Der Vektor-Impfstoff von AstraZeneca: Effektivität von 70 Prozent
Der Vektor-Impfstoff AZD1222 gegen Sars-CoV-2, der von der Universität Oxford in Zusammenarbeit mit der britischen Pharmafirma AstraZeneca entwickelt wurde, soll zu 70 Prozent wirksam sein. Doch viele Fragen bleiben weiterhin offen. 1-5
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Mit Material von dpa und Science Media Center. Redaktion: Marina Urbanietz
Der Wirkstoff AZD1222 beruht auf der abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen. Es enthält genetisches Material eines Oberflächenproteins, mit dem der Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Das Mittel wirkt zweifach: Es soll sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch von T-Zellen fördern.
Die Effektivität der Impfung berechneten die Forscher als das Verhältnis zwischen Infizierten und Geimpften. Dabei wurden symptomatische Probanden zur virologischen Bestätigung mittels PCR getestet.
Phase-II/III-Studie im Vereinigten Königreich: Effektivität von 90 Prozent
Die Universität und das Unternehmen präsentierten erste Ergebnisse einer Zwischenanalyse von zwei verschiedenen klinischen Studien in einer Pressemitteilung.1 In einer kombinierten Phase-II/III-Studie (COV002) aus dem Vereinigten Königreich sammelten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten von 2741 Probanden. Versuchspersonen der Impfgruppe bekamen zuerst eine halbe Dosis des Impfstoffs und einen Monat später eine volle Dosis. Für diesen Studienarm gibt die Pressemitteilung eine Effektivität von 90 Prozent an.
Phase-III-Studie in Brasilien: Effektivität von 62 Prozent
In Brasilien nahmen 8895 Probanden an einer Phase-III-Studie (COV003) teil; Probanden der Impfstoff-Gruppe bekamen dort zwei volle Dosen, die laut den Analysen eine Effektivität von 62 Prozent erreichten. Zusammengenommen ergeben diese Ergebnisse offenbar eine Wirksamkeit von 70 Prozent. Die vorläufige Zwischenauswertung der beiden Studien basiert auf insgesamt 131 nachgewiesenen Infektionsfällen mit Sars-CoV-2, alle Ergebnisse erreichten statistische Signifikanz. Schwere Nebenwirkungen berichteten die Versuchspersonen nicht.
Woher kommt der Unterschied?
Prof. Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Uniklinik Köln, betont, dass die Daten noch schwer zu interpretieren sind: „Es fällt auf, dass mit einer geringeren Impfdosis eine größere Erfolgsrate zu erzielen war als mit einer höheren Dosis. Das ist zunächst nicht einleuchtend, und es müssen weitere Daten abgewartet werden, bis man das besser einschätzen kann. Ist das ein rein zufälliger Effekt? Oder gibt es immunologische Faktoren, die dies begründen? All das wissen wir derzeit noch nicht.“ 3
Auch Prof. Dr. Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Charité, findet mögliche Erklärungen dieses Effekts noch rein spekulativ: „Ich könnte mir vorstellen, dass durch die geringere Anfangsdosis etwas weniger Immunantworten gegen den Vektor selber, also gegen das ChAdOx-Adenovirus, ausgebildet werden. Dadurch könnte möglicherweise bei der zweiten Gabe in der höheren Dosis eine bessere Wirkung erreicht werden. Aber das ist aktuell reine Spekulation, dazu liegen mir keinerlei Daten vor.“ 3
Wird möglicherweise auch die Übertragung des Virus verhindert?
Im Studienarm im Vereinigten Königreich wurden die Probanden zusätzlich einmal die Woche auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet. Eine weitere Pressemitteilung der Universität Oxford interpretiert diese vorläufigen Ergebnisse als Hinweise darauf, dass der Impfstoff auch eine Übertragung des Virus verhindern könnte. 2
Diese Daten seien laut Prof. Dr. Bernd Salzberger, Bereichsleiter Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg, ermutigend und würden darauf hinweisen, dass durch Impfung auch die Übertragung des Virus verhindert werden könnte. 3
Bei Älteren besser verträglich
Die Forscher aus Oxford hatten erst kürzlich im Fachmagazin „The Lancet“ berichtet, dass ihr Impfstoff in klinischen Tests der Phase II auch bei Älteren gut wirkt. 4 In der Phase-II-Studie habe es bei Teilnehmern sowohl unter als auch über 56 Jahren eine gute Immunantwort gegeben, schrieb das Team.
Das Vakzin sei von Älteren sogar besser vertragen worden als von Jüngeren. Den Angaben zufolge waren rund 240 der 560 gesunden Studienteilnehmer über 70 Jahre alt.
Zulassungsanträge in aller Welt
Die Firma AstraZeneca erklärte, sie wolle nun weltweit Zulassungsanträge stellen und zudem bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Antrag auf ein Emergency Use Listing stellen, um auch Entwicklungsländer in einem beschleunigten Verfahren rasch mit dem Impfstoff beliefern zu können. Die EU hatte vorab 300 Millionen Dosen des Impfstoffs bei dem Hersteller bestellt.
- Pressemitteilung on AstraZeneca. AZD1222 vaccine met primary efficacy endpoint in preventing COVID-19, 23.11.2020.
- Pressemitteilung University Oxford. Oxford University breakthrough on global COVID-19 vaccine, 23.11.2020.
- Science Media Center. 70 Prozent Effektivität des Vektor-Impfstoffs von AstraZeneca und Universität Oxford, 23.11.2020.
- Foleggatti P M. et al. Safety and immunogenicity of the ChAdOx1 nCoV-19 vaccine against SARS-CoV-2: a preliminary report of a phase 1/2, single-blind, randomised controlled trial. The Lancet. VOLUME 396, ISSUE 10249, P467-478, AUGUST 15, 2020.
- dpa, 23.11.2020.
Bildquelle: © AstraZeneca