
Dengue-Ausbrüche auch in Europa
Dengue-Ausbrüche treten mittlerweile auch in Europa auf. Angesichts der klimatischen Veränderungen, welche die Verbreitung des Erregers begünstigen, dringen Fachleute auf neue Impfstoffe und die Sensibilisierung des medizinischen Personals.1
Lesedauer: ca. 7 Minuten

Redaktion: Dr. Linda Fischer
Das von Mücken übertragene Dengue-Virus tritt mittlerweile nicht nur in tropischen und südamerikanischen Gebieten auf. Jüngst kam es zu einigen Dengue-Fällen am Gardasee. Das Besondere dort: Laut europäischer Seuchenbehörde ECDC ist dieses „Lombardei-Cluster“ lokal entstanden.2 Die Betroffenen haben sich also in Italien mit dem Tropenvirus infiziert.
Durch klimatische Veränderungen werden die Mückenarten, die das Virus übertragen, in immer mehr Regionen heimisch. Längere Hitzeperioden begünstigen zudem konkret das krankmachende Virus, das durch höhere Temperaturen länger in den Mücken zirkulieren kann.
Dengue: Oft milde, seltener schwere Verläufe
Die Symptome von Dengue können von mildem Fieber bis hin zu schweren Erkrankungen variieren, die lebensbedrohlich sein können. Zu den häufigsten Anzeichen gehören hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Hautausschlag. In seltenen Fällen kann Dengue zu schweren Blutungen, Organversagen und sogar zum Tod führen.
2 zugelassene Impfstoffe
Derzeit gibt es keine spezifische antivirale Behandlung gegen Dengue. Zugelassen sind die Impfstoffe Dengvaxia® und Qdenga®.
Fachstimmen
Dr. Kerstin Kling
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Impfprävention, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Impfstoff Dengvaxia®
„Seit Dezember 2018 ist der Impfstoff für den europäischen Markt zugelassen. Der Einsatz ist auf Personen im Alter von 9 bis 45 Jahren beschränkt, die in einem Endemiegebiet leben und bereits eine laborbestätigte Dengue-Infektion durchgemacht haben. Er ist nicht für Reisende zugelassen. Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs wurden in 2 großen Studien in Südostasien und Lateinamerika bei mehr als 31.000 Kindern zwischen 2 und 16 Jahren untersucht. Die Wirksamkeit lag in der lateinamerikanischen Studie bei 66 %.3 Insgesamt war die Impfung gut verträglich. Verglichen mit den seronegativen Kontrollen hatten seronegative Impflinge ein leicht, aber signifikant erhöhtes Risiko für eine schwere Dengue-Erkrankung. Daher sollte dieser Impfstoff nur Personen verabreicht werden, die zuvor bereits eine laborbestätigte Dengue-Infektion durchgemacht haben.“
Impfstoff Qdenga®
„Im Dezember 2022 der lebend-attenuierte tetravalente Impfstoff durch die Europäische Kommission zugelassen. Der Impfstoff ist seit Frühjahr 2023 auf dem Markt verfügbar und kann unabhängig vom Serostatus ab einem Alter von 4 Jahren eingesetzt werden. Wirksamkeit und Sicherheit wurden in mehreren Studien untersucht. Die meisten Daten wurden in einer multizentrischen Studie bei 4- bis 16-Jährigen erhoben.4–7 Die Wirksamkeit gegen virologisch-bestätigtes Dengue unterschied sich zwischen den vor der Impfung seropositiven beziehungsweise seronegativen Personen mit schlechterer Wirksamkeit über die 3 beobachteten Jahre bei Dengue-Naiven: Wirksamkeit nach zweiter Impfstoffdosis im ersten Jahr bei Seropositiven 82,2 %, bei Seronegativen 74,9 %, im zweiten Jahr 60,3 beziehungsweise 45,3 % und im dritten Jahr 48,3 beziehungsweise 35,5 %.“
„Eine Serotyp-spezifische Wirksamkeit besteht im ersten Jahr nach Impfung gegen 3 Dengue-Serotypen (DENV-1, DENV-2 und DENV-3), nicht allerdings gegen DENV-4. Die Wirksamkeit gegen schweres Dengue kann aufgrund der kleinen Fallzahl in den Studien nicht sicher bestimmt werden. Eine Beurteilung, ob bei Dengue-naiven Personen ein erhöhtes Risiko für schweres Dengue nach Impfung besteht, kann derzeit nicht abschließend erfolgen.“
