Grüntee: Wie gesund ist er wirklich?
Grüntee hat eine lange Tradition in Asien. Doch auch weltweit ist seine Beliebtheit gestiegen, gilt er doch seit langem als gesundheitsfördernd: So soll das Getränk etwa vor Krebs schützen, Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen und das Gewicht reduzieren. Doch die Evidenz ist nach wie vor unheitlich. Ein Überblick über die Studienlage.
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Redaktion: Dr. Nina Mörsch, Sebastian Schmidt
Grüntee (Camellia sinensis L.) ist reich an sekundären Pflanzenstoffen. Besonders bedeutend sind die Katechine, von denen in Grünteeblättern vor allem Epigallocatechingallat (EGCG), Epicatechingallat (ECG), Epigallocatechin (EGC) und Epicatechin (EC) vorkommen. Während in japanischen Grünteesorten der Katechingehalt am höchsten ist, enthält Schwarztee deutlich weniger dieser Substanzen, da die Fermentation diese weitgehend zerstört.
Insbesondere ECG und EGCG sollen lebensverlängernd wirken: Bislang vermutete man, dass sie als Antioxidantien im Körper oxidativem Stress durch aggressive Sauerstoffradikale entgegenwirken respektive vorbeugen. Laut einem Forschungsteam der ETH Zürich wirken sie allerdings anders als bislang angenommen: die Katechine aus dem Grüntee unterdrücken oxidativen Stress nicht, sondern sie fördern ihn. Warum dies trotzdem gut für die Gesundheit ist, lesen Sie im Beitrag „Katechine des Grüntees fördern oxidativen Stress“.
Schutz vor Krebs: Möglich, bislang aber nicht eindeutig belegt
Die Wirkung von grünem Tee auf das Krebsrisiko ist Gegenstand vieler Untersuchungen. 2020 prüfte die Cochrane Collaboration 1 anhand von 142 Studien mit mehr als 1,1 Millionen Teilnehmenden, welche Evidenz epidemiologische Studien zum Zusammenhang zwischen dem Konsum von grünem Tee und dem Risiko, an Krebs zu erkranken, bieten.
Doch die Datenlage erwies sich als unklar: Während einige Studien auf eine „nutzbringende Wirkung bezüglich des Krebsrisikos” hinwiesen, zeigten andere keine Wirkung oder ließen sogar auf ein leicht erhöhtes Krebsrisiko schließen. Ihr Fazit: Ein positiver Effekt des Grünteekonsums auf die Krebsprävention ist bisher nicht nachgewiesen. Bei der Supplementierung mit hochdosierten Grüntee-Extrakten ist wegen der möglichen unerwünschten Wirkungen Vorsicht geboten (siehe Infokasten im zweiten Teil des Beitrags unten).
2021 haben die Forscherinnen Sarah Krull Abe und Manami Inoue vom Nationalen Krebszentrum in Tokio, Japan, erneut die gesundheitlichen Effekte von Grüntee in einem Übersichtsartikel unter die Lupe genommen. 2 In Hinblick auf das Gesamtrisiko an Krebs zu erkranken, kamen auch sie zu keinem eindeutigen Ergebnis: Während japanische Teetrinkerinnen ein verringertes Krebsrisiko aufwiesen (HR = 0,91; 0,85-0,98), zeigte sich dieser Effekt bei Männern nicht (HR = 1,02; 0,89-1,10).
Etwas anders sah die Sache in Bezug auf einzelne Krebserkrankungen aus: Hier schien der Teekonsum vor der Entstehung des Endometriumkarzinoms sowie vor Lungenkrebs, Non-Hodgkin-Lymphom, Eierstockkrebs und Tumoren des Mundraumes zu schützen. Uneinheitliche Ergebnisse zeigten sich hingegen bei Speiseröhren-, Magen- und Leberkrebs sowie Brustkrebs. Bei Letzterem kam eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2020 zu dem Ergebnis, 3 dass langjähriger hoher Konsum von Grüntee das Brustkrebsrisiko senken kann. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berechneten damals, dass die niedrige Brustkrebsprävalenz in China zu 23,5 % auf den Konsum von grünem Tee zurückgeführt werden kann.
