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Covid-19 in der Klinik

18. Feb. 2022
Ob genesen oder geimpft:

3 Antigenkontakte für Covid-19-Schutz wichtig

Wer mit dem Spikeprotein von SARS-CoV-2 dreimal in Kontakt war, ob durch Impfung oder Infektion, sollte gleichgesetzt werden und als geboostert gelten. So lautet die aktuelle Forderung der Gesellschaft für Virologie. 1

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Zum Hintergrund

Das gemeinsame Antigen, mit dem eine Person sowohl bei einer SARS-CoV-2 Infektion, als auch bei einer Impfung in Kontakt kommt, ist das SARS-CoV-2 Oberflächenprotein S (auch als Spike-Protein bezeichnet). Antikörper gegen das Spike-Protein binden an das Virus und können das Anheften des Virus an die Zelle verhindern. Deshalb sind diese neutralisierenden Antikörper der am häufigste gemessene Indikator für einen Schutz vor Infektion. Die SARS-CoV-2 Variante Omikron hat zahlreiche Veränderungen (Mutationen) im Spike-Protein, so dass sie in der Lage ist, der Antikörperantwort von Genesenen und Geimpften zumindest teilweise zu entkommen (Immunflucht).

Um einen guten Schutz vor Infektion mit dieser Variante zu haben, bedarf es eines ausreichend hohen Spiegels an neutralisierenden Antikörpern. Gegen SARS-CoV-2 gerichtete Antikörper werden nach Impfung bzw. Genesung in unterschiedlicher Qualität und Menge gebildet, die jedoch über die Zeit wieder abnimmt.

In verschiedenen Veröffentlichungen wurde gezeigt, dass das Serum von Personen, die nicht geimpft sind und eine Infektion mit SARS-CoV-2 (nicht Omikron) durchlaufen haben, eine niedrige, mitunter nicht mehr nachweisbare neutralisierende Aktivität gegen die Omikronvariante aufweist (z.B. Rössler et al., 2022 1; Planas et al., 2021 2; Hoffmann et al., 2022 3; Carreño et al., 2021 4).

Seren von Personen, die eine Kombination aus Infektion und Impfung durchlaufen haben, oder von geimpften Personen, die eine Auffrischungsimpfung erhalten haben, weisen eine bessere neutralisierende Antikörperantwort gegen die Omikronvariante auf (z.B. Rössler et al., 2022 1; Planas et al., 2021 2; Hoffmann et al., 2022 3; Carreño et al., 2021 4).

T-Zell-Antwort bei Omikronvariante weiterhin wirksam

Neben Antikörpern spielt bei der Abwehr der SARS-CoV-2 Infektion auch die zelluläre Immunität eine Rolle (u.a. Moderbacher et al., 2020 5; Tan et al., 2021 6). Wichtig dabei sind sogenannte T-Zellen, die virusinfizierte Zellen erkennen und zerstören.

Der Schutz vor schweren Covid-19 Verläufen hängt deshalb nicht ausschließlich von neutralisierenden Antikörpern ab, sondern auch von der Fähigkeit der T-Zellen, infizierte Zellen im Körper zu erkennen und abzutöten. Hier gibt es erste Publikationen, die darauf hindeuten, dass im Gegensatz zur Antikörperantwort die T-Zell Antwort bei Genesenen wie auch bei vollständig Geimpften bei einer Infektion mit der Omikronvariante weiterhin wirksam ist (u.a. Keeton et al., 2022 7; Gao et al., 2022 8; GeurtsvanKessel et al., 2022 9). Das liegt daran, dass die Angriffsziele, die von den T-Zellen erkannt werden, bei den SARS-CoV-2 Varianten wenig verändert sind. Es ist davon auszugehen, dass diese T-Zellantworten einen guten Schutz gegen schwere Covid-19 Verläufe nach Infektion mit der Omikronvariante vermitteln können, allerdings liegen hierzu bisher keine Daten vor. Vor einer Infektion mit der Omikronvariante können sie dagegen aufgrund der Wirkweise von T-Zellen in der Regel nicht schützen.

RKI: Verkürzung des Genesenenstatus gilt nur für Ungeimpfte

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat auf seiner Homepage am 15.01.2022 mitgeteilt, dass die Dauer des Genesenenstatus von 6 Monaten auf künftig 90 Tage reduziert wird. Auf der Homepage des RKI wird in einer aktualisierten Version 10 auf folgendes verwiesen: „Diese fachlichen Vorgaben für den Genesenennachweis beziehen sich ausschließlich auf Personen, die ungeimpft sind, d.h. weder vor, noch nach ihrer durchgemachten Infektion eine Impfung erhalten haben.“ Außerdem wird darauf hingewiesen, dass sich diese Vorgaben gemäß dem Stand der Wissenschaft ändern können.

