Covid-19: 3 Updates zu Behandlung und Impfung
Lagrevio® darf nicht mehr zur Behandlung von Covid-19-Risikopersonen verordnet werden. Und: Die Ständige Impfkommission empfiehlt den Impfstoff VidPrevtyn Beta nicht für Auffrischungen und grenzt ihre Empfehlung zu Evusheld® weiter ein.1–3
Lesedauer: ca. 5 Minuten

Redaktion: Dr. Linda Fischer
Das antivirale Medikament Lagevrio® zur Behandlung von Covid-19-Risikopersonen darf in Deutschland nicht mehr verordnet werden. Der Bund hat die Abgabe des zentral beschafften Arzneimittels gestoppt.
Der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (CHMP) habe Ende vergangener Woche empfohlen, den Zulassungsantrag von Lagevrio® abzulehnen, teilte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in einem Schreiben mit. Zur Begründung habe der CHMP angegeben, dass der klinische Nutzen des Medikaments für Patientinnen und Patienten mit Covid-19, die keinen zusätzlichen Sauerstoff erhalten und bei denen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf besteht, nicht nachweisbar sei.
Nutzen-Risiko-Verhältnis nicht belegbar
Auf Grundlage der verfügbaren Daten hätte laut CHMP nicht festgestellt werden können, dass Lagevrio® das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todesfalls verringere oder die Krankheitsdauer oder die Zeit bis zur Genesung verkürze. Dabei hätten insbesondere die initial positiven Ergebnisse, welche auf vorläufigen Daten einer Zwischenauswertung der pivotalen Zulassungsstudie basierten, in der gesamten Studienpopulation und nach Auswertung weiterer Daten nicht bestätigt werden können.
Darüber hinaus sei es nicht möglich gewesen, eine bestimmte Gruppe von Patientinnen und Patienten in der EU zu ermitteln, bei denen ein klinisch relevanter Nutzen von Lagevrio® zu erwarten wäre. Daher komme der CHMP zu dem Schluss, „dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei der Behandlung von Covid-19 nicht ermittelt werden konnte, weshalb der CHMP empfiehlt, den Zulassungsantrag abzulehnen“, heißt es in dem BMG-Schreiben.
BMG: Ausgelieferte Medikamente dürfen nicht abgegeben werden
Damit entfalle die Grundlage für das Inverkehrbringen gemäß der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung (MedBVSV). Die weitere Abgabe des Arzneimittels Lagevrio® werde daher eingestellt. Bereits an den pharmazeutischen Großhandel und an Apotheken ausgelieferte Ware dürfe nicht weiter abgegeben werden.
Das BMG hatte das zentral beschaffte Arzneimittel Lagevrio® (Wirkstoff: Molnupiravir) Anfang 2022 auf Grundlage der MedBVSV ohne Zulassung in den Verkehr gebracht. Basis hierfür war nach Angaben des Ministeriums eine Bewertung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zum erwartbaren positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis gewesen. Dieser Bewertung wiederum sei im November 2021 eine Einschätzung der CHMP vorausgegangen, die auf vorläufigen Daten basiert habe.1
STIKO: Keine Empfehlung für Auffrischimpfung mit VidPreytyn Beta
Die Ständige Impfkommission empfiehlt den proteinbasierten Covid-19-Impfstoff VidPrevtyn Beta von Sanofi Pasteur derzeit nicht für Auffrischimpfungen. Eine entsprechende Aktualisierung der Covid-19-Impfempfehlung hat die Kommission am vergangenen Donnerstag veröffentlicht.
VidPrevtyn Beta ist in der Europäischen Union seit 10. November 2022 für Auffrischimpfungen bei Personen ab 18 Jahren nach erfolgter Grundimmunisierung mit einem mRNA- oder Vektorimpfstoff zugelassen.
Nach Bewertung der Daten aus den Zulassungsstudien hat die Ständige Impfkommission (STIKO) nun entschieden, die Anwendung des Vakzins VidPrevtyn Beta für die Covid-19-Auffrischimpfung in Deutschland derzeit nicht zu empfehlen. Die STIKO begründet ihre Entscheidung unter anderem damit, dass die Datenlage äußerst limitiert sei. Bisher lägen weder aus klinischen Studien noch aus Post-Marketing-Studien Daten zur klinischen Wirksamkeit ‒ das heißt zur Verhinderung von Covid-19 ‒ der Auffrischimpfung mit VidPrevtyn Beta vor.
