Neue Entwicklungen in der Melanom-Therapie
Was ist neu in der adjuvanten und neoadjuvanten Behandlung des Melanoms und was sind die Herausforderungen für die Praxis? Prof. Dr. Carola Berking (Erlangen) stand uns im Interview Rede und Antwort – inkl. ihrer persönlichen Highlights.
Lesedauer: ca. 6 Minuten
Dieses Video-Interview wurde auf der 52. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) e. V. aufgezeichnet | Redaktion: Franziska Mau, Video: Andreas Gill und Thomas Feist
Die Inhalte im Überblick
- Min. 00:15: In der adjuvanten und neoadjuvanten Therapie des Melanoms hat sich in der letzten Zeit einiges getan. Wie ordnen Sie die Entwicklungen ein?
- Min. 02:27: Unter der Therapie können teilweise langfristige Nebenwirkungen auftreten. Was sind hier die größten Herausforderungen in der Praxis?
- Min. 05:55: Was sind Ihre persönlichen Highlights in der aktuellen Entwicklung der Melanom-Therapie?
- Min. 06:36: Welche Botschaft möchten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen für die Praxis mitgeben?
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Guten Tag. Mein Name ist Carola Berking. Ich grüße Sie ganz herzlich von der DDG Tagung hier in Berlin. Auf dieser Tagung habe ich den Vorsitz des Symposiums zum Thema Melanom und freue mich, da aktiv dabei zu sein.
In der adjuvanten und neoadjuvanten Therapie des Melanoms hat sich in der letzten Zeit einiges getan. Wie ordnen Sie die Entwicklungen ein?
Prof. Berking: Ja, das war jetzt in den letzten Jahren sehr, sehr spannend. Es gab ja mehrere Neuzulassungen im Bereich der adjuvanten Therapie, angefangen im Stadium III. Das bedeutet, bei Lymphknoten, Metastasierung oder in Transit Metastasierung gibt es Pembolizumab oder Nivolumab als PD-1-Inhibitoren für ein Jahr, die zu applizieren sind, nach Operation. Oder aber bei den BRAF mutierten Patienten die BRAF/MEK-Kombination Dabrafenib und Trametinib. Die Studienergebnisse, die zu der Zulassung geführt haben, sind tatsächlich sehr exzellent. Das bedeutet, für alle diese drei Möglichkeiten reduziert sich das Risiko eines Rezidivs um circa 50 %. Das sind doch sehr, sehr überzeugende Daten, sodass es mittlerweile ja seit 3 Jahren quasi etabliert ist, dass wir es unseren Patienten anbieten und auch täglich durchführen.
Aber da bleibt es nicht bei stehen. Es ist nun auch so, dass seit letztem Jahr es eine Zulassungserweiterung gab zu Pembrolizumab für das Stadium II. Das bedeutet, Patienten, die mit besonders dicken Melanome Tumoren diagnostiziert werden. Also ich spreche hier von über 2 Millimeter mit Ulzerationen oder sogar über 4 Millimeter, unabhängig von dem Ulzerationsstatus. Auch diese Patienten können von einer adjuvante 1-jährigen Gabe eines PD-1-Inhibitors profitieren. Die Zulassungsstudien haben hier eine statistische Signifikanz ergeben, so dass man sein Risiko eines Rezidivs um ungefähr 40 bis 50 % reduzieren kann. Wir erwarten dieses Jahr da auch die Zulassung des anderen PD-1-Inhibitors Nivolumab. Dann haben wir sozusagen schon zwei Optionen in dem Stadium zu behandeln. Allerdings bei der zielgerichteten Therapie hinkt es noch ein bisschen hinterher. Da läuft aktuell eine Studie zur BRAF/MEK-Kombination im Stadium II. Ob die positiv ausgeht, das wissen wir dieses Jahr noch nicht.
Unter der Therapie können teilweise langfristige Nebenwirkungen auftreten. Was sind hier die größten Herausforderungen in der Praxis?
