
Welche Lebererkrankung steckt hinter den Schmerzen der jungen Frau?
Lesen Sie im zweiten Teil des Beitrags welche Lebererkrankung hinter den Schmerzen der jungen Frau steckt und informieren Sie sich über die medizinische Hintergründe zu diesem Fall.
Lesedauer: ca. 8 Minuten
Autorin: Sarah El-Nakeep | Redaktion: Marc Fröhling
Gutartiger Lebertumor verursacht die Beschwerden
Diese Patientin hat ein mittelgroßes hepatisches Hämangiom. Im Abdomen-CT mit Dreiphasenkontrastmittel erkennt man eine große, zirkuläre, gut abgegrenzte und hyperattenuierende Läsion mit einem hypoattenuierenden Rand im rechten Lappen des Lebersegments VIII/VI mit den Maßen 5,7 × 4,8 × 5,8 cm (s. Abb. 5, 6 und 7). Das Kontrastmittel zeigt eine periphere knotige Anreicherung in der arteriellen Phase, mit zentripetaler Füllung in der Portalphase sowie verzögerte vaskuläre Phasen, was insgesamt dem sog. Irisblendenphänomen entspricht.






Hepatisches Hämangiom: Häufigster gutartiger Lebertumor
Ein hepatisches Hämangiom besteht aus einer Reihe von mit Blut gefüllten Hohlräumen. Es ist der häufigste gutartige Lebertumor und der häufigste solide Tumor der Leber. Die Inzidenz kann in der Allgemeinbevölkerung bis zu 20% betragen, wobei das Verhältnis von Frauen zu Männern etwa bei 4:1 bis 5:1 liegt.12 Histologisch ist der häufigste Subtyp das kavernöse Hämangiom. Sie werden typischerweise bei Frauen zwischen 40 und 50 Jahren entdeckt, können aber in jedem Alter auftreten.3
Bei Leberhämangiomen über 10 cm Durchmesser besteht die Gefahr einer Dissektion oder Gefäßverletzung. Darüber hinaus kann ein Hämangiom dieser Größe die umliegenden Gefäßstrukturen, die den Darm versorgen, komprimieren und gastrointestinale Beschwerden verursachen. Eine chirurgische Behandlung kann diese Beschwerden lindern.3
Bei der Patientin in diesem Fall sind die Bauchschmerzen wahrscheinlich auf das Wachstum des Hämangioms zurückzuführen. Ein hepatisches Hämangiom kann eine Hepatomegalie4 verursachen, die zu einer akuten Dehnung der Leberkapsel führt. Dies kann in ein Schweregefühl münden oder auch zu Dehnungsschmerzen im rechten Hypochondrium führen. Ein Ikterus und erhöhte Leberwerte sind die Folge eines fortschreitenden Drucks auf die benachbarten Strukturen der Leber mit Zerstörung der Hepatozyten. Die Syntheseleistung der Leber ist jedoch nicht beeinträchtigt, was normale Werte z.B. für den INR und für den Albuminspiegel belegen.
Die Einnahme der Antibabypille und der NSAR hat wahrscheinlich zur Vergrößerung des Hämangioms beigetragen. Beide Medikamente werden mit einem Wachstum bereits bestehender Leberhämangiome in Verbindung gebracht.5
Diese Befunde haben zur Diagnose beigetragen
Im vorliegenden Fall haben verschiedene Befunde zur Diagnose beigetragen: Die Sonografie zeigte das typische Bild eines hepatischen Hämangioms. Die Doppler-Sonografie bestätigte diese Diagnose. Dann wurden die fortschreitenden Bauchschmerzen der Patientin betrachtet, die mit einer akuten Überdehnung der Leberkapsel erklärt werden. Ein solcher Verlauf ist charakteristisch für ein blutendes Gefäß, da ein bösartiger Tumor in der Regel eher chronische, allenfalls leicht progressive Schmerzen verursacht.
Und schließlich gibt es keinerlei Hinweise auf eine Vorschädigung der Leber: kein Alkoholmissbrauch in der Vorgeschichte, keine nichtalkoholische Fettleber (im Zusammenhang mit einem metabolischen Syndrom oder einem Diabetes), keine HBV- oder HCV-Infektion und auch keine Anzeichen auf eine Erkrankung etwa im Zusammenhang mit dem Konsum illegaler Drogen.
Ihr normaler AFP-Wert schließt zudem ein Leberzellkarzinom weitgehend aus. Dann gibt es auch noch die normalen BSG- und Tumormarker-Werte (CEA für Kolonkarzinom, CA 19-9 für Pankreaskarzinom, CA 15-3 für Mammakarzinom) sowie der ansonsten gesunde Allgemeinzustand der Patientin, die in Summe das Vorliegen von Lebermetastasen äußerst unwahrscheinlich machen, zumal das typische Ultraschallbild einer Metastasenleber multiple echoreiche und echoarme Läsionen sind.