Impfempfehlung
„Die Stiko bewertet derzeit die verfügbare Evidenz zu Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs sowie des Risikos für Reisende, an Dengue zu erkranken, und erarbeitet in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG) eine mögliche Impfempfehlung für Reisende in Dengue-Endemiegebiete. Die Publikation der Empfehlung wird für die zweite Jahreshälfte 2023 erwartet.“
PD Dr. Sebastian Ulbert
Abteilungsleiter Impfstoffe und Infektionsmodelle, Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), Leipzig
Abteilungsleiter Impfstoffe und Infektionsmodelle, Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI), Leipzig
Aktuelle Lage
„Weltweit nehmen die Dengue-Fälle zu. Neben Bangladesch sehen wir das gerade auch in Südamerika. Es ist ein genereller Trend. Zum Teil liegt das sicher auch daran, dass mehr getestet wird. Vor allem in Afrika. Wobei Afrika immer noch unterdiagnostiziert ist. Dengue wird dort immer noch häufig mit Malaria verwechselt, wodurch Betroffene die falschen Medikamente bekommen.“
Virusverbreitung
„Aber natürlich spielen auch die klimatischen Veränderungen in den Endemie-Gebieten eine Rolle. Es wird wärmer und feuchter, die Mückendichte steigt. Die Menschen leben enger beieinander, was eine Übertragung durch die Insekten erleichtert. Aedes-Mücken gibt es bei uns auch schon. Bisher ist es bei uns aber nicht warm genug, dass sich das Virus gut in den Mücken vermehren und dann übertragen werden kann. Erst wenn es über längere Zeit warm ist, mit Temperaturen um die 30 °C und warmen Nächten, können die Viren länger in den Mücken zirkulieren und bei einem Stich dann auf den Menschen übertragen werden. Dann kann ein Infizierter andere Menschen anstecken.“
Therapie und Prävention
„Dengue ist keine harmlose Virusinfektion. Natürlich kann man Patienten in guten Gesundheitssystemen wie bei uns besser stabilisieren, doch insbesondere bei den seltenen schweren Fällen von Dengue-Fieber kann man wenig machen.“
„Es gibt 2 zugelassene Impfstoffe. Nur: Wenn man sich gängige Impfstoffe anschaut, die wir verimpfen, muss man sagen, dass die Dengue-Impfstoffe nicht auf dem gleichen Niveau sind. Das hat mit den Eigenschaften des Virus zu tun: Es gibt global 4 Serotypen. Die Immunität bei überstandener Infektion gilt lebenslang, aber nur gegen diesen einen Subtyp. Infektionen mit anderen Subtypen sind immer noch möglich. Und die Immunität gegen den einen Subtyp kann sogar die Infektion mit einem anderen Subytpen verstärken. Ein Impfstoff muss also alle Virustypen abdecken. Beide Impfstoffe bestehen aus abgeschwächten, gentechnisch veränderten Viren. In beiden Impfstoffen sind es Mischungen aus 4 Viren. Die erzeugte Immunität ist aber nicht gleichmäßig. Die Schutzraten variieren, teilweise besteht gegen bestimmte Serotypen wenig bis kaum Schutz.“
„Für unsere Breitengrade brauchen wir deshalb Impfstoffe, die gut wirken, auch wenn man noch nicht infiziert war. In den Dengue-Endemiegebieten mit viel Infektionsgeschehen ist es aber trotzdem gut, dass es jetzt Impfstoffe gibt, denn jede vermiedene Infektion ist wichtig.“
Prof. Dr. Peter Kremsner
Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen
Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen
Virusverbreitung
