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Dermatologie

29. Juli 2022
Photosensitivität

Wenn Licht und Sonne zur Gefahr werden

Medikamenten-induziert oder spontan: Lichtempfindlichkeitsreaktionen können eine Vielzahl von Ursachen haben. Prof. Jörg C. Prinz, München, hat erklärt, was Sie bei Verdacht auf eine Photodermatose tun sollten, welche differenzialdiagnostischen Kriterien beachtet werden müssen und welche Behandlungsoptionen bestehen. 1–2

Lesedauer: ca. 5 Minuten

Wenn Licht und Sonne zur Gefahr werden

Dieser Beitrag beruht auf dem Vortrag „Photosensitivität: Medikamenten-induziert und spontan“ von Prof. Dr. Jörg C. Prinz (München) auf der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie am 14.07.2022 in München | Autorin: Marie Fahrenhold

Photodermatosen sind eine große Gruppe unterschiedlicher Erkrankungen, bei denen abnorme Reaktionen auf ultraviolettes und/oder sichtbares Licht einen pathologischen Befund an der Haut hervorrufen. „Für die Photodermatosen gibt es keine ganz einheitliche Systematik und Nomenklatur“, erklärte Prof. Dr. Jörg C. Prinz, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums der Universität München, und stellte folgende Einteilung vor:

Einteilung entsprechend Pathomechanismen der Photosensitivität

1. Photodermatosen mit bekanntem Photosensibilisator

Phototoxische Reaktionen

  • Endogen verursacht: Porphyrien
  • Exogen verursacht: systemisch oder topisch applizierte Medikamente, Furocumarine (pflanzliche Abwehrstoffe, sog. Phytoalexine), etc.

Photoallergische Dermatitiden

  • Photokontaktallergie, hämatogene Photoallergie

2. Primäre/idiopathische Photodermatosen mit unbekanntem Mechanismus

  • Urticaria solaris, polymorphe Lichtdermatose, Hydroa vacciniforme, aktinische Prurigo, chronisch-aktinische Dermatitis (aktinisches Retikuloid)

3. Photodermatosen durch DNS-Reparationsstörungen

  • Xeroderma pigmentosum, Cockayne Syndrom

4. Photoprovozierte/photoaggravierte Dermatosen

  • Subakut kutaner Lupus erythematodes, Systemischer Lupus erythematodes, Psoriasis, atopisches Ekzem, Morbus Darier, autoimmunbullöse Dermatosen, etc.

5. Sekundäre Photodermatosen

  • Hartnup-Krankheit; Pellagra; gesteigerte Photosensitivität durch Retinoid-Therapie etc.

Photosensibilisierende Medikamente in der Dermatologie

Im Fachbereich Dermatologie sind laut Prinz folgende drei lichtsensibilisierende Medikamentengruppen besonders relevant:

Retinoide
• Isotretinoin, Alitretinoin, Acitretin: verdünnen das Stratum corneum
• Verminderte UV-Toleranz

Tetrazyklingruppe
• Für Acne, Rosacea oder Borreliose

BRAF-Inhibitoren bei malignem Melanom
• Vemurafenib, Dabrafenib, Vandetanib, Encorafenib: starke UVA-Absorption

„In allen drei Fällen müssen wir die Patienten darüber informieren, dass im Zusammenhang mit der Sonne Photodermatosen ausgelöst werden können“, verdeutlichte der Dermatologe. Zudem müsse zu einem angepassten Verhalten instruiert werden: Sonne meiden, Sonnenschutz benutzen, UV-dichte Kleidung.

Wichtige Maßnahmen vor einer Phototherapie

Als eine Situation aus dem Klinikalltag nannte Prinz die Durchführung einer Phototherapie. An dieser Stelle sei besonders wichtig, vor Beginn der Phototherapie – insbesondere der UV-B-Therapie – die Einnahme lichtsensibilisierender Medikamente auszuschließen. Je nach Alter und Begleiterkrankung (insbesondere bei Psoriasis) kommt eine lange Liste von fast 400 dokumentierten photosensibilisierenden Medikamente infrage.