Allerdings wurde bei der Umsetzung dieser Regeländerung in der Folge oftmals nicht zwischen Genesenen ohne oder mit Impfung unterschieden. Nach Ansicht der Gesellschaft für Virologie muss aber klar unterschieden werden zwischen:

1. Genesenen ohne Covid-19 Impfanamnese: Hierbei handelt es sich um Genesene, die zu keinem Zeitpunkt eine Impfung erhalten haben.

2. Genesenen mit Covid-19 Impfanamnese: Hierbei handelt es sich um Genesene, bei denen eine Covid-19 Impfanamnese in verschiedenen Kombinationen zusätzlich zur Infektion vorliegt.

Neuste Publikationen (Wratil et al., 2022 11; Walls et al., 2022 12; Gruell et al., 2022 13) zeigen, dass sich aufgrund des Booster-Effektes SARS-CoV-2 spezifische Antikörper mit hoher Neutralisationsfähigkeit und in ausreichender Menge nach mehreren Antigenkontakten über die Zeit entwickeln.

Anzahl der Antigenkontakte entscheidend

Dabei ist die Anzahl der Antigenkontakte entscheidend, wobei als Antigenkontakt entweder eine einmalige Impfung (also eine Impfdosis) oder eine Infektion gilt. So hat beispielsweise eine vollständige geimpfte Person (d.h. nach zwei Impfdosen), die zusätzlich eine Infektion durchgemacht hat, insgesamt drei Antigenkontakte. Die Studien zeigen, dass sich nach drei Antigenkontakten qualitativ hochwertige Antikörper gegen das SARS-CoV-2 entwickeln, die auch in der Lage sind, die Omikronvariante zumindest teilweise zu neutralisieren. Dies ist unabhängig von den unterschiedlichen Konstellationen der Antigenkontakte, also unabhängig davon, ob eine Person 3-fach geimpft, 2-fach geimpft und genesen oder genesen und 2-fach geimpft ist.

Allerdings muss zwischen zwei Antigenkontakten jeweils ein Zeitabstand von mehreren Wochen liegen. So zeigen Genesene, die zwei Impfungen im Abstand von nur 3 Wochen erhalten, durch die zweite Impfung keine Steigerung der Antikörperantwort im Vergleich zur ersten Impfung (Wratil et al., 2022 11). Aktuell kann keine Aussage darüber getroffen werden, wie lange ein Schutz mehrfach Infizierter ohne Impfung besteht. Außerdem ist aktuell unklar, wie lange und in welchem Umfang der Schutz bei Genesenen mit nur einer Impfung (2 Antigenkontakte) besteht.

Für andere denkbare Kombinationen der Zusammensetzung der 3 Antigenkontakte liegen ebenfalls keine Daten vor. Es ist allerdings davon auszugehen, dass auch in diesen Fällen qualitativ hochwertige Antikörper gegen das SARS-CoV-2 entwickelt werden. Die vorliegenden Daten zeigen aber, dass Genesene (nicht Omikron) ohne vorherige oder nachfolgende Impfung eine nur niedrige, mitunter nicht mehr nachweisbare Antikörperantwort gegen die Omikronvariante entwickeln (z.B. Rössler et al., 2022; Planas et al., 2021; Hoffmann et al., 2022; Carreño et al., 2021) 1-4 und auch der Schutz vor Infektion mit der Omikronvariante deutlich reduziert ist im Vergleich zur Infektion mit der Deltavariante (Andeweg et al., 2022 14). Aus diesem Grund ist für diese Personen mindestens eine Auffrischimpfung zu empfehlen.

Ob genesen oder geimpft: Personen mit 3 Antigenkontakten gleichsetzen

Unter Berücksichtigung dieser Datenlage (Stand 10.02.2022) schlägt die Gesellschaft für Virologie vor, deutschlandweit eine pragmatische Regelung anzuwenden, die Personen mit drei Antigenkontakten, unabhängig von der Art der Antigenkontakte (Impfung oder Infektion), gleichsetzt. Dies wird bereits in einigen Bundesländern so gehandhabt, z.B. in Hamburg 15 und Bayern 16, wo dieser Personenkreis (3 Antigenkontakte) bei der Anwendung der 2Gplus-Regel weitgehend von einem Testnachweis befreit ist. Aus diesem Vorgehen ergibt sich, dass Personen, die nur genesen oder nur 2-fach geimpft sind, nicht Personen mit drei Antigenkontakten gleichgestellt werden können.

Sollte sich die Datenlage ändern und neue Informationen hinzukommen, wovon auszugehen ist, wird diese Stellungnahme erneut angepasst werden.

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