Hepatisches Hämangiom: Hintergründe zur Diagnose
Zahlreiche bildgebende Verfahren (z.B. CT, MRT, Isotopenszintigrafie, PET und Angiografie) werden zur Diagnose von Leberhämangiomen eingesetzt. Eine Leberbiopsie wird nur in extrem atypischen Fällen durchgeführt, wenn etwa eine maligne Erkrankung nicht sicher auszuschließen ist.6
Hepatische Hämangiome stellen sich in der Abdomen-Sonografie meist als echoreiche Läsionen dar, können aber auch echoarm oder gemischt sein, je nach Grad der Fibrose und Thrombose im Gefäßsystem der Läsion. Der periläsionale Randsaum ist echoarm, wodurch das Bild der „Target“-Läsion entsteht. Die Gefäße befinden sich meist in der Peripherie und können im Doppler-Verfahren dargestellt werden. Eine kontrastverstärkte Sonografie ist ebenfalls diagnostisch hilfreich.
Im CT mit Kontrastmittel erscheinen Hämangiome als hypodense Läsionen mit verstärktem peripherem, knotigem, diskontinuierlichem Enhancement in der arteriellen Phase und fortschreitender peripherer Anreicherung mit zunehmender zentripetaler Füllung in der portalvenösen und späten Phase.
Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen großen und mittelgroßen Hämangiomen ist die Vernarbung im Zentrum der Läsion, die zu einer Hypoattenuation in der Bildgebung führt.8 Die Erythrozytenszintigrafie mit Isotopenmarkierung zeigt eine „heiße“ Läsion. Im MRT sind Hämangiome in T1-gewichteten Bildern hypointens und in T2-gewichteten Bildern hyperintens.
Differenzialdiagnosen
Zu den bösartigen Tumoren der Leber gehören das Leberzellkarzinom, das Cholangiokarzinom, das Fibroblastenkarzinom und die Lebermetastase eines anderen Primärtumors, der in der Regel im Kolon, in der Lunge oder in der Mamma wächst.
Das fibrolamelläre Karzinom zeigt sich in der Regel als heterogene solitäre Läsion in der Leber. Die charakteristischen Vernarbungen und Verkalkungen waren bei dieser Patientin sonografisch nicht zu entdecken.
Bei der gutartigen fokalen nodulären Hyperplasie, die ebenfalls bei Frauen häufiger ist, wird eine ähnliche zentrale Narbenbildung gesehen.8
Weitere Ursachen für gutartige fokale Leberläsionen sind Leberadenome, die bei Frauen mit einer Hormonersatztherapie auftreten. Das typische Ultraschallbild dabei ist eine heterogene Läsion, d.h. mit echoarmen, -reichen und -gleichen Gebieten. Die Läsion ist in der Regel solitär und weist ein Dopplerzeichen in der zuführenden Vene oder in den peripheren Venen der Läsion auf. Diese Befunde ähneln denen eines Hämangioms, doch kann dann im CT zwischen diesen beiden Erkrankungen unterschieden werden.
Auch das charakteristische Bild einer einfachen Zyste oder einer Hydatidenzyste schließlich entspricht nicht dem Befund bei dieser Patientin. Solche Zysten stellen sich als echofreie Läsionen mit oder ohne disseminierte Echos innerhalb der Zyste (Hydatidensand) sowie einer umgebenden kräftigen, zweischichtigen Zystenwand dar. Die normalen BSG-Werte, die Leukozytenzahl und die normale Körpertemperatur sprechen ohnehin gegen eine Infektion.
Leberhämangiom: Wann ist ein chirurgischer Eingriff erforderlich?
Bei den meisten Hämangiomen ist keine Operation erforderlich. Eine Kontrollsonografie im Abstand von 6 bis 12 Monaten genügt in der Regel, um Größenänderungen zu registrieren. OP- Indikationen sind hingegen Schmerzen, die Größe des Hämangioms (bereits relativ groß oder wachsend) sowie Komplikationen.
Zu den Notfallindikationen für eine Operation von Leberhämangiomen zählen die Ruptur, intraabdominelle Blutungen, eine Gefäßkompression und eine Koagulopathie.6
Das chirurgische Vorgehen hängt von der Lage und Größe des Tumors und seiner Beziehung zum peripheren Gefäßsystem ab. Kleine hepatische Hämangiome (< 5 cm) sollten jedoch bei asymptomatischen Personen nicht reseziert werden.9
Bei symptomatischen Leberhämangiomen oder bei einem Durchmesser von über 10 cm ist die chirurgische Enukleation die Therapie der Wahl. Bei Läsionen von 15 cm oder darüber kann je nach Größe und Lokalisation der Läsion eine formale Leberresektion erforderlich sein.