Finden Sie hier eine ausführliche Listung photosensibilisierender Medikamente für Ihren Praxisalltag. 2

Für den Fall, dass eine Patientin oder Patient photosensibilisierende Medikamente einnimmt, empfahl Prinz, die minimale Erythemdosis zu bestimmen und die UV-B-Bestrahlung mit 70 % der Erythemschwelle zu beginnen.

In der Praxis habe man diese Möglichkeit oft nicht, hier empfehle sich ein pragmatischeres Vorgehen: Patientinnen und Patienten über das Risiko aufklären, eine niedrige Anfangsdosis wählen (z. B. 0,05 J/cm2) und vorsichtig und kontrolliert die Dosis steigern.

„Sollte es trotzdem zu einer Verschlechterung kommen, dann sollte man nicht vergessen, dass es natürlich auch zugrundeliegende Erkrankungen gibt, die photoaggraviert werden können“, fügte Prinz hinzu. Hierzu zählen beispielsweise Psoriasis, Lichen ruber und atopisches Ekzem.

Was tun bei Verdacht auf eine Photodermatose?

Besteht der Verdacht auf eine Photodermatose, sei primär das Verteilungsmuster zu eruieren (klassische Photodistribution mit Verteilung in Regionen mit UV-und Sonnenlichtexposition: Gesicht, Nacken, Handrücken, ggf. Fußrücken), erklärte der Dermatologe. Allerdings gebe es auch Photodermatosen mit atypischem Verteilungsmuster, z. B. bei Kontakt mit bestimmten Pflanzenextrakten (Furocumarinen) oder durch die topische Applikation von nicht steroidalen Antiphlogistika auf Hautbereiche über schmerzhaften Gelenken.

Die Zuordnung der Photodermatose erfolgt über die Anamnese, z. B. durch die Erfassung des Zusammenhangs mit der Sonnenexposition, die Anwendung von Medikamenten, Duftstoffen usw. Aber: Nur etwa 7 % aller Photodermatosen sind Medikamenten-induziert und stellen daher eine diagnostische Herausforderung dar, erklärte Prinz.

Zur primären Diagnostik gehört immer die Bestimmung antinukleärer Antikörper im Serum sowie das primäre Porphyrie-Screening.

Differenzierung der Photodermatosen

Zu den differentialdiagnostischen Kriterien gehören unter anderem Kinetik, Alter, Symptome, Morphologie und Verteilung.

Kinetik
  • Crescendo- vs. Decrescendo-Verlauf bei photallergischen vs. phototoxischen Reaktionen
  • Solare Urtikaria: Urticae und Juckreiz innerhalb von 5–10 Minuten
  • Aktinische Prurigo: Beschwerden unmittelbar nach Sonnenexposition
  • Erythropoetische Protoporphyrie: Schmerzhaftigkeit Minuten nach
  • Sonnenexposition +/- Erytheme/solare Urtikaria
  • Hydroa vacciniforme: wenige Stunden
  • Polymorphe Lichtdermatose: Juckreiz und Papeln/Bläschen etc.
  • innerhalb von wenigen Stunden bis 2 Tage
  • Subakut kutaner Lupus erythematodes, systemischer Lupus erythematodes: bis zu 14 Tage
Präferentielles Patientenalter
  • Kleinkinder: Lupus erythematodes neonatorum; erythropoetische Protoporphyrie
  • Kinder: Phytophotodermatitis, Hydroa vacciniforme, bullöse Frühlingsdermatose, aktinische Prurigo, Xeroderma pigmentosum
  • Polymorphe Lichtdermatose: Patientinnen und Patienten im jüngeren Erwachsenenalter
  • Chronisch-aktinische Dermatitis: meist männliche Patienten im mittleren bis späteren Alter
  • Porphyria cutanea tarda: mittleres Erwachsenenalter
Symptomatik
  • Schmerzhaftigkeit mit Erythem: phototoxische Reaktionen
  • Schmerzhaftigkeit oft ohne Erythem: erythropoetische Porphyrie
  • Juckreiz: Solare Urtikaria, photoallergische Dermatitis, polymorphe Lichtdermatose, aktinische Prurigo
Morphe, Verteilung
  • Ekzemmorphe: photoallergisch
  • Sonnenbrandartiges Erythem: phototoxisch
  • Poikilodermie: Xeroderma pigmentosum
  • Quaddeln: solare Urtikaria (erythropoetische Protoporphyrie)
  • Schmetterlingsförmiges Erythem über Wangen und Nase: systemischer Lupus erythematodes
  • Hypertichose temporal, Wangen, Abheilung mit Milien: Porphyria cutanea tarda
  • Initial Erytheme mit Bläschen, dann flache, schüsselförmige Narben wie nach der Pockenimpfung: Hydroa vacciniforme
  • Mitbeteiligung der Unterlippe: aktinische Prurigo

