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Dermatologie

02. Dez. 2022
Teil 1

Spannende klinische Fälle mit Exanthemen

Von diagnostischen Dilemmas bis hin zu tödlich verlaufenden Erkrankungen – Prof. Dr. Jörg Wenzel hat auf dem Derma Update 2022 eine Reihe spannender klinischer Fälle vorgestellt, die alle eins gemein haben: Exantheme.

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Exanthem am Rücken
Die Differenzialdiagnose von Exanthemen kann eine Herausforderung sein. (Foto: © Getty Images / Jorge Corcuera / EyeEm)

Dieser Beitrag beruht auf dem Kapitel „Hot Topic: Exantheme“ von Prof. Dr. Jörg Wenzel, Stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie Dermatologische Klinik Universitätsklinikum Bonn, im Handbuch des 16. Dermatologie-Update-Seminars 2022 | Redaktion: Marie Fahrenhold

Exanthem nach Lebertransplantation

Über den Fall eines ungewöhnlichen Exanthems nach einer Lebertransplantation berichtet ein Ärzteteam aus der Türkei. 2 Ein 72-jähriger Patient entwickelte einen Monat nach einer Lebertransplantation (aufgrund von chronischer Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom) unter der Behandlung mit Tacrolimus und systemischen Kortikosteroiden plötzlich ein generalisiertes Exanthem mit Fieber sowie hämorrhagische Läsionen im Bereich des Oropharynx (siehe Abbildung in Acar S et al. 1).

Die Hautbiopsie zeigte eine Parakeratose mit einer milden Interface- Dermatitis sowie einer Pigmentinkontinenz. Hierdurch und aufgrund des klinischen Bildes wurde eine Graft Versus Host Disease (GvHD) diagnostiziert. Der Patient wurde daraufhin auf eine Kortisonpulstherapie kombiniert mit einer Plasmapherese umgestellt. Trotz Umstellung verschlechterte sich der Zustand des 72-Jähriger, der zusätzlich noch Durchfälle entwickelte und 51 Tage nach der Operation verstarb.

Kommentar (Prof. Dr. Jörg Wenzel): „Eine GvHD nach Lebertransplantation ist sehr selten, die Inzidenz wird in der Literatur mit 0,06–2 % angegeben. Wenn sie auftritt, ist sie aber dann häufig tödlich (in 75 % der Fälle). Hierbei übernimmt das mit der Leber mittransplantierte Immunsystem ungewollter Weise das Immunsystem des Empfängers. Ein solches Ereignis wird v. a. dann beobachtet, wenn das Immunsystem des Spenders bereits im Vorfeld massiv geschädigt war, zum Beispiel (wie in diesem Falle) durch eine chronische bzw. maligne Vorerkrankung.“

Wie würden Sie therapieren?

Der 67-jährige Bewohner eines Altenwohnheims zeigt der Hauskrankenschwester eine „rote Stelle“ in der Rückengegend.

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Graft-versus-Host-Erkrankung oder Leukämie durch Spenderzellen?

Ein Dermatologenteam aus Oxford (UK) präsentiert den folgenden, differenzialdiagnostisch spannenden Fall eines stark juckenden Exanthems: 2 Eine 57-jährige Patientin entwickelte drei Monate nach einer Stammzelltransplantation ein stark juckendes, stammbetontes Exanthem mit follikulozentrischer Verteilung (siehe Abbildung in Salence BK et al. 2).

Unter Verdachtsdiagnose einer Graft Versus Host Disease (GvHD) war eine intensivierte topische Kortikosteroid-Therapie eingeleitet worden, unter der sich die Hautläsionen jedoch weiter verschlechterten. Die histopathologischen Analyse zeigte ein dermales Infiltrat mit atypischen monozytären Zellen mit einer hohen Proliferationsrate. Die Zellen waren positiv für CD68, CD163, CD14 sowie CD4, und negativ für CD2, CD3, C5 und andere T-Zell-Marker. Dies ermöglichte die Diagnose einer Hautinfiltration durch eine Leukämie, die durch die Spenderzellen ausgelöst wurde. Daraufhin erhielt die Patientin eine zweiter Stammzelltransplantation von einem anderen Spender, verstarb aber leider drei Monate später an einer Sepsis.

