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28. Feb. 2018

Kühlpads bei Verletzungen: Besser darauf verzichten?

Sofort kühlen – so lautet die gängige Empfehlung nach Verletzungen. Umstritten ist jedoch, wie sinnvoll diese Maßnahme tatsächlich ist. Erfahren Sie hier, weshalb Sie auf Kälte als Erstintervention bei Schmerzen und Schwellungen eher verzichten sollten.

Lesedauer: ca. 2 Minuten

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Der folgende Beitrag basiert auf einer Publikation in der Thieme-Fachzeitschrift physiopraxis 2018; 16(01): 36-38 und wurde hier von Dr. Nina Mörsch, coliquio-Redaktion, zusammengefasst.

In vielen Kliniken und Praxen kommt die Kryotherapie mit dem Ziel zum Einsatz, Schwellungen zu reduzieren und damit die Beweglichkeit zu erhöhen. Doch ein solcher Effekt konnte bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, erläutert der Physiotherapeut und Dozent Nils. E. Bringeland. 1,2 Vielmehr bestehe die Gefahr, dass übermäßige Kälteanwendung, die Wundheilung stört und so sogar zu einem gegenteiligen Effekt führt: Schwellungen könnten infolge der Kryotherapie zunehmen.

Kälte stört Wundheilung und fördert Ödeme

Als Begründung verweist Bringeland auf die physiologischen Wundheilungsvorgänge. So reagiert der Körper auf die Kälte zunächst mit einer Verengung der Gefäße. Nach dem die Kälte wieder entzogen wurde, leitet er eine Vasodilatation ein, um das heruntergekühlte Gewebe wieder mit Nährstoffen zu versorgen.  Auf diese Weise strömt mehr Blut in das Verletzungsgebiet als eigentlich vorgesehen.

Daneben vermuten Forscher, dass die Kälteanwendungen die Lymphgefäße derart schädigen können, dass persistierende Ödeme entstehen.

Geringere Zytokinausschüttung unter Kälteeinwirkung

Ein weiterer Effekt: Übermäßige Kühlung verringert die Ausschüttung von Zytokinen und wirkt hemmend auf die Aktivierung von Immunzellen. Auf diese Weise wird eine Entzündung unterdrückt. Doch aus Sicht des Physiotherapeuten ist diese Wirkung nicht wünschenswert: So habe sich die Entzündungsreaktion, die zur Abwehr von Bakterien und Beseitigung von geschädigtem Gewebe führt, nicht umsonst in der Evolution herausgebildet. Er schreibt: „Zu lang angewendete Kälte verhindert die physiologischen Aufräumarbeiten an der Verletzung und stört den natürlichen Wundheilungsprozess.“  

„Kälte verbessert nicht die Beweglichkeit“

Nach einer Verletzung, gerade im Sport, soll die Beweglichkeit schnell wieder hergestellt werden. Doch mit Kühlung lässt sich dies laut Bringeland nicht erreichen. Im Gegenteil: Das Gewebe verliert durch Kühlung seine Elastizität und wird weniger beweglich. „Wenn sich das Bewegungsausmaß also nach der Kühlung des Wundareals verbessert, ist anzunehmen, dass dies auf die reduzierte Schmerzwahrnehmung zurückzuführen ist“, erklärt er. Dies kann weitreichende Folgen haben, etwa wenn der betroffene Bereich unter Umständen zu früh oder zu stark bewegt wird. Die mechanische Belastung nimmt dann im Wundgebiet zu. Mögliche Spätfolgen sind hypertrophe oder sklerotische Narben, weiß Bringeland, der sich leit langem auch mit der Narbenbildung beschäftigt. Da diese Effekte teilweise erst Monate nach dem Trauma ersichtlich sind, würden sie oftmals nicht mit Kryotherapie in Verbindung gebracht werden.  

Welche Alternativen zur Kühlung gibt es?

Da Schmerzmittel ähnliche Effekte auf die Wundheilung und die Entzündungsreaktionen wie die Kryotherapie haben, sollten sie nur in Maßen zum Einsatz kommen, rät der Physiologe zum Abschluss. Bezüglich der Kälteanwendung weicht er in seinen Empfehlungen zum Vorgehen bei Verletzungen oder Prellungen von der gängigen PECH-Regel  (Pause, Eis, Compression, Hochlagern) für Sportverletzungen ab:

5 Tipps des Physiotherapeuten
  • Die Verletzung sollte mit einer Kompresse und Mullbinde unter leichtem Druck umwickelt werden. Bei intakter Haut, kann die Mullbinde zum Zwecke einer leichten Kühlung angefeuchtet werden: Dies wird als angenehm empfunden, ist aber nicht so kalt, dass die Gefahr einer Schädigung besteht.
  • Bei leichteren Verletzungen kann die betroffene Stelle, sofern die Verletzung es zulässt, immer wieder vorsichtig bewegt werden.
  • Eine Wärmebehandlung als Alternative zur Kälte in Betracht ziehen: Für wassergefiltertes Infrarot-A sei bekannt, dass es die Wundheilung fördert.
  • Oft hilft es, Patienten über die Entstehung der Schmerzen und deren Auslöser aufzuklären.
  • Physiotherapeutische Maßnahmen wie Lymphdrainage, Massage oder Myofasziales Release zum Aufspüren und Lösen von Bindegewebsverhärtungen sind häufig sinnvoller als Kälte, um Schmerzen und Schwellungen zu lindern.

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