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Der besondere Fall

18. Jan. 2022

Prominente Patienten 2.0: Woran sie litten, weshalb sie starben

Hätten Sie gewusst, welche Leiden diese berühmten Persönlichkeiten plagten? Erhalten Sie in unserer zweiten Ausgabe der Reihe „Prominente Patienten” medizinische Einblicke unter anderem zu Marie Curie, Albert Einstein und John F. Kennedy.

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Christiaan Barnard: Herzchirurg mit steifen Fingern

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Ihm gelang im Dezember 1967 die erste Herztransplantation an einem Menschen. Was niemand wusste: Christiaan Barnard (1922-2001) hatte bereits mit Mitte 30 die Diagnose einer rheumatoiden Arthritis erhalten.

Bei der 2. Herztransplantation am 2. Januar 1968 erlitt er einen heftigen Schub mit schmerzenden Händen und steifen Fingern, was Barnard im OP beim Anschluss der Herz-Lungen-Maschine behinderte.

Fast hätte dies zur Katastrophe geführt: Er riss den Aortenkatheter versehentlich aus der Hauptschlagader und verursachte so beim Organempfänger eine schwere Blutung. Doch die Operation ging gut aus und der Patient lebte bei guter Lebensqualität noch anderthalb Jahre.

Barnard betrieb durch seine Schmerzen einen Analgetika-Abusus, was bei ihm Magen-Darm-Blutungen und eine schwere Anämie zur Folge hatte. Er versuchte die damals vorhanden Therapieoptionen von Kortikosteroiden über Gold, Penicillamin bis Chloroquin. Er probierte auch eine Frischzellenkur in der Schweiz. 1983 gab der Chirurg seinen Beruf auf.

Diese Krankengeschichte und jene von 99 weiteren Persönlichkeiten aus aller Welt beschreibt der Arzt und Autor Dr. Thomas Meißner in seinem faszinierenden Buch „Der prominente Patient“. Er recherchierte die Schicksale und Tragödien hinter den glänzenden Fassaden der Berühmtheiten – aus den Bereichen Wissenschaft und Politik, sowie Kunst und Kultur (Teil 1: Prominente Patienten – woran sie litten, weshalb sie starben)

In Teil 2.0 unserer Serie finden Sie eine Auswahl von prominenten Ärztinnen, Ärzten, Forschenden, Philosophinnen, Philosophen und Größen der Politik.

Marie Curie: Fasziniert vom Zauberlicht

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Die zweifache Nobelpreisträgerin Marie Curie (1867-1934) entdeckte gemeinsam mit ihrem Mann Pierre das Polonium, das Radium und prägte den Begriff der Radioaktivität. Sie ging Jahrzehnte mit hoch radioaktiven Substanzen um, ohne ihren Körper davor zu schützen.

Marie und Pierre Curie waren in dem primitiven Laborschuppen, der ihnen zugewiesen worden war, täglich hohen Konzentrationen radioaktiven Radons ausgesetzt, die wahrscheinlich 100 Mal über heute erlaubten Grenzwerten lagen. Sie erfreuten sich an den in der Dunkelheit fluoreszierenden Fläschchen und Phiolen, die „wie winzige Zauberlichter“, so die Forscherin, aussahen.

Die gemeinsame Tochter Eve beschrieb später den permanent angespannten Gesundheitszustand: Der Anblick der ohnmächtig zu Boden stürzenden Mutter, „ihre tödliche Blässe und Starrheit“ seien eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen.

Bereits mit Anfang 30 war Marie Curie chronisch strahlenkrank. Dennoch arbeitete sie bis zu 14 Stunden täglich, auch noch im Alter von über 60 Jahren. Bestehende Sicherheitsvorschriften ignorierte sie ebenso wie Fieber,  Entkräftung und verbrannte Hände mit eiternden Wunden.

Albert Einstein: Schein und Sein – das „Einstein Sign“

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Das „Einstein Sign“ ist anglo-amerikanischen Ärztinnen und Ärzten ein Begriff und Warnung zugleich, nämlich vor den oft schwer zu interpretierenden Symptomen eines abdominellen Aortenaneurysmas. Es stimmt aber nicht, wie kolportiert, dass Albert Einstein (1879-1955) auf Grund der Verwechslung eines Gallensteinleidens mit einem Aortenaneurysma gestorben sei.

Denn bereits 1948 hatte der deutsche Chirurg Rudolph Nissen am Brooklyn Jewish Hospital bei dem Physiker, der seit Jahren über abdominelle Beschwerden und Erbrechen klagte, eine explorative Laparotomie vorgenommen. Dabei entdeckte Nissen das Bauchaortenaneurysma von der Größe einer Grapefruit.

