Titelbild von Praxis-Wissen kompakt
Logo von Praxis-Wissen kompakt

Praxis-Wissen kompakt

14. Apr. 2023
FSME

Experten warnen vor verspäteten Diagnosen nach Zeckenbissen

Zecken-Experten warnen vor Fehldiagnosen bei Kindern, weil Infektionen nach Bissen der Tiere aus ihrer Sicht auch sehr untypische Symptome hervorrufen können.1

Lesedauer: ca. 3 Minuten

In-Artikel Bild
Experten plädieren dafür, auch bei Anzeichen einer Sommergrippe an FSME zu denken. (Symbolbild) (© gettyImages/Risto0)

Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Hohenheim sowie der Deutschen Presseagentur (dpa) | Redaktion: Sebastian Schmidt

Die Zecke bleibe ganzjährig aktiv und hat inzwischen selbst höher gelegene Bergregionen erobert: Der Klimawandel begünstige die Ausbreitung von Zecken und damit auch das Auftreten der FSME. Davor warnte Prof. Dr. Ute Mackenstedt, Fachgebiet Parasitologie an der Stuttgarter Universität Hohenheim, im Rahmen einer Pressekonferenz am Freitag.

Neuere Erkenntnisse zeigten außerdem, dass FSME-Infektionen auch sehr untypische Symptome hervorrufen können, sodass gerade bei Kindern die Gefahr der Fehldiagnose bestehe, bestätigt Prof. Dr. Gerhard Dobler, Mikrobiologe und Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr.

„Wir sehen, dass die Frühsommer-Meningoenzephalitis vor allem im Erststadium und erst recht bei Kindern relativ unspezifisch verlaufen kann“, sagte Dobler. „Leider gibt es aber noch Kinderärzte, die glauben, dass es die FSME bei Kindern nicht gibt und die daher bei der Diagnose auch nicht daran denken.“

Selbst Darmsymptome können auf FSME hinweisen

FSME ist eine Hirnentzündung. Zecken können die Viren übertragen. In Tschechien würden laut Studien zwei Drittel der FSME-Fälle bei Kindern zunächst falsch diagnostiziert, sagte Dobler bei einer Video-Konferenz mit anderen Fachleuten. Ähnliche Studien in Deutschland gebe es nicht. Dobler rief Ärzte aber dazu auf, sich nicht alleine auf die FSME-Risikokarte des Robert Koch-Instituts (RKI) zu verlassen.

Die bekanntesten FSME-Symptome seien zwar Gehirn- und Hirnhautentzündung, sagte der Münchner Experte. Unter Umständen könnten aber auch Anzeichen einer Sommergrippe wie Fieber, Kopfschmerzen oder Erbrechen und selbst Darmsymptome auf eine sogenannte FSME-Infektion hindeuten. Es gebe auch zunehmend Fälle mit einer völlig untypischen Symptomatik wie einer Darmlähmung, aber auch Leber- und Herzentzündungen.

Zecken können auch die Erreger der Lyme-Borreliose übertragen, was oft erst Stunden nach Beginn des Saugakts erfolgt. Sie ist laut RKI wesentlich häufiger und komme deutschlandweit vor. Erstes Symptom ist oft eine größer werdende Rötung um die Einstichstelle herum, später können Nerven, Gelenke und Herz von den Bakterien befallen werden.

FSME-Risiko? Hochdynamisch und komplexe Situation

Ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht laut RKI vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen, in Sachsen und seit dem Vorjahr auch im südöstlichen Brandenburg. Allerdings werden die weitaus meisten FSME-Fälle in Baden-Württemberg und Bayern registriert.

Vor allem in Süddeutschland sei die Situation sehr dynamisch, sagt Prof. Dr. Mackenstedt. Die Untersuchungen und die genetische Charakterisierung der FSME Viren habe gezeigt, dass sich gerade hier viele verschiedene FSME Stämme etabliert hätten, die für die Krankheitsfälle verantwortlich seien. Diese genetische Vielfalt sähe man in anderen Regionen Deutschlands nicht.

In den ausgewiesenen Risikogebieten empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) eine FSME-Impfung. Ute Mackenstedt vom Fachgebiet Parasitologie der Stuttgarter Universität Hohenheim betonte am Freitag aber, das Risiko sei auch in Norddeutschland gegeben, es sei dort nur vergleichsweise geringer.

Die langjährigen Untersuchungen zeigten aber auch: Die FSME-Situation sei ein hochkomplexes vielfältiges Geschehen und Vorhersagen seien schwierig. Manche Regionen erwiesen sich über Jahre oder Jahrzehnte als FSME-Hotspot. Bei anderen schnellten die Fallzahlen innerhalb eines Jahres rapide nach oben und nähmen im nächsten Jahr wieder ab, so die Experten.

Quellen anzeigen
Impressum anzeigen