Die sicherste Methode ist die Enukleation, bei der eine Ebene um das betroffene Parenchym geschaffen wird, ohne normales Lebergewebe zu entfernen. Bei Personen mit tiefen Leberhämangiomen gelten die Embolisation und die Lobektomie oder die Enukleation als risikoreiche Verfahren.3,10
Die größten Leberhämangiome mit Durchmessern von 20 bis 30 cm. Sie sind in der Regel symptomatisch und erfordern eine Operation. Zu den chirurgischen Optionen gehören in diesen Fällen die Enukleation oder die partielle Hepatektomie (offen oder laparoskopisch).11 Es wurden jedoch auch Fälle von Riesenhämangiomen beschrieben, die sich ohne chirurgische Behandlung zurückgebildet haben .12
Nicht nur die Größe des Hämangioms, sondern auch seine Lokalisation, die Wachstumsrate und das Komplikationsrisiko spielen bei der Entscheidung für einen chirurgischen Eingriff eine Rolle. In einer retrospektiven Studie wurde bei 21 asymptomatischen Personen mit einem Leberhämangiom von über 4 cm Größe „Angst“ als einzige Indikation für eine elektive Leberteilresektion aufgeführt. Im Allgemeinen war die Komplikationsrate im Zusammenhang mit der chirurgischen Resektion bei asymptomatischen Menschen (7%) niedriger als bei symptomatischen Personen (24%). Die Autoren dieser Studie raten eindringlich dazu, bei asymptomatischen Menschen Nutzen und Risiken einer solchen Leberoperation sorgfältig gegeneinander abzuwägen.14
Weitere Behandlungsmöglichkeiten bei Leberhämangiomen sind die transarterielle Embolisation (TAE), die Radiofrequenzablation (RFA), die Strahlentherapie (15-30 Gy) und die Lebertransplantation. Die TAE funktioniert, weil Hämangiome in der Regel von Leberarterienästen versorgt werden. Die RFA kann perkutan, laparoskopisch oder auch als offene Operation durchgeführt werden.
Bei 70% bis 100% der Erkrankten verschwinden die Symptome nach der Operation. Eine nicht chirurgische Behandlung führt bei symptomatischen Patienten nicht zur Besserung.15
Wie war das Vorgehen in diesem Fall?
Nach einem Gespräch mit der Patientin entschied sie sich für eine Radiofrequenzablation (RFA) des Leberhämangioms. Der Eingriff verlief gut und komplikationslos. Sie hatte postoperativ nur leichte Schmerzen, die mit 2 x tgl. Paracetamol 500 mg behandelt wurden und nach 2 Wochen vollends verschwunden waren.
Die Größe des Hämangioms verringerte sich nach der RFA deutlich; es war bei der sonographischen Nachuntersuchung am 1. postoperativen Tag noch 1 cm groß. Der Patientin wurde empfohlen, sich nach 4 Wochen einer neuerlichen MRT-Untersuchung zu unterziehen.
Als Vorsichtsmaßnahme setzte der behandelnde Arzt die NSAR und das orale Kontrazeptivum ab. Gegen die monatlichen Regelschmerzen wurden Hyoscinbutylbromid (Buscopan) und Paracetamol verordnet. Zur Verhütung ließ sie sich ein Intrauterinpessar einsetzen, um das Risiko eines Rezidivs oder einer Progression zum Adenom zu minimieren.
Bei der MRT-Kontrolle war die Läsion gänzlich verschwunden. Es gab auch keine knotigen oder heterogenen Anreicherungen am ehemaligen Läsionsort oder in dessen Umgebung. Die Frau hatte keinerlei Bauchschmerzen oder gastrointestinale Beschwerden mehr; alle weiteren Symptome waren verchwunden.
Wie im Nachsorgeprotokoll vorgesehen, wurde bei der Patientin im 1. Jahr alle 6 Monate eine MRT-Kontrolle geplant [10]. Ärzte haben ihr empfohlen, sich danach noch 2-mal im Abstand von 1 Jahr einer sonografischen Kontrolle zu unterziehen.
In einer retrospektiven Multicenter-Studie wurde die Sicherheit der RFA zur Behandlung von Leberhämangiomen bei einer relativ niedrigen Komplikationsrate bestätigt. In dieser Kohorte kam es lediglich bei 3 Erkrankten mit Hämangiomen an der Leberoberfläche zu Tumorrupturen und Blutungen, sodass die Verfahren je nach Blutverlustrate auf eine laparoskopische oder offene Radiofrequenzablation umgestellt wurden [10]. Das Vorhandensein großer Gefäße neben der Läsion erhöht das Risiko für intraabdominelle Blutungen [16].
Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape.com erschienen.