufiger auf Kongressen vorgestellt wurden: Zum einen die intraläsionale Kryotherapie für kugelige Keloide, bei der Flüssigstickstoff mit einer 18G-Nadel durch die Narbenwucherungen hindurchgeströmt wird sowie auf die Kombination von Triamcinolon (40 mg, verdünnt) plus 100 mg 5-Fluorouracil.

Als eine der besten Leitlinien zur Therapie der Keloide bezeichnet Hafner die aktuelle S2K-Leitlinie von Alexander Nast und Kollegen, die folgende Vorgehensweise bei Keloiden empfiehlt: 1

Behandlung von kleinen Keloiden: Bei kleinen Keloiden wird zunächst zur Kryotherapie und Triamcinolon geraten (Abb. 1). „Das ist etwas, was ich selbst inzwischen fast gar nicht mehr mache, da ich von dem Ergebnis immer enttäuscht bin,“ so Hafner.  Wenn dies nicht hilft, wird in der Leitlinie Triamcinolon und 5-FU – eine Kombination, die einem systematischen Review und Metaanalyse von Ren et al. zufolge Höhe und Volumen der Keloide signifikant reduzieren kann, empfohlen.2

Algorithmus Leitlinie Keloiod klein
Abb. 1: Therapiealgorithmus kleine Keloide, Quelle: S2k-Leitlinie Therapie pathologischer Narben (hypertrophe Narben und Keloide)

Auch Hafner ist von dieser Methode überzeugt, da sie nach einer 12-wöchigen Behandlung vergleichsweise wenig Rezidivtendenzen aufweise. Deshalb halte er sie auch für viel besser als die Kombination nur aus Kryotherapie plus Triamcinolon. Bei einer anhaltenden Rötung wird in der Leitlinie auf die Anwendung einen Farbstofflasers verwiesen.

Behandlung von großen, gestielten Keloide: Diese sollten den Empfehlungen zufolge (Abb.2) erst chirurgisch entfernt und unbedingt nachbehandelt werden – laut Hafner typischerweise mit einer Bestrahlung. Auch eine intraläsionale Kryotherapie ist möglich – eine Technik, die eine hohe Ansprechrate aufweist und praktisch zu keinen Rückfällen führt. „Ich vermute, dass die intraläsionale Kryotherapie in der Abheilphase weniger Entzündungen hinterlässt, die Entzündung jedoch ein Motor für das Rezidivkeloid ist“, so der Referent.

Leitlinie Keloide groß
Abb 2: Therapiealgorithmus große Keloide, Quelle: S2k-Leitlinie Therapie pathologischer Narben (hypertrophe Narben und Keloide

Bei großflächig disseminierten Keloiden - wie etwa Aknekeloiden - sollte wie bei kleinen Keloiden vorgegangen werden, ebenso bei großflächig konfluierenden Keloiden, bei denen man sich die aktivsten Zonen vornimmt und sich dann „über viele Monate und Jahre durch das Problem hindurcharbeitet“.

Operation mit adjuvanter Bestrahlung: Nur fallbasierte Serien

Bei einer chirurgischen Exzision liegt die Rückfallrate bei 80–90 %. Diese lässt sich durch eine nachfolgende Strahlentherapie auf 20–30 % senken, berichtete der Dermatologe. Um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen sei es jedoch wichtig, mit der Bestrahlung noch am selben Tag der Operation zu beginnen. Ebenso lautet der Rat, weniger zu fraktionieren und lieber zwei bis drei starke Dosen zu verabreichen.

Zukunft der Keloidtherapie

Für die Zukunft der Keloidtherapie sind aus Hafners Sicht folgende Punkte nötig:

  • Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs)
  • „Head-to-Head“-RCTs
  • Nachbeobachtung über mehrere Jahre
  • Objektive Messung von Fläche, Volumen, Farbe
  • Erfassung subjektiver Parameter, wie Juckreiz, Hyperasthesie, Ästhetik, QoL

„Wir wissen ganz wenig, was wirklich wirksam ist und in welcher Lokalisation“, betont der Dermatologe in seinem Schlusswort. So müssten auch die bereits vorhandenen Mono- und Kombinationstherapien anhand von kontrollierten Studien nachgetestet werden. Die Zukunft der Keloidtherapie liegt seiner Meinung nach wahrscheinlich in der Infiltration kleiner Moleküle, die Transforming Growth Factors (TGF) β oder „small mothers against decapentaplegic“ (SMAD) blockieren können.

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