Er umhüllte es mit dem damals neu erfundenen Cellophan. Die Kunststofffolie sollte eine Fibrosierung hervorrufen und so die Aortenwand stabilisieren. 1954 traten zunehmend Rücken- und Bauchschmerzen im rechten Oberbauch auf, die in der Tat als „chronische Cholezystitis“ interpretiert wurden.

Als aber am 12. April 1955 erneut starke Bauchschmerzen auftraten, war klar: das  Aneurysma drohte zu zerreißen. Einstein lehnte eine erneute Operation ab mit den Worten: „Ich habe meinen Beitrag geleistet, nun ist es Zeit zu gehen. Ich werde dies auf elegante Art und Weise tun.“

Martin Luther: „Faustschläge auf mein Fleisch“

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Er litt unter tage- und wochenlangem Ohrensausen, Schwindelattacken, aber auch immer wieder an heftigen Kopf- und Leibschmerzen. Martin Luther (1483-1546) sparte in seiner Korrespondenz nicht mit intimen Details seiner Körperfunktionen: „Mein Stuhl ist so hart, dass ich gezwungen werde, ihn mit großer Kraft bis zum Schweißausbruch  herauszustoßen…“, schrieb er zum Beispiel an seinen Freund und wichtigsten  Unterstützer Philipp Melanchthon.

Ein tagelanger Harnverhalt wegen eines Steinleidens kostete ihn fast das Leben. Selbst ein Trunk aus Pferdemist und Knoblauch, ein Hausmittel seiner Frau Katharina, wollte nicht helfen.

Hinzu kam teils tagelanges „greuliches Brausen und Sausen im Häupte“, das ihn stark ängstigte: „Ich acht, es sey der schwartze zotticht geselle aus der hellen gewest, der mich ynn seinem reich auff erden nicht wol leiden mag.“ Luther spricht von „satanischen Faustschlägen auf mein Fleisch.“ Wahrscheinlich litt er an Menière-Anfällen, die den Lebensmut nachhaltig verändern können.

Heinrich Schliemann: Er wollte einfach nicht hören

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Er ignorierte den Rat prominenter Ärzte, das Schwimmen lieber einzustellen. 1886 erlitt er einen akuten Hörverlust, doch er schwamm weiter. Hermann Schwartze, ein Pionier der Ohrenchirurgie in Halle/Saale, entfernte im November 1890 große Exostosen aus dem linken und dem rechten Ohr. Links erweiterte er das Antrum mastoideum.

Doch bald schon reiste Schliemann, trotz eisiger Temperaturen, nach Leipzig, Berlin und Paris. Er habe leider vergessen, sein rechtes Ohr mit Watte zu schützen, schrieb er an seine Frau. Deshalb sei er neuerdings taub, glaube aber nicht, dass es etwas Schlimmes sei.

Schliemann starb am ersten Weihnachtsfeiertag 1890, wenige Wochen nach der Operation. Heute gehen HNO-Ärztinnen und -Ärzte davon aus, dass es sich bei den Exostosen um ein beidseitiges Cholesteatom (Perlgeschwulst) gehandelt hat, einen gutartigen, jedoch expansiv und destruktiv wachsenden Tumor am Trommelfell mit fortschreitender Knochenzerstörung und chronischer Mittelohrentzündung.

König Eduard VII: Vor der Krönung unters Messer

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Der älteste Sohn Queen Victorias, Albert Eduard (1841-1910) musste 61 Jahre alt werden, um endlich seiner Mutter als Eduard VII. auf den britischen Thron nachzufolgen. Für den 26. Juni 1902 war die Krönung angesetzt. Doch dann plagten ihn abdominelle Schmerzen, er fühlte sich schwach und müde.

Der namhafte Chirurg Sir Frederick Treves untersuchte Eduard zwei Tage vor dem geplanten Krönungstermin, Diagnose: Appendizitis. Es müsse operiert werden! Eduard weigerte sich rigoros. „Es wird eine Beerdigung werden, wenn Sie sich nicht operieren lassen“, soll Treves  geantwortet haben. Manche Historiker führen eine ähnliche Äußerung auf einen Meinungsaustausch zwischen Eduard und Lord Joseph Lister, dem Vater der antiseptischen Chirurgie, zurück.

Appendizitis war damals eine lebensgefährliche Erkrankung, die Sterberate nach meist (zu) später Operation lag um 50 %. Kurzum: Treves und Lister drainierten den Abszess. Am nächsten Tag traf man Eduard bereits wieder rauchend im Bett an. Die Krönung fand zwei Wochen später, am 9. August 1902, statt. König Eduard VII herrschte noch 8 Jahre.

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Quellen

Quelle der Fotos, wenn nicht anders vermerkt:  https://commons.wikimedia.org/wiki/Main_Page

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