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Praxis-Wissen kompakt

22. Feb. 2019
Arzneimittelwechselwirkungen

8 gefährliche Kombinationen im Überblick

Wenn Patienten viele verschiedene Medikamente gleichzeitig einnehmen, steigt die Gefahr von Arzneimittelwechselwirkungen. Wir haben für Sie besonders gefährliche Kombinationen in einer Übersicht zusammengestellt.

Lesedauer: ca. 3 Minuten

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Dieser Beitrag wurde im Februar 2019 mit fachlicher Unterstützung von Dr. med. Dr. rer. nat. Ulrich Grass, Arzt und Apotheker, aktualisiert und ergänzt. Redaktion: Marina Urbanietz, Dr. Nina Mörsch.

Antihypertensiva und NSAID

Interaktionen zwischen NSAID und Antihypertensiva, die zu einer Blutdruckerhöhung führen, dürften im Arztalltag mit Abstand die häufigsten sein. Folgende Wechselwirkungen werden jedoch von den Kollegen oft vergessen:

  • Am stärksten interagierende NSAID: Indometacin, Piroxicam und Naproxen;
  • NSAID mit einem mittleren Effekt auf den Blutdruck: Ibuprofen, Diclofenac, Rofecoxib und Celecoxib;
  • Keine signifikante Blutdruckerhöhung: Acetylsalicylsäure. Dies gilt auch im Fall einer bereits vorliegenden Hypertonie.

Lösung: Oft ist die gleichzeitige Therapie mit Antihypertensiva und NSAID unverzichtbar. In solchen Fällen ist es wichtig die Wechselwirkung zu kennen und die Blutdruckwerte entsprechend zu überwachen. Aber man wird unter Dosisanpassung diese Interaktion „in Kauf” nehmen. Bei einer Hypertonie sollte stets nach der Einnahme von NSAID gefragt werden, vor allem wenn die Hypertonie nicht ausreichend auf die Behandlung anspricht.

Statine

Die Rhabdomyolyse unter Statinen ist eines der bekanntesten Interaktions-Themen. Am häufigsten interagieren Statine mit folgenden Wirkstoffen:

  • Fibrate (besonders Gemfibrozil)
  • Azol-Antimykotika
  • Amiodaron
  • Makrolid-Antibiotika (vor allem Erythromycin und Clarithromycin, jedoch nicht Azithromycin)
  • Proteaseinhibitoren (z.B. Ritonavir)
  • Kalziumkanalblocker (besonders Verapamil und Diltiazem)

Lösung: Patienten, die CYP34A-hemmende Substanzen einnehmen, können mit unproblematischen (nicht über 3A4 metabolisierte) Alternativen wie z. B. Pravastatin oder Rosuvastatin behandelt werden. Wenn die Verordnung eines potenziell interagierenden Statins unvermeidbar ist, kann das Interaktions-Risiko durch eine zeitlich versetzte Gabe minimiert werden. Bei der jeweils um zwölf Stunden versetzten Einnahme wird ein gleichzeitiger Peak der Substanzen im Blut verhindert.

Johanniskraut

Der bioaktive Stoff des Johanniskrauts, Hyperforin, aktiviert die Enzyme CYP3A4/CYP3A5, was zu einer rascheren Metabolisierung und geringerer Wirksamkeit folgender Wirkstoffe führt:

  • Cyclosporin: Die Kombination mit Johanniskraut führt zu verminderter Serumkonzentration mit vermehrter Transplantatabstoßung;
  • Antibabypille: Unsichere Wirkung durch verminderte Hormonkonzentration möglich
  • Antiretrovirale Wirkstoffe, Chemotherapeutika: In Kombination mit Johanniskraut sind verminderte Plasmakonzentrationen bei antiretroviralen Wirkstoffen (Indinavir, Nevirapin) mit eventueller Resistenzentwicklung und eine verminderte Wirksamkeit von Chemotherapeutika (Irinotecan, Imatinib) möglich.

Die gleichzeitige Einnahme von Johanniskraut und Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI) kann zur Entwicklung eines Serotoninsyndroms beitragen.

Lösung: Ärzte aller Fachrichtungen sollten die Patienten nach der Einnahme von Phytotherapeutika, vor allem von Johanniskraut fragen.

SSRI

Das bereits oben erwähnte Serotoninsyndrom wird immer mehr zum Thema, unter anderem weil immer mehr SSRI verwendet werden. Die Interaktion zwischen zwei serotonergen Substanzen, wie SSRI oder Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern (SNRI) mit Tramadol, Trazodon, Dextromethorphan oder Linezolid kann zum Serotoninsyndrom führen. Je höher die SSRI-Dosierung, desto wahrscheinlicher ist die gefährliche Interaktion.

Migränepatienten: Die oft befürchtete Interaktion zwischen Triptanen bei Migränepatienten und SSRI/SNRI wurde bisher nicht bestätigt. Die Kombination ist unbedenklich, sofern neben den SSRI keine weiteren serotonergen Substanzen eingenommen werden.

SSRI und Antikoagulanzien
In den letzten Jahren haben sich Hinweise auf ein erhöhtes Blutungsrisiko durch die Einnahme von SSRI (z.B. Citalopram, Fluoxetin, Paroxetin) verdichtet. SSRI hemmen die Aufnahme von Serotonin nicht nur an serotoninergen Neuronen, sondern offenbar auch an Thrombozyten. Dies führt zu einer gestörten Thrombozytenaggregation und damit Studien zufolge die Gefahr, eine intrakranielle Hämorrhagie zu erleiden. Nahmen Patienten zusätzlich Antikoagulanzien ein, stieg das Hirnblutungsrisiko im Vergleich zu einer Antikoagulanzien-Monotherapie weiter an, ähnlich wie bei gleichzeitiger um weitere 56 %.1 

Laut einer Metaanalyse besteht ein Risiko für gastrointestinale Blutungen bei Patienten, die mit einer Kombination von SSRI und NSAID behandelt wurden. So war das Blutungsrisiko unter SSRI-Therapie verdoppelt, unter alleiniger NSAID-Therapie 3-fach unter unter der Kombination aus SSRI und NSAR 6-fach erhöht.1

ACE-Hemmer & Hyperkaliämie

Da ACE-Hemmer potenziell den Kalium-Blutspiegel erhöhen, sind alle Begleitmedikationen mit derselben Eigenschaft problematisch. Die Wirkungen können sich potenzieren, wodurch eine gefährliche Hyperkaliämie entstehen kann. So gilt es auf die Comedikationen mit Diuretika (vor allem Kaliumsparer wie z.B. Triamteren, Amilorid oder Spironolacton) besonders zu achten.

Wichtig: Da die Therapie mit ACE-Hemmer und einem Diuretikum als Begleitmedikation oft unverzichtbar ist, sollte der Kaliumspiegel in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Zudem sollten bevorzugt Diuretika verwendet werden, die sich bezüglich der Kaliumspiegel neutral verhalten oder diese eher erniedrigen.

Erfahren Sie im zweiten Teil des Beitrags vier weitere unerwünschte Wechselwirkungen von Medikamenten.

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