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Covid-19 in der Klinik

27. Dez. 2022
Was hat sich bewährt?

Medikamentöse Therapieansätze bei Covid-19

Wie sieht die medikamentöse Therapie bei Covid-19 aktuell und zukünftig aus? Prof. Dr. med. Tobias Welte (Hannover) stellt Therapien sowohl mit antiviralen Substanzen, Immunmodulatoren und neueren Substanzen vor.

Lesedauer: ca. 6 Minuten

Medikamente Covid-19
Im Laufe der Covid-19-Pandemie haben sich einige medikamentöse Therapieansätze etabliert. (Foto: Dreamstime.com | Jesada Wongsa)

Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag von Prof. Dr. med. Tobias Welte (Hannover) auf der DIVI 2022: „Medikamentöse Therapieansätze bei Covid-19: Was hat sich bewährt?“. Autorin: Dr. Linda Fischer

Über die Zeit haben sich einige medikamentöse Therapieansätze für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Covid-19 bewährt, andere wurden wieder verworfen. Knapp zusammengefasst stehen heute laut Prof. Dr. med. Tobias Welte (Hannover) diese Möglichkeiten zur Verfügung:

Antivirale Substanzen: Je früher sie verabreicht werden, desto besser. Ab 7 Tagen nach der Infektion haben sie kaum noch einen Effekt. Eine längere Therapiedauer ist in Einzelfällen möglich. Remdesivir kann auch bei Kindern und bei Niereninsuffizienz eingesetzt werden.

Monoklonale Antikörper: Momentan ist nur Tixagevimab/Cilgavimab gegen BA.5 einsetzbar. Diese Situation kann sich für neue Varianten jedoch ändern. Neue Antikörper werden derzeit in Phase-III-Studien erprobt.

Immunmodulatoren: Dexamethason ist derzeit der Standard, sobald Patientinnen und Patienten sauerstoffpflichtig werden. Baricitinib kann bei sauerstoffpflichtigen Personen eingesetzt werden, Interleukin (IL)-6-Inhibitoren werden weiter erprobt, IL-1-Inhibitoren werden in Abhängigkeit des Biomarkers suPAR (löslicher Urokinase-Plasminogen-Aktivator-Rezeptor) eingesetzt. Auch neue Therapieoptionen sind möglich.

Antikoagulation: Hier ist eine niedrig dosierte Prophylaxe im Krankenhaus üblich. Ansonsten erfolgt eine Antikoagulation entsprechend der Covid-19-unabhängigen Indikation.

Antivirale Substanzen

Remdesivir: Nach dem negativ ausgefallenen Solidarity-Trial ...

Nach dem negativ ausgefallenen Solidarity-Trial zeigten Sekundäranalysen das, was für viele antivirale Mittel gilt: Wird Remdesivir früh verabreicht, ist der Effekt groß. Je später es verabreicht wird, desto geringer fällt dieser Effekt aus. Ab Tag 7 nach Infektionsbeginn ist kein Effekt mehr messbar.

Der Vorteil von Remdesivir: Es kann i.v. verabreicht werden und ist nur wenig toxisch, abgesehen von einer leichten Lebertoxizität. Das Mittel ist kaum nephrotoxisch, ist auch für Kinder zugelassen und deckt ein breites Indikationsspektrum ab.1

Molnupiravir und Nirmatelvir/Ritonavir: Es gibt eine Reihe von ...

Es gibt eine Reihe von Real-World-Daten, in denen Forscherinnen und Forscher die beiden antiviralen Mittel Lagevrio® (Molnupiravir) und Paxlovid® (Nirmatrelvir/Ritonavir) vergleichen. Durchweg schneidet Nirmatrelvir/Ritonavir besser ab.

Dies sei jedoch auf die schlechte Selektion der Patientinnen und Patienten zurückzuführen, bemerkt Welte. Nirmatrelvir/Ritonavir sei ein stark interaktives Medikament und werde daher ungern bei Menschen eingesetzt, die bereits viele Medikamente einnehmen. Deshalb erhielten in den Studien häufig ältere multimorbide Menschen Molnupiravir, während die jüngeren, fitteren Probandinnen und Probanden Nirmatrelvir/Ritanovir bekamen. Die Studienergebnisse hin zu einem besseren Überleben der jüngeren Menschen sei wenig überraschend.