Sicherheitsbeurteilung des Impfstoffs derzeit nicht möglich
Zudem sei die Beurteilung der Sicherheit des Impfstoffs derzeit nicht ausreichend möglich, da weniger als 800 Personen in den Zulassungsstudien VidPrevtyn Beta erhalten haben. Gelegentlich beziehungsweise selten auftretende Nebenwirkungen könnten laut STIKO auf Basis dieser Studienergebnisse nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Dies erscheine auch relevant angesichts des erstmals in einem Covid-19-Impfstoff verwendeten Wirkverstärkers AS03.
Die STIKO weist darauf hin, dass es sich bei der Aktualisierung der Covid-19-Impfempfehlung um eine vorläufige Entscheidung handle, die gegebenenfalls angepasst werde, sobald weitere Daten vorlägen. Da andere Covid-19-Impfstoffe zur Auffrischimpfung zur Verfügung stünden, deren Wirksamkeit und Sicherheit hinreichend belegt und die von der STIKO empfohlen seien, könne eine abschließende Entscheidung derzeit ohne nachteilige Auswirkungen verschoben werden.
Da der Impfstoff VidPrevtyn Beta zugelassen sei, könne er trotz fehlender STIKO-Empfehlung verwendet werden. Ein Einsatz könne zum Beispiel begründet sein, wenn produktspezifische, medizinische Kontraindikationen gegenüber den anderen verfügbaren Covid-19-Impfstoffen bestünden, so die Ständige Impfkommission.2
Präexpositionsprophylaxe mit Evusheld® nur noch für bestimmte Hochrisikopersonen empfohlen
Die STIKO hat ihre Empfehlung zur Präexpositionsprophylaxe einer Covid-19-Erkrankung mit dem monoklonalen Antikörper Evusheld® weiter eingegrenzt. Die Gabe der Antikörperkombination mit den Wirkstoffen Tixagevimab und Cilgavimab soll von nun an nur noch in begründeten Einzelfällen für bestimmte Hochrisikopersonen in Betracht kommen, wie die Kommission mitteilte.
Begründete Einzelfälle können laut der STIKO Personen mit einer erwartbaren oder nachgewiesenen starken Einschränkung der Immunantwort auf die Covid-19-Impfung sein. Dies sind beispielsweise Personen nach einer Stammzellentransplantation, unter oder nach Therapie mit Anti-B-Zell-Antikörpern, unter CAR-T-Zell-Therapie, unter starker Immunsuppression oder mit genetisch bedingten Immundefekten, die die antivirale Immunität beeinträchtigen.
Wenn Tixagevimab/Cilgavimab zur SARS-CoV-2-Präexpositionsprophylaxe eingesetzt wird, empfiehlt die STIKO weiterhin eine Dosierung von 300 mg/300 mg ab einem Alter von 12 Jahren und einem Körpergewicht von mindestens 40 kg, also eine Dosierung, die nicht der Zulassung entspricht. Laut Fachinformation beträgt die empfohlene Dosierung hier 150 mg/150 mg.
Begründung: reduzierte Wirksamkeit
Die STIKO begründet die Anpassung ihrer Empfehlung unter anderem mit der aktuellen Datenlage zu den derzeit verbreiteten SARS-CoV-2-Varianten und deren Sublinien sowie der weiterhin reduzierten und gegebenenfalls ganz ausbleibenden Neutralisationskapazität von Evusheld® gegen einige neuere Sublinien. Zudem gebe es nach wie vor wirksame Optionen der antiviralen Frühtherapie.
Die STIKO betont, dass eine Covid-19-Impfung weiterhin für alle Personen mit Immundefizienz als wesentlich zur Verringerung der Morbidität und Mortalität durch Covid-19 angesehen wird. Bei einer Kontraindikation gegen einen Impfstoff stünden in der Regel alternative Präparate zur Verfügung.
Im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion bei Personen mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf verweist die STIKO auf die „Empfehlungen zur antiviralen Frühtherapie bei asymptomatischen Personen oder Personen mit milder Covid-19“ der Fachgruppe COVRIIN am Robert Koch-Institut.3
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