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Praxis-Wissen kompakt

11. Sep. 2023

Vorsicht bei Fischöl: Studie prüft Herstellerangaben

Fischöl-Präparate werden häufig mit wissenschaftlich unbelegten Angaben beworben und sind außerdem sehr unterschiedlich hoch konzentriert. Laut einem Expertem sind diese sowieso überflüssig.

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Fischöl-Kapseln
Fischöl-Supplemente: Einer aktuellen Untersuchung zufolge werden diese häufig mit wissenschaftlich unbelegten Angaben beworben. (Foto: © Getty Images / gregory_lee)

Autor: Dr. Jürgen Sartorius | Redaktion: Marc Fröhling

Zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel enthalten Fischöl und machen darüber Aussagen zur Gesunderhaltung. Eine US-Studie ergab, dass diese allerdings zu etwa 80% nicht offiziell durch die US-Food and Drug Administration (FDA) belegt sind. Darüber hinaus finden sich unter den Produkten der 16 führenden Anbieter sehr unterschiedliche Dosierungen der Schlüsselsubstanzen für den täglichen Bedarf. Die Autoren fordern mehr Aufmerksamkeit und Kontrolle der Behörde zu diesem Thema. Die Studie wurde kürzlich im Journal of American Medical Association (JAMA) Cardiology publiziert.

Gutes Geschäft durch viele Anwender

Etwa 20% aller über 60-jährigen US-Bürger nimmt demnach häufig Fischöl-Produkte zur Verbesserung der Herz- und Kreislaufgesundheit ein. Und das, obwohl zahlreiche Studien keinen kardiovaskulären Vorteil von Fischöl in Dosierungen zeigen, wie sie bei den meisten Produkten zur Nahrungsergänzung vorliegen. Daraus schließen die Autoren, dass die Behauptungen der Anbieter dieser Produkte dazu führen, dass die Anwender an deren gesundheitlichen Nutzen glauben. 

„Die Vermarktung von Nahrungsergänzungsmitteln ist nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland ein gutes Geschäft“, bemerkt Prof. Dr. Stephan Martin, Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ) in Düsseldorf. „Wozu Fisch essen, wenn es auch mit Kapseln geht?“

Aussagen zu über 2800 Fischöl-Präparaten geprüft

Für ihre Analyse nutzte die Forschergruppe um Erstautorin Joanna N. Assadourian und Dr. Ann Marie Navar, University of Texas, Medical Center, Dallas, USA, die in einer Datenbank der FDA gespeicherten Beipackzettel von 2.819 Fischöl- und anderen Omega 3-Fettsäuren enthaltenden Produkten. 

Bei 73,9% dieser Produkte machten die Anbieter mindestens eine Aussage zum gesundheitlichen Nutzen. Von diesen waren nur 19,2% (399) offiziell durch die FDA belegt. Alle Übrigen machten strukturelle bzw. funktionale Aussagen wie „Gut für ein gesundes Herz“. 

Eine durch die FDA belegte Aussage wäre: „Unterstützende, aber nicht beweiskräftige Forschungen zeigten, dass der Verzehr von den Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA) das Risiko einer koronaren Herzerkrankung reduzieren könnte.“ Hierbei wird eine mögliche wissenschaftliche Unsicherheit verbalisiert.

„Tatsächlich haben bisherige randomisierte Placebo-kontrollierte Studien bis auf eine keinen Effekt gezeigt“, ergänzt Martin. „Die einzige Studie, die ein statistisch signifikantes Ergebnis gezeigt hat – die REDUCE-IT-Studie – nutzte als Placebo ein Mineralöl, das bei den Teilnehmer in der Kontrollgruppe vermutlich zu einer höheren Ereignisrate geführt hat.“ 

Dabei waren Aussagen zu kardiovaskulärer Gesunderhaltung mit 62% die häufigsten, aber es gab es auch solche zu mentaler Gesundheit (37,5%), Gelenken (24,3%), Augen (16,9%) sowie antioxidativer (15,5%), entzündungshemmender/immunsteigernder (15,1%), lipid-/cholesterinsenkender (5,7%) und triglyceridsenkender (5,0%) Wirkung. 

Dosierungen sind nicht einheitlich

Ein weiteres Thema der Studie war der Vergleich der angegebenen Dosierungen der Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA in insgesamt 255 Fischöl-enthaltenden Präparaten von 16 führenden Anbietern. Dabei zeigte sich, dass die Tagesdosierungen von EPA zwischen 135 und 647 mg und von DHA zwischen 140 und 500 mg variierten. 24 dieser 255 Supplemente enthielten 2 g oder mehr EPA plus DHA als Tagesdosis. Diese hohe Dosis kann wohl Triglyceridspiegel senken, aber auch das Risiko für Kammerflimmern erhöhen. Dazu findet sich allerdings nichts in den Beipackzetteln.

Auslobung und Dosierung müssen kontrolliert werden, fordern Autoren

„Die wesentliche Botschaft dieser Arbeit ist meines Erachtens schon korrekt“, wertet Martin. „Es ist durchaus sinnvoll, im medizinischen Umfeld auf die Fehlinformationen aufmerksam machen.“ 

In ihrer Diskussion weisen die Autoren auf die Gefahren missverständlicher Informationen zur Wirkung und auf die großen Unterschiede in der Dosierung der untersuchten Präparate hin, aus denen sich mögliche Gesundheitsrisiken ergeben könnten. Sie fordern eine verstärkte Kontrolle der werblichen Informationen sowie der Zusammensetzung der Fischöl-Produkte im Hinblick auf mögliche Kammerflimmer-Risiken.

„Diese Ergebnisse halten die Anbieter solcher Supplemente aber wohl nicht davon ab, angebliche gesundheitliche Vorzüge anzupreisen“, prangert Martin an. „Auch wenn es keine randomisierten Interventionsstudien zum Fischkonsum gibt, kann meine Empfehlung daher nur lauten: Wenn Fischöl, dann bitte mit Gräten!“

Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape.com erschienen.

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