
5 bis 9 Jahre mehr Lebenszeit nach bariatrischer OP – Patienten mit Diabetes profitieren am stärksten
Bei Erwachsenen mit Adipositas verbessern metabolisch-bariatrische Operationen im Vergleich zur konservativen Standardtherapie die Lebenserwartung. Der Nutzen ist bei adipösen Patienten mit Diabetes deutlich ausgeprägter.1
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Der Nutzen metabolisch-bariatrischer Operationen im Vergleich zur konservativen Standardtherapie mit Blick auf die Lebenserwartung ist bei adipösen Patienten mit Diabetes deutlich ausgeprägter als bei stark Übergewichtigen ohne diese Stoffwechselerkrankung. Zu den Ergebnissen kommen Nicholas L. Syn von der National University of Singapore und Kollegen in The Lancet.
Bekannte und unbekannte Effekte der bariatrischen Chirurgie
Bekanntlich führen metabolisch-bariatrische Eingriffe zu einem erheblichen Gewichtsverlust, verbessern kardiovaskulär relevante Stoffwechselparameter und senken das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen. Die Lebenserwartung steigt.
Syn und Kollegen schreiben, es würden jedoch robustere Schätzungen des Effekts auf die Langzeit-Mortalität und auf die Lebenserwartung benötigt, um politische Entscheider und Kostenträger sowie Patienten über den Nutzen solcher Eingriffe verglichen mit konservativen Therapien aufzuklären. Wichtig sei eine Stratifzierung nach dem Diabetes-Status. Deshalb haben die Autoren Langzeit-Überlebensraten von adipösen Patienten untersucht, die entweder operativ oder konservativ behandelt worden waren.
Daten von mehr als 65.000 chirurgischen Patienten ausgewertet
Grundlage ihrer Veröffentlichung ist eine Metaanalyse mit Überlebensdaten von Patienten aus prospektiven, kontrollierten Studien und qualitativ hochwertigen gematchten Kohortenstudien. Von 1.470 Veröffentlichungen wurden 16 gematchte Kohortenstudien und 1 prospektive, kontrollierte Studie in die Analyse einbezogen.
Insgesamt standen Daten von 65.785 Patienten mit bariatrischer Chirurgie zur Verfügung. Über einen Zeitraum von 496.771 Personenjahren hinweg kam es bei ihnen zu 1.813 Todesfällen. Bei 108.987 gematchten Patienten mit konservativer Therapie waren es 5.899 Todesfälle innerhalb von 659.605 Patientenjahren.
In der Gesamtpopulation war die metabolisch-bariatrische Chirurgie mit einer Verringerung der Sterberate um 49,2% (95%-Konfidenzintervall 46,3%-51,9%, p<0,0001) assoziiert. Operierte Teilnehmer lebten median 6,1 Jahre länger als Teilnehmer mit üblicher Versorgung.
Subgruppenanalysen ergaben sowohl für Personen mit (Hazard Ratio 0,409) als auch ohne Diabetes (HR 0,704) niedrigere Gesamtmortalitätsraten. Der Behandlungseffekt war bei Diabetes-Patienten mit OP jedoch deutlich größer. Sie lebten im Median 9,3 Jahre länger als Patienten, die konservativ behandelt wurden. Patienten ohne Diabetes gewannen durch die chirurgische Therapie 5,1 Lebensjahre.
Die Zahl an notwendigen Behandlungen (number needed to treat, kurz NNT), um 1 zusätzlichen Todesfall innerhalb von 10 Jahren zu verhindern, betrug 24,4. Im Intervall von 20 Jahren lag die NNT bei 10,8. Bei der Subgruppe mit Diabetes ergab sich eine NNT von 8,4 (10 Jahre) beziehungsweise 5,.3 (20 Jahre). Und bei Patienten ohne Diabetes geben die Autoren als NNT 29,8 beziehungsweise 19 an.
Die Methode selbst, sprich Magenbypass, Banding oder Sleeve-Gastrektomie, schien Behandlungseffekte nicht zu beeinflussen.
Ergebnisse ein weiteres Argument für die bariatrische Chirurgie
Nach Angaben der Autoren habe ihre Analyse genügend statistische Power, um die langfristige Überlebensprognose nach metabolisch-bariatrischen Operationen einschätzen zu können. Ein Pluspunkt der Analyse sei zudem, dass sie Angaben zur Hazard Ratio, zur NNT und zur medianen Lebenserwartung enthalte, wie Syn und Kollegen schreiben. Darüber hinaus seien Subgruppenanalysen durchgeführt worden, um Behandlungseffekte bei Typ-2-Diabetes zu unterscheiden.
Insgesamt ergänzt die Metaanalyse die bestehende gute Datenlage zum Nutzen der Adipositas-Chirurgie. Die Ergebnisse sollten für politische Entscheidungsträger von Interesse sein, die Strategien gegen die zunehmende Prävalenz von Adipositas und Diabetes entwickeln. Mit der Publikation haben aber auch Allgemeinmediziner, Endokrinologen und Kardiologen eine weitere Argumentationshilfe für ihre Kommunikation mit Patienten. Von Bedeutung dürften die Resultate auch sein, wenn es darum geht, den Nutzen der Adipositas-Chirurgie im Vergleich zu neuen pharmakologischen Therapien zur Gewichtsreduktion, etwa oral verabreichtem Semaglutid, zu bewerten.
,,Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape erschienen.”