In neueren Meta-Analysen ließ sich kein positiver Effekt des Grünteekonsums auf die Prävention von Tumoren der Blase, des Dickdarms, der Bauchspeicheldrüse und der Prostata bestätigen, schreiben die Autorinnen Abe und Inoue. 2 Frühere Einzelstudien hatten über ein um etwa 30-40 % verringertes Risiko für Dickdarmkrebs in China und Japan berichtet.
Darüber hinaus fanden sich auch keine Hinweise darauf, dass Grüntee die Krebsentstehung fördern könnte. Ein erhöhtes Speisesröhrenkrebsrisiko würde nur bei Menschen vermutet, die häufig heißen Tee trinken.
Katechine: Basis für therapeutisches Krebsmedikament?
Eine 2021 in Nature publizierte Studie 3 nährte die Hoffnung, dass Grüntee gegen Krebs auch therapeutisch wirken könnte. So fanden Forscher fanden heraus, dass EGCG, die Konzentration des Tumorsuppressors p53 erhöhen kann. Mutationen des Proteins werden laut den Forschenden der Studie „bei über 50 % der menschlichen Krebserkrankungen gefunden“. Die Arbeit trage dazu bei zu erklären, so die Forscher, wie EGCG die antitumorale Wirkung von p53 verstärken kann und öffne damit die Tür für die Entwicklung von Medikamenten mit EGCG-ähnlichen Verbindungen.
Günstiger Effekt auf kardiovaskuläre Erkrankungen
Wer regelmäßig und über mehrere Jahre hinweg grünen Tee trinkt, könnte laut einer chinesisichen Studie 5 mit einer verringerten Rate an kardiovaskulären Ereignissen und einem verlängerten Leben belohnt werden. Für diese Studie hat ein Wissenschaftsteam über 100.000 Personen regelmäßig zu ihren Ernährungsgewohnheiten befragt. Hier ging der häufige Konsum von grünem Tee (mindestens dreimal pro Woche) mit einem um 25 % geringeren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse, kardiovaskulären Tod sowie Tod allgemein einher.
Auch Abe und Inoue bestätigen in ihrer Übersichtsarbeit den präventiven Effekt des Grüntees auf kardiovaskuläre Erkrankungen, insbesondere auf Schlaganfall. Dies traf allerdings nicht auf koronare Herzerkrankungen zu.2
Einfluss auf Typ 2-Diabetes plausibel
Die Datenlage zum Effekt von Grüntee auf das Risiko von Typ-2-Diabetes ist ebenfalls bislang inkonsistent.
In einer Übersichtsarbeit kommen Xu et al. 6 zu dem Schluss, dass der Verzehr von grünem Tee einen günstigen Einfluss auf die Nüchternblutzuckerkonzentration hat, jedoch keinen signifikanten Einfluss auf Nüchterninsulin oder den HbA1c-Wert. Das Autorenteam betont, dass weitere und qualititativ hochwertige Studien erforderlich seien, um die Wirkung einer Grüntee-Supplementierung auf die Blutzuckerkontrolle zu untersuchen.
In einer japanischen prospektiven multizentrischen Studie 7 hatten Menschen mit Typ 2 Diabetes, die bereits eine Tasse Grüntee täglich tranken, ein niedrigeres Sterberisiko von relativen 15 % (HR 0,85; CI: 0,60-1,22). Mit steigendem Konsum sank das Risiko weiter: Vier Tassen Grüntee waren mit einer relativen Reduktion des Sterberisikos um 40 % (HR 0,60; CI: 0,42-0,85) verbunden. Bei der Studie handelt es sich jedoch um eine Beobachtung – eine Kausalität lässt sich nicht ableiten.
Auch betonen die Autorinnen und Autoren, dass diese Ergebnisse nur auf Daten der japanischen Bevölkerung beruhen und sich die Zusammensetzung des japanischen Grüntees von der in anderen Ländern unterscheiden kann. Dennoch sei ein günstiger Effekt durch die im Tee enthaltenen Antioxidantien wie Phenole, Theanin und Koffein plausibel, da diese unter anderem antiinflammatorisch wirken.
BMI, Parkinson, Wechselwirkungen
Im zweiten Teil des Beitrags lesen Sie über die Effekte von Grüntee auf das Körpergewicht und neurodegenerative Prozesse sowie mögliche Wechselwirkungen des Getränks mit Arzneimitteln.