
Xylazin: Das Wichtigste zur "Zombie-Droge"
Insbesondere in den USA strecken Drogendealer Fentanyl, Heroin oder Kokain immer häufiger mit dem Tierberuhigungsmittel Xylazin – auch als „Zombie-Droge“ oder „Tranq“ bekannt. Anders als bei großen Pferden kann das beim Menschen ernsthafte und lebensgefährliche Nebenwirkungen haben, wie auch ein Fall aus Großbritannien zeigt. Die FDA hat bereits mit einer strikteren Einfuhrkontrolle des in der Veterinärmedizin eingesetzten Medikaments reagiert.1-3
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Autorin: Maria Weiß | Redaktion: Dr. Nina Mörsch
Als zentral wirksamer α2-Agonist hemmt Xylazin die Freisetzung von Noradrenalin und Adrenalin und führt dadurch u.a. zu Sedierung, Analgesie und Euphorie. Die ursprünglich als Antihypertensivum für den Einsatz beim Menschen entwickelte Substanz erwies sich hier zu nebenwirkungsreich, sodass die Entwicklung in der Humanmedizin eingestellt wurde. Seit 1972 wird es aber in der Tiermedizin zur Sedierung und Schmerzbekämpfung bei großen Tieren wie Pferden eingesetzt.
Xylazin: In den USA weit verbreitet
Erste Fälle von Missbrauch von Xylazin als Additivum zu anderen stimulierenden Substanzen und Opioiden wurden 2001 aus Puerto Rico gemeldet. Über Philadelphia und Connecticut hat sich die Substanz dann in der Drogenszene der gesamten USA ausgebreitet. Am häufigsten wird Xylazin mit Fentanyl kombiniert. Bereits 2021 war Xylazin in mehr als 90 % aller Drogenproben und in 36 der 49 US-Staaten nachweisbar.
Was macht die Substanz für Drogenabhängige so verlockend? Die positive Wirkung von Fentanyl wie Euphorie und Analgesie wird scheinbar verlängert, wodurch die Frequenz der Injektionen reduziert werden kann. Es entsteht aber eine körperliche Abhängigkeit von Xylazin selbst. Die Entzugssymptome wie Irritabilität, Angst und Dysphorie können nicht durch Opioide antagonisiert werden, sodass die Abhängigen immer wieder auf mit Xylazin gestreckte Drogen zurückgreifen. Für die Drogendealer ist die Zugabe von Xylazin ebenfalls verlockend, da die Substanz zumindest bisher auf dem Markt leichter zu beschaffen ist als z. B. Heroin.
Xylazin: Akute Intoxikation ist lebensgefährlich
Mit der Beimischung von Xylazin sind aber viele Gefahren verbunden. Bei einer akuten Intoxikation wird das zentrale Nervensystem heruntergefahren und es drohen Hypotension und Bradykardie. Auch eine gefährliche Atemdepression wird beobachtet, die wahrscheinlich auf eine Verstärkung der Opioid-induzierten Atemdepression zurückzuführen ist.
Gefährlich für die Betroffene wird es vor allem dann, wenn die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Beteiligung von Xylazin an der Intoxikation nicht erkennen, und nur die bei einer Opioidintoxikation übliche Therapie mit Naloxon einleiten.
Naloxon kann die Wirkung von Xylazin nicht antagonisieren, sodass bei einer Xylazin-Intoxikation zusätzliche Maßnahmen notwendig sein können.
Dazu gehören das Freihalten der Atemwege, zusätzlicher Sauerstoff, Behandlung der Hypotension und unter Umständen auch eine künstliche Beatmung. Ein spezifisches Antidot gegen Xylazin gibt es nicht. Die Zahl der Drogentoten mit Xylazin-Beteiligung stieg in den USA von 260 im Jahr 2018 auf 3.480 im Jahr 2021 – ein Anstieg von 1238 % in nur drei Jahren.
Noch gibt es sehr wenig Daten zum Umgang mit Xylazin-Entzugssymptomen innerhalb der Klinik. In einigen Einrichtung wurden auf der Intensivstation versuchsweise Dexmedetomidin- Infusionen eingesetzt, in anderen wurden Clonidin und Lofexidin eingesetzt. Es scheint sich zu bewähren, diese Substanzen über 5-7 Tage langsam wieder auszuschleichen – klinische Daten dazu fehlen aber.
Auf die Dauer drohen schwere Hautnekrosen
Zusätzlich zu den akuten Wirkungen drohen bei längerer Anwendung von Xylazin auch schwere nekrotische Haut-Ulzerationen. Diese Wunden unterscheiden sich von den üblicherweise bei I.v.-Drogenabhängigen auftretenden Ulzerationen und sie können auch in einiger Entfernung von den Injektionsstellen und unabhängig vom Applikationsmodus auftreten. Die sich z.T. immer weiter über Arme und Beine ausbreitenden Nekrosen haben zur Bezeichnung „Zombie-Droge“ geführt. Die Pathophysiologie ist noch unklar und wahrscheinlich multifaktoriell.
Xylazin auch in Europa - Todesfall in Großbritannien
Der Tod eines 43-jährigen Mannes mit bekanntem i.v.-Drogen-Abusus in Großbritannien zeigt, wie gefährlich der Zusatz von Xylazin ist. Die postmortem durchgeführte toxikologische Untersuchung ergab, dass der Tod durch die injizierte Kombination von Fentanyl, Heroin, Kokain und Xylazin bedingt war. Der Fall zeigt auch, dass Xylazin längst nicht mehr auf die USA beschränkt ist. Bei freiwilligen Testungen von Drogenproben wurde die Substanz in England schon in Proben von Opioiden, Benzodiazepinen und auch THC nachgewiesen.
Es ist daher wichtig, bei Intoxikationen immer an die Möglichkeit einer Xylazin-Beteiligung zu denken. In den üblichen toxikologischen Routinetests ist die Substanz noch nicht enthalten, sodass gezielt danach gesucht werden muss.
Auch die FDA ist auf die Gefahr aufmerksam geworden und warnt vor den lebensgefährlichen Nebenwirkungen von Xylazin. Um den illegalen Import der Substanz einzuschränken, wurden im März dieses Jahres striktere Einfuhrkontrollen beschlossen, um sicherzustellen, dass Xylazin nur in der Tiermedizin eingesetzt wird und nicht in die Hände von Drogendealern gelangt.
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