Molnupiravir ist teratogen und kontraindiziert für Schwangere. Ärztinnen und Ärzte müssen Frauen darüber aufklären, dass sie in den 8 Wochen nach der Behandlung nicht schwanger werden sollten und Männer darüber, dass in diesem Zeitraum keine Schwangerschaft verursachen sollten.

Nirmatrelvir/Ritonavir interagiert mit Immunsuppressiva. Problematisch sind vor allem Calcineurin-Inhibitoren wie Cyclosporin und Tacrolimus. Außerdem interagiert Nirmatrelvir/Ritonavir mit Statinen, die aber laut Welte für 5 Tage abgesetzt werden können. Schwieriger seien orale Antikoagulanzien: Gerade bei alten, multimorbiden Menschen mit eingeschränkter GFR (glomuläre Filtrationsrate) könne es zu Blutungskomplikationen kommen. Weltes empfiehlt, die Dosis der oralen Antikoagulantien zu halbieren oder sie ganz absetzen, was allerdings „wieder Probleme mit sich bringen kann“.

Welte geht beispielhaft auf eine israelische Studie ein, in der ein frühzeitiger Einsatz von Nirmatrelvir/Ritonavir bei älteren multimorbiden Menschen einen gewissen Effekt zeigte, auch unter Omikron-Bedingungen. Allerdings war die Fallzahl an schweren Verläufen gering. Bei jüngeren Menschen war kaum ein Effekt messbar. Die Studie zeigt zudem eindeutig, dass sich der Effekt durch eine Immunität (Impfung, Infektion) weiter reduziert.2 Für Molnupiravir sehen die Daten ähnlich aus, erläutert Welte.

An dieser Stelle mahnt Welte, stets auf die Glaubwürdigkeit von Medikamenten-Studien zu achten. Als Negativbeispiel präsentiert er Daten zu einem Nasenspray, das Covid-19 zuverlässig verhindern soll. Die Daten sind im Lancet Regional Health Southeast Asia publiziert – ein von Lancet aus kommerziellen Gründen gegründetes „Regional Journal“. Es ist weder in Medline aufgenommen, noch hat es einen Impact-Factor oder einen Peer-Review-Prozess durchlaufen. Auch die Datenlage ist katastrophal, sagt Welte. Bei näherer Betrachtung wird klar, dass jede Interpretation der Daten unmöglich ist.3,4

Monoklonale Antikörper

Casirivimab, Sotrovimab, Tixagevimab/Cilgavimab: Während Delta ...

Während Delta vorherrschte, waren Casirivimab und Sotrovimab gut wirksam.5 Doch mit Omikron verlor Casirivimab seine Wirkung. Auch Sotrovimab büßte stark an Wirksamkeit ein. Somit gab es keine zugelassenen Antikörper für die Behandlung, mit Ausnahme von Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld®). Zu Letzterem zeigen Daten (im Druck) eine gute Wirksam bei BA.2 und eine weniger gute, aber immer noch vorhandene, Wirksamkeit gegen BA.4/5. Das Mittel ist primär indiziert für die passive Immunisierung. Welte setzt es ein bei Transplantierten, die keine Antikörperantwort auf die Impfung zeigen.6

Inzwischen gibt es auch Therapiedaten, die allerdings nicht sehr überzeugend sind, schätzt Welte ein. Dennoch zeigen sie eine Wirksamkeit von Tixagevimab/Cilgavimab. In einer Studie ergab die Verabreichung am Tag der Infektion eine Wirksamkeit von 100 %, die mit jedem weiteren Tag sank. Ab Tag 7 war praktisch kein Effekt mehr vorhanden.7

Inzwischen gibt es mehrere Real-World-Daten zu Sotrovimab bei Omikron, aus denen ersichtlich wird, dass das Mittel keineswegs überhaupt nicht mehr wirkt. Es wirkt vielmehr nicht mehr so gut wie gegen die Delta-Variante. In Leitlinien ist Sotrovimab nicht mehr empfohlen. Welte setzt den Antikörper noch bei persistierender hoher Viruslast als Rescue-Therapie ein.

