Die Krankheit hinter dem Vampirmythos?
Nachtaktiv, bleich und Blut trinkend – Vampire beschäftigen Menschen seit Jahrhunderten. Eine seltene genetische Blutkrankheit könnte für die Mythenbildung verantwortlich sein.
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Redaktion: Christoph Renninger
Fakten hinter der Fiktion
Vampirfolklore reicht lange zurück, das moderne Vampirbild vom bleichen, hageren, lichtscheuen Blutsauger entstand im 19. Jahrhundert, maßgeblich beeinflusst durch Bram Stockers Roman „Dracula“. Doch hinter all den Geschichten gibt es möglicherweise einen medizinisch relevanten Hintergrund.1


Eine genetische Mutation ist verantwortlich für die erythropoetische Protoporphyrie (EPP), eine Art der Porphyrie. Diese Gruppe von Krankheiten wird durch Stoffwechselstörungen bei der Häm-Synthese verursacht. Je nachdem welches der acht bekannten Enzyme betroffen ist, sammeln sich Zwischenprodukte in verschiedenen Organen an und verursachen spezifische Symptome.
Bei der EPP lagert sich aufgrund der Mutation im CLPX-Gen (codiert für die mitochondriale AAA+ Unfoldase ClpX) kommt es zu einer pathologischen Akkumulation von Protoporphyrin IX (PPIX), einer Vorstufe des roten Blutfarbstoffs, insbesondere in den Blutgefäßen, im Plasma, roten Blutkörperchen und der Leber.2 Weitere mögliche mutierte Gene sind Ferrochelatase und 5′-Aminolevulinat Synthase 2 (ALAS2).
Besonders lichtempfindliche Haut
Das häufigste Merkmal der EPP ist eine schmerzhafte Photosensitivität, die große Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben kann. Bei Lichtexposition, selbst durch Fensterglas, kann es zu Schwellungen, Rötungen, Jucken und Bläschenbildung der Haut kommen. Die Symptome dauern zwischen zwölf und 24 Stunden an, heilen üblicherweise jedoch ohne Narbenbildung.


Verantwortlich für diese „vampirartige“ Reaktion auf Licht ist das akkumulierte Protoporphyrin IX. Dieses nimmt schnell Lichtenergie auf und führt zur Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS), welche die beschriebenen Symptome auslösen können.


Dr. Parry Baw, vor seinem Tod tätig am Dana-Farber/Boston Children’s Cancer and Blood Disorders Center, beschrieb mit seinem Team 2017 erstmals die CLPX-Mutation bei der EPP.2 „Menschen mit EPP sind chronisch anämisch und daher oftmals sehr müde, außerdem erscheinen sie sehr bleich, da aufgrund der Lichtempfindlichkeit Tageslicht vermieden wird. Selbst an einem wolkigen Tag ist die ultraviolette Strahlung stark genug, um Blasenbildung und Entstellungen an exponierten Hautbereichen, Ohren und Nase zu verursachen."3
Tagsüber drinnen und blutige Zähne
Heutzutage können Bluttransfusionen helfen, den Häm-Spiegel anzuheben und die Symptome zu lindern. In früheren Zeiten wurde teilweise Tierblut konsumiert, da liegt die Vampirvermutung nahe.
Ein weiteres Symptom, das zur Vampirlegendenbildung beigetragen haben könnte, ist die Erythrodontie („Blutzähne“), eine rote Verfärbung der Zähne, die bei vererbten erythropoetischen Porphyrien (EPP, Morbus Günther oder hepatoerythropoetischer Porphyrie) auftreten können.
Paw betonte, dass die 2017 entdeckte Mutation weiteren Aufschluss über die Signalwege und Stoffwechselkreisläufe gebe. Ziel sei es die betroffenen Gene zu korrigieren, auch wenn dies derzeit nicht möglich ist. „Auch wenn Vampire nicht real sind, besteht die Notwendigkeit innovativer Therapien für Patientinnen und Patienten mit Poryphrien.“ Für Graf Dracula mag dies zu spät kommen, für viele andere Betroffene möglicherweise nicht.