Titelbild von Praxis-Wissen kompakt
Logo von Praxis-Wissen kompakt

Praxis-Wissen kompakt

09. März 2023
61-jährige Patientin

Neuartiges Hepatitis-Virus entdeckt

In der Leber einer 61-jährigen Patientin, die aufgrund einer Herz-Lungentransplantation hochdosiert mit Immunsuppressiva behandelt wurde, haben Wissenschaftler aus Frankreich bei der Abklärung einer Hepatitis ein bisher unbekanntes Virus entdeckt.1

Lesedauer: ca. 2 Minuten

Hepatitis
Mittels Metagenom-Analyse stieß ein Forscherteam auf die Gene eines Circovirus, die aber nur bis zu 70 % mit bekannten Vertretern dieser Art übereinstimmen. (Foto: Feng Yu | Dreamstime.com)

Autorin: Maria Weiß / Redaktion: Dr. Nina Mörsch

Die Patientin war vor 17 Jahren transplantiert worden und stand seitdem unter engmaschiger medizinischer Betreuung. Die immunsuppressive Erhaltungstherapie umfasste Tacrolimus, Mycophenolat-Mofetil und Prednison.

Dramatischer Anstieg der Leberenzyme

Im März 2022 kam es zu einem dramatischen Anstieg der Leberenzyme, die Transaminasen waren um das 40-fache erhöht. 16 Monate zuvor hatte sie wegen einer akuten Abstoßungskrise hochdosierte Steroide erhalten. Da gängige Ursachen für eine Hepatitis wie Hepatitis A, B, C, andere Erreger, Vergiftungen oder Medikamentennebenwirkungen ausgeschlossen werden konnten, wurde eine Leberbiopsie vorgenommen. Hier zeigte sich das übliche Bild einer viralen Hepatitis (Zytolyse von Leberzellen mit leichten entzündlichen Infiltraten aus Lymphozyten und Histiozyten). Bekannte Krankheitserreger mit Ausnahme des Epstein-Barr-Virus konnten aber mittels PCR nicht nachgewiesen werden. EBV schlossen die Ärzte als Ursache der Hepatitis aus, da die Konzentration der Virusgene in der Leber gering waren. 

"Next-Generation Sequencing"

Die Infektiologen führten daher eine Metagenom-Analyse mit dem „Next-Generation Sequencing“ durch. Alle in einer Probe enthaltenen RNA-Moleküle werden hier sequenziert und dann mittels einer Software mit möglichen Gensequenzen von Krankheitserregern abgeglichen. Dabei stieß man auf die Gene eines Circovirus, die aber nur bis zu 70 % mit bekannten Vertretern dieser Art übereinstimmten. Die Analyse der archivierten Blutproben ergab, dass die Patientin seit September 2020 mit dem Virus infiziert war, zwei Monate nach dem Steroid-Stoß. 

Circoviren: Übertragung durch Schweinefleisch denkbar

Circoviren sind kleine DNA-Viren, die aus verschiedenen Tieren isoliert wurden und hier zu unterschiedlichen Erkrankungsmanifestationen führen können. Die nächsten Verwandten des jetzt gefundenen humanen Circovirus-1 (HCirV-1) sind das Wolvfec Circovirus und das porcine Circovirus 3. Der Wirt des Wolvfec Circovirus ist ein im nördlichen Eurasien und in Nordamerika lebender Marder, der aber wegen fehlender Fernreisen der Patientin nicht als Überträger infrage kam. Porcine Circoviren wurden in letzten Jahrzehnten vermehrt in der Schweinemast nachgewiesen - eine Übertragung durch den Verzehr von infiziertem Fleisch wäre somit denkbar.

Die Patientin hat sich nach Reduktion des immunsuppressiven Regimes gut von der Hepatitis erholt und die Transaminasen sind in den Normbereich zurückgekehrt.

Quellen anzeigen
Impressum anzeigen