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Dermatologie

29. Dez. 2022
Urteil

Haftet ein Arzt wegen fehlender Aufklärung über Nebenwirkungen einer Salbe?

Ärzte sind verpflichtet, den Patienten vor einer Behandlung über die Risiken und Nebenwirkungen einer Behandlung aufzuklären. Diese Pflicht besteht auch bei einer Verordnung und Verabreichung von Medikamenten oder Salben.

Lesedauer: ca. 3 Minuten

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Die Entscheidung des LG Freiburg statuiert die Pflicht des Arztes, auch über vergleichsweise harmlose Nebenwirkungen aufklären zu müssen. (Foto: picture alliance/dpa / Patrick Seeger; Archivbild)

Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit Alexa Frey, Fachanwältin für Medizinrecht | Redaktion: Dr. Nina Mörsch

Mit der Frage, wie weit diese Aufklärungspflicht tatsächlich geht, hatte sich das Landgericht Freiburg (LG Freiburg (Breisgau), Urt. v. 23.02.2018 – 1 O 29/15 auseinandergesetzt.

Behandlung einer Folliculitis decalvans

Der betroffene Patient begab sich mit einem schmerzhaften Ekzem der Kopfhaut in die Behandlung eines Facharztes für Dermatologie in einer Tagesklinik. Es bestand eine schmerzhafte Entzündung, zudem waren die Lymphknoten im Hals- und Nackenbereich geschwollen. Nach einer kurzen ambulanten Behandlung wurde der Patient knapp drei Wochen teilstationär in der Tagesklinik behandelt. Die Diagnose lautete auf eine Folliculitis decalvans. Es wurden mehrere desinfizierende und entzündungshemmende Präparate angewendet.

An zwei aufeinanderfolgenden Tagen wurde Dithranol verwendet. Am darauffolgenden Tag wurde Advantanmilch (Kortikosteroid) verabreicht. In Folge der Behandlung sei es zu Pustelbildung, Schwindel, Kreislaufproblemen und Fieber gekommen.

Patient erhebt Aufklärungsrüge

Der Patient ist der Ansicht, die Behandlungen mit Dithranol und Advantanmilch seien nicht indiziert gewesen. Zudem sei über die Risiken und Gefahren der Produkte nicht hinreichend aufgeklärt worden. Er verlangte Schmerzensgeld i.H.v. 15.000,00 EUR.

Behandlungsfehler nicht nachweisbar

Das Gericht konnte – beraten durch einen medizinischen Sachverständigen – keine Behandlungsfehlervorwürfe feststellen. Die Behandlung mit Dithranol und Advantanmilch sei indiziert und lege artis durchgeführt worden. Bei Dithranol habe man mit einer niedrigen Anfangsdosis begonnen, Advantanmilch habe „vernachlässigbare“ Nebenwirkungen. Auch die Folgebehandlung entsprach dem Facharztstandard und war nicht zu beanstanden.

Über die Autorin
Rechtanwältin Alexa Frey

Alexa Frey ist selbständige Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht und Fachanwältin für IT-Recht. Sie berät Leistungserbringer im Gesundheitswesen in Fragen des Arzthaftungsrechts, IT-Rechts, Datenschutzes, Vertrags- und Gesellschaftsrechts, Vergütungsrechts und Medizinstrafrechts.
Kontakt: [email protected]

Aufklärungsvorwurf greift durch

Jedoch sei – so der Sachverständige – über die Wirkung und die wesentlichen Nebenwirkungen von Dithranol nicht hinreichend aufgeklärt worden.

Ein Patient muss grundsätzlich „im Großen und Ganzen“ wissen, worin er einwilligt. Die Frage ob und inwieweit eine mündliche Aufklärung auch vor der äußerlichen Anwendung eines Medikaments mit vergleichsweise harmlosen Nebenwirkungen geboten ist, war bisher nicht Gegenstand der Rechtsprechung. Fest stand bisher bereits, dass bei Medikamenten über aggressive Wirkweisen oder erhebliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden muss.

Vorliegend hat der Sachverständige erläutert, dass Dithranol – aufgrund der durch die Salbe hervorgerufenen gewünschten Entzündungsreaktion – zu einem Brennen, starken Rötungen und Schmerzen führen kann. Diese Nebenwirkungen klingen üblicherweise in ein bis zwei Tagen ab.

Da die planvolle Entzündungsreaktion der betroffenen Hautpartien durch Dithranol hervorgerufen wird und gerade hervorgerufen werden soll und damit Schmerzen verbunden sein können, muss der behandelnde Arzt hierüber vor der (Erst-)Behandlung aufklären, selbst wenn dieses Risiko als gering einzuschätzen ist.

Das Gericht nahm vorliegend einen Aufklärungsmangel an und sprach dem Patienten ein Schmerzensgeld i.H.v. 900,00 EUR zu, da die Beschwerden des Patienten lediglich über maximal 1-2 Wochen bestanden und ein Großteil der Beschwerden auf die Grunderkrankung und nicht die Salbenbehandlung zurückzuführen waren.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des LG Freiburg statuiert die Pflicht des Arztes, auch über vergleichsweise harmlose Nebenwirkungen eines Medikaments aufklären zu müssen, um eine wirksame Einwilligung des Patienten zu erreichen.

Entscheidend dürfte im vorliegenden Fall aber auch sein, dass die „Nebenwirkung“ einer Entzündungsreaktion gerade auch die „gewünschte Wirkweise“ der Salbe darstellt. Eine erfolgreiche Anwendung der Salbe führt daher – zumindest in den meisten Fällen – zu einer Entzündungsreaktion, die dann – je nach Ausprägung und Schwere – vorübergehende Beschwerden beim Patienten hervorrufen kann.

Wir empfehlen daher eine Aufklärung von „milden“ Nebenwirkungen auch dann, wenn diese gerade die Folge einer korrekten und gewünschten Wirkweise des Medikaments darstellen.

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