„In den südeuropäischen Ländern ist das Klima mittlerweile ausreichend, dass in der warmen Jahreszeit die Viren über Mücken übertragen werden. Auch hier wird es künftig mehr Übertragungen geben. Im Spätherbst stirbt zwar die adulte Mücke, doch die Eier können mittlerweile überwintern. Ein Problem: Die Ausbreitung von Dengue ist fast nicht aufzuhalten. Ein Großteil der Infizierten ist asymptomatisch, kann das Virus aber weitergeben.“
Therapie und Prävention
„Es gibt keine Therapie wie bei Malaria. Die meisten Erkrankungen verlaufen milde, mit einer Krankheitsdauer von einigen Tagen. Schwere Fälle sind selten. Und noch seltener stirbt man an Dengue. Aktuell sind 2 Impfstoffe zugelassen.“
„Eine wichtige Botschaft ist, dass die hiesige Medizin künftig viel stärker an eigentlich der Tropenmedizin vorbehaltene Krankheiten denken muss. Ärztinnen und Ärzte müssen künftig, also bei einem fiebrigen Patienten, auch mal zum Beispiel an Dengue denken. Das zu verinnerlichen, wird eine Herausforderung.“
Dr. Christina Frank
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Epidemiologin des Fachgebiets für Gastrointestinale Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Epidemiologin des Fachgebiets für Gastrointestinale Infektionen, Zoonosen und tropische Infektionen, Robert Koch-Institut (RKI), Berlin
Virusausbreitung global
„Tropische Dengue-Viren sind weder in Deutschland noch in den Nachbarländern endemisch. Allerdings kommen seit einigen Jahren in Deutschland mit der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) stellenweise Stechmücken vor, die unter bedingten Umständen solche tropischen Viren in Deutschland übertragen können.“
„Gebiete mit Populationen dieser Vektoren gibt es aktuell im Südwesten in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz, aber auch stellenweise zum Beispiel in Fürth, Jena oder Berlin. Der Klimawandel begünstigt diese Vektoren in ihrer Tendenz, sich weiter auszubreiten. Für eine Übertragung solcher tropischen Viren bedarf es aber erst dem Import des Virus im Blut von aus Endemiegebieten einreisenden infizierten Personen. Wenn etwa jemand aus einem Urlaub in der Karibik oder Südostasien im Juli mit Dengue-Fieber zurück nach Deutschland reist, können Aedes albopictus bei einer Blutmahlzeit an dieser Person das Virus in sich aufnehmen. Lebt diese Mücke dann noch lang genug und bei sommerlichen Temperaturen, kann sich das Virus in der Mücke vom Verdauungstrakt in die Speicheldrüsen vorarbeiten. Dann kann diese Mücke bei der nächsten Blutmahlzeit einen Menschen in Deutschland infizieren (autochthone Übertragung).“
Virusausbreitung Deutschland
„Bislang sind in Deutschland trotz der Präsenz der Vektoren und trotz in manchen Jahren bis zu 1.000 diagnostizierten Dengue-Fieber-Fällen bei Reiserückkehrern keine autochthonen Übertragungen dieser Viren durch Stechmücken entdeckt worden. Die Gefahr größerer Ausbrüche ist in Deutschland vergleichsweise gering, weil der Zeitraum hochsommerlicher Temperaturen in unseren Breiten kürzer ist. Durch den Klimawandel verlängert sich jedoch auch bei uns in manchen Jahren die für Mückenübertragung besonders geeignete Phase hoher Sommertemperaturen. Wo die Aedes albopictus vorkommen, sind im Hochsommer einzelne autochthone Übertragungen möglich, wie sie in den letzten Jahren in Südeuropa vermehrt dokumentiert werden.“
„Die Wahrscheinlichkeit autochthoner Übertragungen dieser Viren wächst mit der Verbreitung der Vektoren und der Dichte ihrer Populationen. Wo sie vorkommen, sollten potenzielle Brutstätten der Aedes albopictus (kleinste Wasseransammlungen) vermieden, vor Mückenanflug geschützt oder trockengelegt werden. Hierzu können auch für die Biodiversität unschädliche Larvizide zum Einsatz kommen.“
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