Prof. Berking: Wir geben ja jetzt tatsächlich diese Therapeutika, dann Patienten, die aktuell gar nicht an Melanom leiden, sondern nur ein gewisses Risiko haben für Rezidiv oder Progress. Und das macht es natürlich nochmal umso wichtiger, genau aufzuklären, welche Nebenwirkungen kommen können, die mitunter ja auch lebenslang sein können. Beispielsweise endokrinologische Ausfälle der Schilddrüse oder sogar der Hypophyse, die dann eine lebenslange Therapie mit Hormonersatz nach sich zieht. Auch eine mögliche Fertilitätseinschränkung ist durchaus eine Gefahr bei diesen Therapeutika. All das muss man mit den Patienten abwägen, Nutzen-Risiko. Denn es ist schon so, dass ein großer Prozentsatz der Menschen nie eine Therapie brauchen würde, weil die zu der Gruppe gehören, die eben kein Rezidiv erfahren. Und da haben wir im Moment noch sehr schlecht und wenig Biomarker, die zeigen, wer gehört jetzt nun wirklich zu der Risikogruppe, die ein Rezidiv erlebt. Deswegen freue ich mich, dass es gerade eine Studie gibt, wo zumindest probiert wird, das besser zu stratifizieren. Nämlich eine Studie, die deutschlandweit läuft, wo ein Genexpressionsprofil zunächst bestimmt wird, von dem herausoperierten Tumor. Und nur wenn das Risikoprofil sagt ja, er gehört zu dieser Menschengruppe, die ein Risiko für Rezidiv haben, dann erhalten diese Patienten eine adjuvante Therapie, sonst nicht. Und falls die Studie, wo wir noch keine Ergebnisse vorliegen, positiv ausgeht, dann können wir die unnötige Anzahl der behandelten Patienten im Rückschluss natürlich dann reduzieren.
Eine andere, ganz spannende Entwicklung ist, dass man herausgefunden hat, wenn man die Immuncheckpoint Blockade bereits appliziert, wenn der Tumor noch in situ ist, also zum Beispiel noch die vorhandene Lymphknoten-Metastase in der Achsel und man dann erst nach zwei drei Zyklen Gabe operiert und dann die Behandlung durchführt, das noch mal zu einem besseren Erfolg führt, als wenn man erst operiert und dann die adjuvante Therapie gibt. Dabei wissen wir seit dem letzten ESMO-Kongress im Herbst letzten Jahres mit einem ganz einfachen Studiendesign, dass die Patientengruppe, die erst drei Zyklen Pemborizumab erhalten hat, vor der Operation und dann adjuvant weiter für bis ein Jahr im Vergleich zu der Patientengruppe, die erst operiert wurde und dann ein Jahr erhalten hat, dass die signifikant weniger häufig Rezidive haben, also statt 50 % sind 70 % rezidivfrei. Und obwohl das jetzt noch gar nicht in den Leitlinien steht, muss eigentlich diese Studie schon jetzt dazu führen, dass wir bei den Patienten mit Lymphknoten- Metastasen, gegebenenfalls die Operationen etwas nach hinten verschieben zugunsten einer vorgeschalteten Immuntherapie. Das kann natürlich nur in einem interdisziplinären Tumorboard und mit guter Aufklärung der Patienten geschehen.
Was sind Ihre persönlichen Highlights in der aktuellen Entwicklung der Melanom-Therapie?
Prof. Berking: Ein Highlight ist ganz klar die Entwicklung der neoadjuvanten Therapie im Melanom. Nämlich die Immuncheckpoint Blockade bei noch vorhandenen Metastasen, die dann im Verlauf erst operiert werden oder vielleicht auch schon gar nicht mehr operiert werden müssen.
Eine weitere Entwicklung ist die mRNA Vakzinierung, die möglicherweise eine ganz neue Therapieoptionen neben den schon vorhandenen bietet. Auch Entwicklungen zu Tumor infiltrierenden Lymphozyten, die jetzt demnächst auch schon über die FDA zugelassen werden.
Welche Botschaft möchten Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen für die Praxis mitgeben?
Prof. Berking: Ich möchte Sie gerne dazu ermuntern, das wenn in Ihre Praxis Melanom Patienten mit sehr dicken Tumoren oder auch schon mit Melanom-Metastasen kommen Sie diese direkt ohne eine Operation in ein Hauttumor-Zentrum zu schicken. Damit dann vor Ort entschieden werden kann, ob diese Patienten vielleicht zunächst eine Systemtherapie bekommen oder gleich eine chirurgische Therapie erfahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte ganz stark appellieren, dass Sie zukünftig bei Ihren Hochrisiko-Melanom Patienten, die vor einer systemischen medikamentösen Therapie stehen, auch an das Thema Fertilitätserhalt denken. Es gibt nämlich mittlerweile ganz tolle Möglichkeiten, nicht nur für den Mann, sondern auch für die Frau, die Fertilität zu erhalten und sozusagen die Chance zu bewahren, nach der erfolgten Systemtherapie doch auch wieder Kinder zu bekommen. Und im Zuge der lebensverlängernden Maßnahmen bzw. des Schutzes vor einem Wiederkommen des Melanoms mit den neuen Therapien ist es umso wichtiger, dass wir in der Dermatoonkologie das Thema aktiv ansprechen. Sie werden damit ihre Patientinnen und Patienten enorm psychisch entlasten.
Auch die Empfehlungen der im Oktober 2022 erschienenen Leitlinie zur Therapie des Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinoms bringen einige Neuerungen mit sich. Erfahren Sie im Folgenden mehr dazu.