Kommentar (Wenzel): „Dieser Fallbericht unterstreicht die Bedeutung histopathologischer Analysen im Kontext einer GvHD. Hier wurde die Diagnosestellung durch Einleitung einer immunsuppressiven Therapie ohne zuvor erfolgte Diagnostik über etwas mehr als 10 Monate verzögert. Spenderzell-vermittelte maligne Erkrankungen bei GvHD Patienten sind selten, können aber auftreten.“

SJS und TEN als Nebenwirkungen von Nivolumab und Ipilimumab

Der Einsatz von Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI) hat in der medikamentösen Therapie von Tumoren in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Moleküle stimulieren die T-Zell-Antwort und damit eine T-zelluläre Antitumorreaktion. Insbesondere das makulopapulöse Exanthem (MPE) wir hierbei relativ häufig „klassische“ unerwünschte Arzneimittelreaktion beobachtet.

Zwei Beispiele dafür, dass entsprechende Medikamente auch mit anderen kutanen Nebenwirkungen einhergehen können, präsentieren Olivia Lee und Kollegen in einer 2022 publizierten Arbeit. 3 Im Rahmen dieser wurden zwei Patienten mit metastasiertem Melanom (i) mit einer Monotherapie mit Nivolumab (Anti-PD-1[Programmed Cell Death Protein 1]-Antikörper) sowie (ii) mit einer Kombination aus Nivolumab plus Ipilimumab (Anti-CTLA-4[Cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4]-Antikörper) behandelt. Im ersten Falle entwickelte sich ein Stephen Johnson Syndrom (SJS) mit fatalem Verlauf, im zweiten Fall eine Toxische Epidermale Nekrolyse (TEN) mit nicht-fatalem Ausgang.

Kommentar (Wenzel): „Der Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren hat die Prognose bei Patienten mit malignem Melanom signifikant verbessert. Allerdings sind diese Medikamente mit einer Vielzahl von Nebenwirkungen assoziiert. Neben den oben schon dargestellten häufigen (Re-)Aktivierungen von autoimmunen Phänomenen durch die Erkrankung können die Patienten aber auch klassische Nebenwirkungen wie MPE und auch schwere toxische Arzneimittelreaktionen entwickeln.“

Fieber, Luftnot, MPE: Masern und/oder Lues?

In einer 2022 publizierten Kasuistik berichten Ärzte aus Thailand 4 über einen 35-jährigen Patienten, der sich mit seit drei Tagen bestehendem Fieber, Luftnot, Muskelschmerzen, Konjunktivitis, Durchfall und einem generalisierten makulopapulösen Exanthem (MPE) in einer Notaufnahme vorstellte (siehe Abbildung 1 und Abbildung 2 in Imad HA et al. 4). Zusätzlich zum MPE zeigten sich bei der körperlichen Untersuchung Koplik-Flecken im Bereich der Mundschleimhaut.

Die weiterführende Diagnostik ergab eine Lymphozytopenie. Eine serologischen Analyse, die zur Abklärung eines erregerbedingten Auslösers bereits bei Aufnahme in die Wege geleitet wurde, fanden sich positives Immunglobulin M (IgM) und IgG für Masern, Röteln sowie für Treponema pallidum (TPHA), den Erreger der venerischen Syphilis.

Der Patient erhielt eine Therapie mit 2 g Ceftriaxon, fiebersenkende Medikamente sowie im Verlauf Penicillin i. m., woraufhin sich der Zustand des Patienten insgesamt deutlich besserte. Nach einer Woche in stationärer Behandlung konnte er entlassen werden.

Kommentar (Wenzel): „Die Differenzialdiagnose spezifischer Exantheme kann eine wirkliche Herausforderung sein, gerade dann, wenn man, wie in diesem Fall, klare Anhaltspunkte für das Vorliegen von zwei Infektionen zur gleichen Zeit bekommt. Hier sprechen Fieber und Konjunktivitis sowie die Koplik-Flecken für das Vorliegen einer Maserninfektion. Der nicht juckende Ausschlag sowie die Beteiligung von Hand und Fußsohlen bei reaktivem-TPHA Test sind hinweisend für eine sekundäre Syphilis. In solchen Fällen ist gegebenenfalls eine polypragmatische Lösung angezeigt.“

Noch mehr spannende Fälle

Monozytotrope Ehrlichiose, ein diagnostisches Dilemma bei einem neonatalen Lupus erythematodes und Interferon-ß als (Teil-)Auslöser eines paraviralen Exanthems während einer Influenza-Virus-Infektion: Lesen Sie im zweiten Teil des Beitrags weitere spannende Fälle mit Exanthemen.

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