
Long-Covid, Post-Covid oder doch Fatigue?
Die Vertragsärzteschaft erwartet eine deutliche Zunahme von Long-Covid-Fällen. Schon jetzt sei der Beratungsbedarf in den Arztpraxen „immens“, sagte der Vorstandvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. 1 Wie sind Long-/Post-Covid zu diagnostizieren und wie ist der Zusammenhang mit Fatigue? Wir haben aktuelle Fragen aus der Ärzteschaft beleuchtet.
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Redaktion: Nathalie Haidlauf
Wann spricht man von Long-Covid, wann von Post-Covid?
Laut aktueller S1-Leitlinie zu Long-/Post-COVID kann eine der folgenden vier Kategorien herangezogen werden, um Post-/Long-COVID zu diagnostizieren:
- wenn Symptome, die aus der akuten COVID-19-Phase oder deren Behandlung fortbestehen
- Symptome, die zu einer neuen gesundheitlichen Einschränkung geführt haben
- neue Symptome, die nach dem Ende der akuten Phase aufgetreten sind, aber als Folge der Covid19 Erkrankung verstanden werden
- Verschlechterung einer vorbestehenden Grunderkrankung
Symptome, die sehr häufig auftreten: Fatigue, Dyspnoe (Ruhe – Belastung), Leistungs-/Aktivitätseinschränkung, Kopfschmerzen, Riech- und Schmeckstörungen. Zur Abgrenzung zwischen Long-Covid und Post-Covid bietet die aktuelle Leitlinie folgende Orientierung: Bei der akuten Covid-19-Erkrankung bestehen die Symptome für bis zu vier Wochen. Bestehen die Symptome 4 bis 12 Wochen fort, spricht man von Long-Covid. Halten die Symptome länger als 12 Wochen an (und sind nicht erklärbar durch eine andere Diagnose), spricht man vom Post-Covid-19-Syndrom. 2
Worin besteht die Verbindung zwischen den Krankheitsbildern Long-/Post-Covid und Fatigue?
Unabhängig von der Schwere der akuten Covid-19 Infektion berichten Patientinnen und Patienten sehr häufig von Fatigue.3 Das Chronische Fatigue-Syndrom (CFS) ist eine subjektiv oft stark einschränkende, zu den vorausgegangenen Anstrengungen unverhältnismäßige, sich durch Schlaf oder Erholung nicht ausreichend bessernde subjektive Erschöpfung auf somatischer, kognitiver und/oder psychischer Ebene. Die Post-Covid-Fatigue findet sich verteilt über alle Altersgruppen – Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.
Wie diagnostiziere ich das CFS?
Zur Einschätzung von Symptomatik und Schweregrad können Selbstauskunftsinstrumente wie z.B. die Fatigue Skala (FS), die Fatigue Severity Scale (FSS) oder die Fatigue Assessment Scale (FAS) eingesetzt werden. Die individuell berichteten Fatigue-Symptome (körperlich, kognitiv, emotional) werden eruiert und entsprechend differentialdiagnostisch andere Organ- oder psychische Erkrankungen ausgeschlossen. Bisher ist keine kausale Therapie der Fatigue bekannt. Therapieziel sollte laut Leitlinie eine Symptomlinderung, sowie die Vermeidung einer Chronifizierung sein.
Gibt es schon Medikamente, die bei Long-/Post-COVID empfohlen werden?
Gesicherte therapeutische Interventionen beim Long-/Post-COVID gibt es noch nicht. Bislang orientiert sich die Therapie an den Symptomen. Doch es werden bereits Medikamente und Wirkstoffe erprobt. Beispielsweise wird in Erlangen im Rahmen der bayerischen Förderung in einer neu aufgelegten klinischen Studie 4 der Wirkstoff BC 007 als Therapeutikum für Autoantikörper-positive Long-Covid-Erkrankte getestet. Das nicht modifizierte DNA-Aptamer BC 007 macht Autoantikörper unschädlich, die sich gegen körpereigene Proteine richten. 5
Da die Symptome bei Long-/Post-Covid jedoch sehr komplex sind, wird es voraussichtlich kein universell einsetzbares Medikament geben. 6
Gibt es Erkenntnisse darüber, dass Nahrungsergänzungsmittel therapieunterstützend sinnvoll sind?
Zur Gabe von Coenzym Q10 bei Lungenerkrankungen liegen bereits Daten vor. Eine randomisierte Studie 7 zeigte, dass eine Nahrungsergänzung mit Q10 und Kreatin bei COPD-Erkrankten die funktionelle Leistungsfähigkeit, die Körperzusammensetzung und die Wahrnehmung der Atemnot verbessern kann. Ziel ist es, dass mehr Sauerstoff in die Zelle gelangt, sodass das mitochondriale System unterstützt wird. Eine vertiefte Einschätzung zur Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln gibt Prof. Dr. med. Rembert Koczulla, Facharzt für Pneumologie und Autor der S1-Leitlinie, in der coliquio-Sprechstunde.

Sie möchten einen tieferen Blick in die Datenlage werfen?
In der coliquio-Sprechstunde vom 30. März beantwortet Prof. Dr. med. Rembert Koczulla (Autor der S1-Leitlinie Long-/Post-Covid) weitere drängende Fragen aus der Ärzteschaft, beispielsweise:
- Gibt es Daten zu Post-Covid bei infizierten Geimpften im Gegensatz zu infizierten Ungeimpften?
- Wie ist die Datenlage über Long-/ Post-Covid bei Kindern?
- MS-Patienten berichten über eine Linderung der Fatigue durch ASS 100-300mg. Wäre dies auch eine Option bei Long-Covid?
Diese und weitere Fragen werden im Video beantwortet.