Neue adjuvante Therapieansätze und eine „echte Innovation“
Eine Zulassungserweiterung für die adjuvante Therapie im Stadium IIB/C, empfehlenswerte Hilfsmittel für die Diagnostik und eine vielleicht wegweisende Methode zur Risikostratifizierung: Der Dermatoonkologe Prof. Dr. Axel Hauschild hat wichtige Neuerungen für die Diagnose und Therapie des malignen Melanoms vorgestellt. 1–5
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Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag „Update Leitliniengerechte Melanomversorgung und Blick in die Zukunft“ von Prof. Dr. Axel Hauschild (Kiel) auf der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie am 13.07.2022 in München | Autorin: Marie Fahrenhold
Mit Dogmen brechen
„Sicherlich wissen Sie [...], dass Deutschland und die USA, wie auch andere Länder in der westlichen Welt nach wie vor ein Problem haben: Die Inzidenzzahlen beim Melanom steigen weiter“ berichtete Prof. Dr. Axel Hauschild, Leiter der Arbeitsgruppe Dermatologische Onkologie der Universitäts-Hautklinik Kiel, auf der 28. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie. „Aber glücklicherweise […] haben wir rückläufige Sterbezahlen – und das ist größtenteils auf die Therapie zurückzuführen.“
Das Update der deutschen S3-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Melanoms werde zwar erst 2023 erscheinen, doch um zu erfahren, welche Neuerungen auch in Deutschland bald anstehen könnten, lohne ein Blick in die kürzlich publizierte Aktualisierung der europäischen Leitlinie, so der Dermatoonkologe weiter. „Ich kann Ihnen sagen, das wird noch eine spannende Zeit geben, weil wir vielleicht mit einigen Dogmen brechen müssen.“
Dermatoskopie nicht nur als IGeL-Leistung anbieten
Die erste Frage, die sich immer stellt, lautet: Welche Diagnostik sollte man für die klinische Diagnose verwenden? Hier gebe es naturgemäß nichts Neues, so der Experte. Goldstandard sei nach wie vor die Histopathologie und Dermatoskopie.
Hauschild warnte: „Seien Sie vorsichtig, wenn Sie der Meinung sind, Sie bieten die Dermatoskopie in einer Praxis nur als IGeL an – und würden es ansonsten nicht machen. Die Leitlinie sagt explizit: All diejenigen, die in der Dermatoskopie trainiert sind, sollten diese auch anwenden!“ Denn im Falle eines übersehenen Melanoms, werde man als Hautärztin oder Hautarzt definitiv gefragt, ob man eine Dermatoskopie verwendet hat oder nicht.
Empfehlenswert: Diagnose mittels Video-Auflichtmikroskopie
Die Erkennung neu aufgetretener Läsionen lasse sich mittlerweile hochprofessionalisiert und digitalisiert mittels Ganzkörperfotografie verbessern. „Am allerbesten ist sicherlich die sequentielle digitale Dermatoskopie, also Video-Auflichtmikroskopie“, empfahl Hauschild. „Bei mir in der Praxis […] ist das der Standard, der jedem Patienten angeboten wird. […] Ich kann nur sagen, ich habe dadurch sehr viele Läsionen erkannt, die vielleicht untergegangen wären, die aber im Vergleich miteinander auffällig waren und dann doch zur Diagnostik eines frühen Melanoms geführt haben.“ Für Hochrisikopatientinnen und -patienten werde die sequenzielle digitale Dermatoskopie empfohlen.
Ganz neu werde vielleicht die konfokale Lasermikroskopie in der neuen Leitlinie diskutiert werden müssen, berichtete der Dermatoonkologe weiter. Im Vergleich zur alleinigen Dermatoskopie reduzierte sich in einer kürzlich erschienenen Arbeit damit die Anzahl unnötiger Exzisionen um 43,4%, die Number Needed to Excise (NNE) lag bei 3,0. Dies sei, so Hauschild, Weltklasse.
Stadium IIB/C: Zusatzerweiterung für Pembrolizumab
Ganz neu wurde Pembrolizumab auch für die adjuvante Therapie von Patientinnen und Patienten mit Melanom im Stadium IIB und IIC zugelassen. Ausschlaggebend war die Zulassungsstudie KEYNOTE-716 mit knapp 1.000 Teilnehmenden, die nach Resektion des Primärtumors mit negativem Sentinellymphknoten (SLNB) randomisiert entweder Pembrolizumab oder Placebo für ein Jahr erhielten. Nach diesem Zeitraum war das Rezidivrisiko in der Pembrolizumab-Gruppe um 35% geringer als in der Placebo-Gruppe (rezidivfreies Überleben [RFS] HR = 0,65; 95%-Konfidenzintervall: 0,46–0,92; p = 0,00658).
Dieser neue Standard muss laut Hauschild den Patientinnen und Patienten mit Melanom-Stadien IIB und IIC angeboten werden. Angeboten werden heiße aber nicht automatisch, dass es auch durchgeführt werden muss: Angesichts nicht vorhersagbarer Nebenwirkungen wie Hypothyreoidismus (13,9%), Hypophysitis (2,1%) oder Nebennierenrindeninsuffizienz (2,1%) müsse hier abgewogen werden.
„Wegführend“: Risikostratifizierung mittels Biomarker
Als „wirklich innovativ“ bezeichnete der Experte eine aktuell laufende Phase III-Studie (adjuvante ADO-Studie, NivoMela), die eine Biomarker-basierter Risikostratifizierung untersucht. Ziel der randomisierten, prospektiven, multizentrischen Studie besteht darin, Patientinnen und Patienten mit hohem Rezidivrisiko vorab zu identifizieren und nur diese adjuvant zu behandeln.
Hierzu wird am Primärtumor von Melanomen im Stadium II A–C mit negativem SLNB ein Biomarker-Test (MelaGenix der deutschen Firma Nera Care) durchgeführt. Anschließend werden Probandinnen und Probanden mit hohem Rückfallrisiko (HR 1,48; 1,11–1,98) im Verhältnis 2:1 randomisiert und erhalten entweder Nivolumab als adjuvante Behandlung (Arm A) oder werden nur beobachtet (Arm B).
Teilnehmende mit einem geringen Risikoscore erhalten keine adjuvante Therapie, sondern werden gemäß den deutschen Leitlinien mindestens fünf Jahre lang hinsichtlich RFS, fernmetastasenfreiem Überleben (DMFS) und Gesamtüberleben (OS) nachbeobachtet (Arm C).
Hauschild zufolge könnte diese Studie wegführend sein, da sowohl Patientinnen und Patienten mit hohem Risiko, an dem Tumor zu versterben, identifiziert werden können, als auch – damit einhergehen – eine Übertherapie bei weniger gefährdeten Patientinnen und Patienten verhindert werden könnte.