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Praxis-Wissen kompakt

10. Mai 2023
Behandlung von CED

Algen: Eine Quelle für Präbiotika und Medikamente

Weltweit leiden immer mehr Menschen an entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Allerdings sprechen nicht alle Erkrankten auf die derzeitigen Behandlungen an. Neue wirksame Präbiotika und Therapeutika für CED könnten aus einer bisher medizinisch wenig genutzten Ressource gewonnen werden: den Algen.

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Praebiotika und Therapeutika von Algen
Abb. 1 Eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora ist ein charakteristisches Merkmal von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Stoffe aus Algen mit präbiotischer Wirkung haben das Potenzial, ein gesundes Darmmikrobiom wiederherzustellen und Krankheitssymptome zu lindern. (Algae4IBD https://algae4ibd.eu/)
Praebiotika und Therapeutika von Algen
Abb. 1 Eine veränderte Zusammensetzung der Darmflora ist ein charakteristisches Merkmal von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED). Stoffe aus Algen mit präbiotischer Wirkung haben das Potenzial, ein gesundes Darmmikrobiom wiederherzustellen und Krankheitssymptome zu lindern. (Algae4IBD https://algae4ibd.eu/)

Autorenschaft: Viswanath Krion, Maria Hayes, Federica Ungaro, Dorit Avni | Redaktion: Christoph Renninger

Mehr als 6,8 Millionen Menschen sind von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) betroffen. Zwar haben Therapeutika wie Kortikosteroide oder Biologika in den letzten Jahrzehnten die Anzahl der Resektionen des Darms bei CED reduziert, dennoch wirken sie nicht bei allen Betroffenen oder beeinflussen deren Immunsystem negativ. Für die benötigten neuen Behandlungsmethoden stellen Algen eine vielversprechende Quelle dar.  

Präbiotika von Algen zur Behandlung von CED

CED entsteht aus einem komplexen Zusammenspiel von Genetik und Umweltfaktoren wie Lebensstil und Ernährung. Es wird vermutet, dass auch das Mikrobiom eine Rolle spielt. Denn die Darmflora von Patient:innen enthält einen größeren Anteil an Escherichia coli (E. coli) und Ruminococcus, die Entzündungen im Verdauungstrakt hervorrufen können (Abb. 1).

Ruminococcus gnavus produziert zum Beispiel mukolytische Substanzen und kann die schützende Schleimschicht der Verdauungsorgane zersetzen. Dies gewährt pathogenen Mikroorganismen wie E. coli den Zugang zum Epithelium. Ein Anstieg dieser Pathogene könnte zudem die „guten Mikroorganismen“ verdrängen. Dazu gehören Bifidobakterien und Laktobazillen, die nachweislich die Symptome von CED lindern.

Wenn auch bisher rudimentär verstanden, wirkt sich die Ernährung nicht nur auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms aus, sondern auch auf den dortigen Metabolitenpool. Mikrobielle Fermentationsprodukte wie verzweigte Fettsäuren können beispielsweise Entzündungen verstärken und zur Entwicklung von CED beitragen.1,2 Kurzkettige Fettsäuren können dagegen die Wiederherstellung eines gesunden Darmmikrobioms unterstützen.

Stoffwechselprodukte von Algen besitzen das Potential, als Präbiotika Entzündungen im Darm entgegenzuwirken.1 Durch gezielte Förderung vorteilhafter Mikroorganismen und Fermentationsprodukten könnte CED vorgebeugt und Krankheitssymptome gelindert werden.

Studien konnten bereits zeigen, dass Polysaccharide der grünen Meeresalge Enteromorpha clathrata das Wachstum von Bifidobakterien und Laktobazillen fördern können. Unverdauliche Oligosaccharide von Algen können die Cytokinproduktion beeinflussen. Stoffe gewisser Meeresalgen reduzierten in einer Studie entzündungsfördernde Cytokine und erhöhten entzündungshemmende Cytokine.3

Neue Ansätze zur CED-Behandlung

Die kombinatorische Anwendung von Präbiotika und Arzneimitteln ist wichtig für die künftige Behandlung von CED. So könnten Symptome wie Entzündungen bekämpft und gleichzeitig ein gesundes Darmmikrobiom wiederhergestellt werden.

Dabei gilt es die verschiedenen Stadien von CED und deren jeweilige Darmflora zu berücksichtigen. Obwohl die Datenlage noch nicht eindeutig ist, kann das Mikrobiom während des Ausbruchs, des Fortschreitens und der Behandlung der Krankheit unterschiedlich sein. Generell gilt: Je schwerer die CED ist, desto weniger Bifidobakterien sind vorhanden.6

Algen – ihr Potenzial für neue Therapeutika und ihre Grenzen

Die Entwicklung neuer Medikamente hängt von der Entdeckung neuer Wirkstoffe ab. Auch hier bergen Algen großes Potential. Die von ihnen produzierten Stoffe sind bisher medizinisch wenig erforscht, besitzen aber eine Reihe relevanter Wirkungen: entzündungshemmend, antioxidativ, und antimikrobiell.

Erfolgschancen bei der Wirkstoffsuche sind nach wie vor gering. Ist ein Wirkstoff gefunden, gilt es unter anderem dem Kontaminationsrisiko während der Algenkultivierung Herr zu werden. Hier können Bioreaktoren das Risiko senken, resultieren allerdings in höheren Produktionskosten.

Die Verfahren zur Identifikation neuer Wirkstoffe, Bioreaktoren und das Verständnis unter welchen Produktionsbedingungen Algen große Mengen an Wirkstoffen produzieren, haben sich in den letzten Jahren verbessert.4 Man weiß beispielsweise, dass Algen mehr entzündungshemmende Stoffe produzieren, wenn sie extremen Temperaturen oder intensivem Licht ausgesetzt sind.5 Die Aussichten neue Wirkstoffe in Algen zu finden und diese in neue Therapeutika zu formulieren stehen also gut.

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