
Reanimation von Kindern: Die wichtigsten Maßnahmen
Reanimationen von Kindern gehören nicht zum Einsatzalltag. Gerade deshalb ist es wichtig, für eine Kinderreanimation gut vorbereitet zu sein, um im entscheidenden Moment richtig reagieren zu können.

Lesedauer: ca. 4 Minuten
Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag von Dr. Stephan Wallmeyer (Allgemein- und Notfallmedizin), der im Rahmen des 5. Forums: Die Hausarztpraxis im Fokus in München vorgestellt wurde. Redaktionelle Aufbereitung: Marina Urbanietz.
Im Notfall zuerst keine Intubation oder Zugang für Infusionen
Obwohl Kinder selten an Vorerkrankungen leiden, haben sie bei einem Kreislaufstillstand bislang eine schlechtere Prognose als Erwachsene. Eine schnelle Reanimation, die konsequent und ohne Unterbrechungen durchgeführt wird, ist daher für das Outcome entscheidend. Aus diesem Grund empfiehlt Dr. Wallmeyer bei einem Notfall in der Praxis von erweiterten Notfallmaßnahmen wie Intubation oder Legen eines intravenösen Zugangs erstmal abzusehen und sich im Wesentlichen nur auf die akkurate und präzise Durchführung der im Folgenden aufgeführten Maßnahmen zu konzentrieren.
Bei Reanimation von Kindern Altersgrenzen beachten
Da sich die Empfehlungen zur Reanimation je nach Altersgruppe unterscheiden, ist die folgende Definition der Altersgrenzen der Kinder wichtig:
- Neugeborenes: erste 4 Lebenswochen
- Säugling: erstes Lebensjahr
- Kind: 1 Jahr bis Pubertät
- Erwachsener: ab Pubertät
Kinderreanimation: Die wichtigsten Schritte
Anders als bei Erwachsenen liegt bei Kindern in bis zu 90 Prozent der Kreislaufstillstände eine respiratorische Ursache zugrunde. Es handelt sich in erster Linie um Erkrankungen oder Verletzungen, die die Atemwege betreffen und somit Atmung und Kreislauf beeinträchtigen. Hierzu zählen z.B. Ertrinkungsunfall und Bolusgeschehen.
Beatmung: Aus diesem Grund empfehlen die aktuellen Guidelines des European Resuscitation Councils als erste Reanimations-Maßnahme bei Kindern und Säuglingen, fünf Initialbeatmungen durchzuführen. Cave: Thoraxexkursion beachten!
Bei Beatmung ohne Hilfsmittel werden folgende Beatmungswege empfohlen:
- Säuglinge: Mund-zu-Mund und Mund-zu-Nase
- Kinder und Erwachsene: Mund-zu-Mund oder Mund-zu-Nase
Wenn keine Beatmung durchführbar ist, soll stattdessen eine qualitativ hochwertige Herzdruckmassage mit einer Frequenz von min. 100/min. bis max. 120/min. durchgeführt werden.
Beatmung mit der Beutel-Maske: Hierfür ist eine gut passende Beatmungsmaske und eine optimale Lagerung des Kopfes (Schnüffelstellung mit vorgezogenem Kinn) wichtig. Zudem sollte Folgendes beachtet werden:
- Beutel-Masken-Ventilation: Bei einem Helfer wird hierfür die Beutel-Masken-Ventilation mit „C“-Griff“ (Abb. 1) eingesetzt. Bei zwei Helfern kann der „doppelte C“-Griff“ (Abb. 2) angewendet werden.
- 100% Sauerstoff: Es soll eine möglichst hohe inspiratorische Sauerstofffraktion verabreicht werden, z.B. 8l/min.
- Guedel-Tubus: Gegebenenfalls bei Beatmungsproblemen, einen Guedel-Tubus in entsprechender Größe einlegen (Abmessung: Mundwinkel bis Ohrläppchen).




Beurteilung des Kreislaufes: Da bei Kindern die Beurteilung des Kreislaufes oftmals schwieriger als bei Erwachsenen ist, sind die indirekten Kreislaufzeichen (Bewegungen, Husten, normales Atmen) viel wichtiger als die Pulskontrolle. Erfahrene Helfer können zusätzlich auch die Pulskontrolle durchführen:
- Neugeborene und Säuglinge (< 1 Jahr): A. brachialis
- Kinder (> 1 Jahr): A. carotis


Herzdruckmassage (Kinder): Für die Herzdruckmassage wird die Ein-Hand-Methode empfohlen. Bei der Durchführung gilt es Folgendes zu beachten:
→ Arm ist gestreckt und befindet sich senkrecht zum Brustbein
→ Ballen einer Hand ist aufgesetzt, dabei sind Finger abgespreizt
→ Kompressionstiefe beträgt ca. 1/3 bis 2/3 der Thoraxhöhe. Cave: Auf komplette Entlastung achten!
→ Die Druckfrequenz liegt bei mind. 100/min.
Das Verhältnis Beatmung zu Herzdruckmassage beträgt bei Säuglingen und Kindern nach den fünf initialen Beatmungen 2:15, bei der Anwesenheit von zwei professionellen Helfern. In allen anderen Fällen 2:30.
Herzdruckmassage (Neugeborene und Säuglinge):
- Bei einem Helfer wird die Herzdruckmassage mit zwei gestreckten Fingern empfohlen (Abb. 4). Bei zwei Helfern empfiehlt es sich, den Thorax mit beiden, nebeneinander liegenden Daumen zu umgreifen (Abb. 5). Dr. Wallmeyer empfiehlt die zweite Methode: Dabei überstreckt sich der Kopf, wodurch die Beatmung einfacher durchgeführt werden kann.
- Kompressionstiefe beträgt wie bei Kindern ca. 1/3 bis 2/3 der Thoraxhöhe.
- Die Druckfrequenz liegt bei mind. 100/min (Säuglinge) und ca. 120/min (Neugeborene)




Bei Neugeborenen (einzige Ausnahme der o.g. Regel) beträgt das Verhältnis von Herzdruckmassage und Beatmung 3:1.
Das Wichtigste zur Reanimation von Erwachsenen finden Sie im Beitrag “Notfall in der Praxis: So reagieren Sie richtig”
Dr. Stephan Wallmeyer im Gespräch mit coliquio
Erfahren Sie in diesem 3-minütigen Interview unter anderem, welche Notfälle in einer Hausarztpraxis am häufigsten vorkommen und was in jeden Notfallkoffer gehört.
Videodauer: 3 Minuten.
Das Interview als Podcast
Einen Podcast des Interviews mit Dr. Stephan Wallmeyer können Sie sich hier anhören.

Dr. med. Stephan Wallmeyer ist Facharzt für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. Er ist seit 25 Jahren in der Notfallmedizin tätig und war über lange Zeit Notarzt auf dem Rettungshubschrauber „Christoph 3“. Er ist Inhaber der Wallmeyer GmbH und bietet bundesweit eine breite Palette von medizinischen Notfallseminaren für Arztpraxen an. Folgen Sie Dr. Wallmeyer hier.