Reaktionen auch hinter Fensterglas?

Berichtet eine Patientin oder ein Patient, dass er oder sie auch hinter Fensterglas entsprechende Reaktionen entwickelt, ist dies ein wichtiges, anamnestisches Signal. Hier kommen laut Prinz nur zwei Erkrankungen infrage: die persistierende Lichtreaktion/chronisch-aktinische Dermatitis und die Urticaria solaris – eine „spannende Erkrankung“, ergänzte er.

Die solare Urtikaria, auch Lichturtikaria, ist gekennzeichnet durch sehr starke urtikarielle Reaktionen auf UV-A- und sichtbares Licht (seltener UV-B), weshalb Betroffene in ihrer Lebensweise enorm eingeschränkt sind. Dies könne bis hin zur Suizidalität führen, berichtete der Experte und erinnerte an den besonders tragischen Fall von Hannelore Kohl, der Frau des Altkanzlers Helmut Kohl, die möglicherweise von ihrer besonders schweren Form der solaren Urtikaria in die Selbsttötung getrieben wurde.

Induzierbare Urtikariaformen: Praktische Hinweise zur Diagnostik

Die für viele Menschen schönste Zeit des Jahres – der Sommer – kann für manche Menschen ein Quell der Qual sein: Wärme, Licht und Wasser können spezielle Unterformen der chronischen induzierten Urtikaria auslösen. Lesen Sie im Beitrag „Urtikaria: Sommer, Sonne, Quaddeln“ praktische Tipps zur Diagnostik bei Urticaria solaris und anderen Unterformen der Nesselsucht.

Zum Infocenter „Urtikaria erkennen und behandeln“

Mithilfe einer „vorsichtigen“ UV-B-Therapie könne man die Hautveränderungen bei Lichturtikaria komplett zur Heilung bringen, konstatierte der Experte. Weitere Behandlungsoptionen umfassen beispielsweise Anti-Histaminika und PUVA, gegebenenfalls auch Omalizumab.

Immer wichtig: Lichtschutz

Grundsätzlich sei bei allen Photodermatosen ein Lichtschutz anzuwenden sowie die Elimination möglicher Auslöser, erklärte Prinz. Die spezielle Therapie von Photodermatosen erfolge immer entsprechend der Diagnose.

Überblick: Therapien von Photodermatosen
  • Immer: Lichtschutz, Elimination möglicher Auslöser
  • Phototoxische und photoallergische Dermatitis: Meidung des auslösenden Photosensibilisators
  • Solare Urtikaria: Anti-Histaminika, UV-B-Bestrahlung, PUVA, evtl. Omalizumab
  • Polymorphe Lichtdermatose (Licht-/Sonnenallergie): topische Glukokortikosteroide; Hardening mit UV-B (Lichtschwiele), evtl. PUVA
  • Chronisch-aktinische Dermatitis: PUVA, Immunsuppressiva (Ciclosporin, Azathioprin)
  • Porphyria cutanea tarda: Eisenreduktion durch Aderlass, Steigerung der Porphyrinausscheidung durch niedrigdosierte Chloroquin- oder Hydroxychloroquin-Gabe, Elimination auslösender Medikamente
  • Aktinische Prurigo: evtl. Thalidomid

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