Bei Patientinnen und Patienten, bei denen das Virus persistiert, empfiehlt Welte immer eine genetische Analyse des Virus, auf deren Basis sich dann häufig eine Therapieoption finden ließe.8

Immunmodulatoren

Dexamethason: Bei beatmeten Patientinnen und Patienten zeigen ...

Bei beatmeten Patientinnen und Patienten zeigen Daten aus dem NEJM eine gute Wirkung. Bei nicht-beatmeten Menschen ohne Sauerstoffbedarf hingegen ist die Wirkung gleich 0, kommentiert Welte.9

Einige Studien beschäftigen sich mit der Frage, wie das Präparat bei einem infektiösen ARDS (acute respiratory distress syndrome) am besten verabreicht werden sollte. Die Wirksamkeit konnte bisher jedoch weder mit einer höheren Dosis verbessert werden, noch mit einer längeren Gabe von > 10 Tagen.10,11

Januskinase-Inhibitoren helfen Patientinnen und Patienten, die ...

Januskinase-Inhibitoren helfen Patientinnen und Patienten, die gerade sauerstoffabhängig werden – nicht jedoch schwerer Erkrankten. Nebenwirkungen treten bei diesen Inhibitoren nur wenige auf. Beispielsweise liefert Baricitinib in dieser Situation einen leichten Überlebensvorteil.12

Tocilizumab wirkt vor Intubation und Beatmung, wie eine Lancet-Studie der RECOVERY-Collaborative Group zeigt.13

Der IL-1-Blocker Anakinra wurde lediglich in kleinen Studien aus Griechenland und Italien untersucht. Welte stellt eine Studie vor, in der Forschende suPAR als Biomarker verwendeten und zeigen konnten, dass Anakinra bei hohen Werten für den Biomarker effektiv ist. Welte schätzt, dass dies die bessere Substanz sei, als IL-6-Inhibitoren.14

Neue Substanzen: Hier nennt Welte beispielhaft den ...

Hier nennt Welte beispielhaft den vielversprechenden Antikörper gegen Komplement C5a (Anti-C5a Antikörper). In dem PANAMO-Trial zeigte sich ein Trend hin zu einem besseren Überleben bei beatmeten Patientinnen und Patienten. Im Moment prüfe die FDA, ob die Substanz trotz fehlender Signifikanz eine Zulassung bekommen kann.15

Um zu verdeutlichen, dass ein kritischer Blick auf die Glaubwürdigkeit von Studiendaten wichtig ist, geht Welte auf Sabizabulin ein. Daten dazu veröffentlichte das Journal New England Evidence, einem Sub-Journal, welches das NEJM zu Covid-19-Zeiten ins Leben gerufen hatte. Publiziert ist der Artikel in Volume 1. Insgesamt findet Welte 37 Artikel in einer Google-Suche, die behaupten, in diesem Journal sei geschrieben worden, das Präparat wirke. Das Journal ist jedoch nicht in Medline gelistet und hat keinen Impact-Factor.16

Antikoagulation

Ein frustrierendes Kapitel ist laut Welte die Antikoagulation bei Covid-19. Durch die Aktivierung der lokalen Gerinnung liege bei Covid-19 ohne Frage ein Gerinnungsproblem vor. Die logische Folgerung zu Beginn der Pandemie: Es muss antikoaguliert werden. Inzwischen gibt es ausschließlich negative Studien zur Antikoagulation, da sie zwar einen Vorteil auf pulmonaler Ebene bietet, es jedoch zu deutlich mehr Hirnblutungen kommt. Im Moment bleibt Ärztinnen und Ärzten für die Behandlung lediglich eine niedrig dosierte Thromboseprophylaxe. Systemische Antikoagulation erfolgt nur, wenn sie aus anderen Gründen indiziert ist – jedoch nicht mehr als Covid-19-Therapie.17

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