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Covid-19 in der Praxis

16. März 2022
Covid-19

Teil-Impfpflicht gestartet: Wichtige Tipps für die Praxisleitung

Nach langem Vorlauf wurde nun Mitte März die Impfpflicht in Arztpraxen, Pflege und weiteren Einrichtungen scharf geschaltet. Ungeimpfte Angestellte haben jedoch noch recht wenig zu befürchten.1

Lesedauer: ca. 4 Minuten

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Autor: Michael van den Heuvel; Redaktionelle Umsetzung: Marc Fröhling

Der Vorlauf war immens: Bereits Ende 2021 haben Bundestag und Bundesrat ein „Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19“ unterzeichnet; das Regelwerk ist am 12. Dezember 2021 formal in Kraft getreten. Es sieht eine Impfpflicht für medizinisches Personal vor. Arbeitgeber hatten bis 15. März Zeit, Nachweise einzufordern und Impfungen zu dokumentieren. Die wichtigsten Aspekte im Überblick.

Warum wurde die institutionenbezogene Impfpflicht eingeführt?

„Dem Personal in den Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, kommt eine besondere Verantwortung zu“, heißt es im Gesetzesentwurf. Sie hätten „intensiven und engen Kontakt zu Personengruppen mit einem hohen Risiko für einen schweren, schwersten oder gar tödlichen Covid-19 Krankheitsverlauf“.

Zu den vulnerablen Gruppen zählen betagte Menschen, Patienten mit Vorerkrankungen oder mit Behinderungen. Gerade zu Beginn der Pandemie wurden Bewohner von Betreuungseinrichtungen mitunter durch Pflegekräfte infiziert. Ähnliche Fälle kamen in Krankenhäusern vor.

Für wen gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht?

Laut Bundesministerium für Gesundheit greift das Gesetz für Angestellte in Krankenhäusern, in Arzt- und Zahnarztpraxen, in betriebsärztlichen Praxen, in der Pflege, in ambulanten chirurgischen Praxen, in Dialyseeinrichtungen, in Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, in Tageskliniken, in Entbindungseinrichtungen, in Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in Rettungsdiensten, in sozialpädiatrischen Zentren sowie in medizinischen Behandlungszentren für Menschen mit geistiger Behinderung oder mit schweren Mehrfachbehinderungen.

Auch für Diätassistenten, Ergotherapeuten, Hebammen bzw. Entbindungspfleger, Logopäden, Masseure, medizinische Bademeister, Orthoptisten, Physiotherapeuten, Podologen und Psychotherapeuten gelten die Regelungen.

Gibt es Ausnahmen?

Eine Ausnahme gilt für Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden sollten. Dies ist anhand eines ärztlichen Attests zu belegen.

Wie setzt der Gesetzgeber die Impfpflicht um?

Spätestens am 15. März 2022 mussten Angestellte Impfnachweise oder Atteste für Ausnahmen vorlegen. Ab 16. März sind Arbeitgeber in der Pflicht, das jeweilige Gesundheitsamt über Ungeimpfte zu informieren. Die Behörde wird Mitarbeiter ohne Schutz zunächst auffordern, Nachweise vorzulegen, sprich sich impfen zu lassen. Fristen nennt das Gesetz nicht – und Gesundheitsämter sind bundesweit überlastet.

Kommen Angestellte der Aufforderung nicht nach, kann das Gesundheitsamt im eigenen Ermessen über Tätigkeits- oder Betretungsverbote entscheiden. Dabei sind Faktoren wie Personalknappheit oder Infektionsgefahren vor Ort zu berücksichtigen. Der Ermessensspielraum ist groß.

Gibt es regionale Unterschiede?

Ja, denn die Länder sind für die Umsetzung zuständig. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CDU) bringt „großzügige Übergangsregelungen“ in das Gespräch und will erst einmal abwarten. Es brauche Zeit, „um das Ganze vernünftig zu gestalten“, sagte er im Februar. Aktuell ist im Freistaat ein Stufenplan vorgesehen: Ungeimpfte werden mehrfach kontaktiert oder beraten; Betretungsverbote sind der letzte Schritt.

Andere Bundesländer stellten ebenfalls klar, bei Entscheidungen einen Ermessensspielraum geltend zu machen. Zum Überblick >>

Müssen Arbeitgeber sofort Betretungsverbote aussprechen?

Nein; die Maßnahme ergreifen gegebenenfalls Gesundheitsämter nach Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.

Sind Ungeimpfte ab 16. März zu entlassen?

Nein; eine Weiterbeschäftigung ist grundsätzlich möglich, solange sich Gesundheitsämter nicht gemeldet haben. Widersprüche und Anfechtungsklagen gegen Anordnungen haben keine aufschiebende Wirkung; Arbeitsgerichte werden in vielen Fällen gefragt sein.

Und wenn Arbeitgeber die Impfpflicht ignorieren?

Melden Arbeitgeber Ungeimpfte nicht dem Gesundheitsamt oder lassen sie diese trotz ausgesprochener Verbote weiterarbeiten, drohen Bußgelder von bis zu 2.500 Euro. Auch Beschäftigte, die sich Anweisungen eines Amts widersetzen, müssen mit einem Obolus rechnen.

Wie viele Pflegekräfte sind derzeit ungeimpft?

Verlässliche Zahlen zur Quote vollständiger Impfungen gibt es nicht. Das Robert Koch-Institut (RKI) nannte für Alten- und Pflegeeinrichtungen 81%, Stand 30. November 2021. In Krankenhäusern sollen es sogar 92% sein.

MEDWING, ein Job- und Karriereportal für Gesundheitsberufe, hat 1.700 Pflegekräfte jetzt zum Thema befragt. 82% gaben an, vollständig geimpft zu sein – und 18% erklärten, keinen Schutz zu haben. 61% der Ungeimpften wollen sich auch in Zukunft nicht impfen lassen; 20% planen Impfungen, und 18% sind unentschlossen.

Wer Covid-19-Vakzine ablehnte, tat dies meist aus Angst vor Nebenwirkungen (56%) oder aus Zweifeln an der Wirksamkeit (69%).

Laut MEDWING-Umfrage hat die Impfpflicht aber noch weitere Konsequenzen. 20% der Interviewten denken darüber nach, innerhalb der nächsten 12 Monate ihren Beruf zu wechseln. Für sie war die Impfpflicht der sprichwörtliche Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen bringt. Als weitere Gründe, der Pflege den Rücken zu kehren, nannten sie tagtägliche Belastungen (45%), die Corona-Pandemie generell (47%), niedrige Gehälter (40%) und die Arbeitszeiten (35%). 

Wie lange gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht?

Am 1. Januar 2023 treten diese Regelungen voraussichtlich wieder außer Kraft.

Gibt es europaweit ähnliche Beispiele?

In Frankreich, Italien, Großbritannien und Griechenland existieren schon länger Corona-Impfpflichten für Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape.com erschienen.

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