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Der besondere Fall

28. Apr. 2023

Lebensbedrohliche Symptome: Darm-Sonografie offenbart Ursache

Eine 52-jährige Patientin erlitt nach einer Cholezystektomie lebensbedrohliche Beschwerden. Eine Darm-Sonografie bringt die Ärztinnen und Ärzte auf die richtige Spur.

Lesedauer: ca. 6 Minuten

Die Patientin hatte eine arterielle Thrombose und eine mesenteriale Ischämie. Die akute Ischämie resultierte aus einer Ligatur der A. coeliaca mit vollständiger Thrombose der Mesenterialgefäße.

Die Sonografie des Darms zeigt die Anzeichen einer akuten Darmischämie (Abb. 1–3): Hyperechogenität der Mukosa und zunehmende Verdickung des Darms mit Hypoechogenität der submukösen Schichten und Verlust der Darmwandschichtung. Das Fehlen eines Signals in der Doppler-Sonografie deutet eher auf eine Ischämie als auf eine Entzündung hin.1 Die Koloskopie zeigte eine Ulzeration und eine Hyperämie mit fleckigen Ischämiezonen.

Eine mesenteriale Ischämie kann akut oder chronisch sein und wird ätiologisch als nicht okklusiv, venös oder arteriell klassifiziert. Da die Erkrankung nur schwer zu diagnostizieren ist, wird sie nur bei einem Drittel der Betroffenen präoperativ korrekt erkannt.

Typische Symptomtrias nicht immer vorhanden

Die typische Symptomtrias der intestinalen Ischämie aus Fieber, Hämatochezie und Bauchschmerzen findet sich nur in einem Drittel der Fälle. Eine chronische Darmischämie kann auch mit einem Gewichtsverlust ohne Bauchschmerzen einhergehen.2 Bereits im Frühstadium der Obstruktion kann sich ein Thrombus bilden.1

Häufig Atherosklerose in Anamnese

Die Patientin raucht regelmäßig und weist eine Hyperlipidämie auf, was deutliche Risikofaktoren für eine atherosklerotische Erkrankung sind. In mehreren Fallberichten wurde eine mesenteriale Ischämie nach laparoskopischen Eingriffen beschrieben, wobei die meisten Betroffenen eine Atherosklerose in der Anamnese aufwiesen.

Die Erhöhung des intraabdominalen Drucks durch die Anlage eines Pneumoperitoneums während des Eingriffs kann zu einer Ischämie im Splanchnikus-Gebiet führen, vor allem, aber nicht nur bei atherosklerotischen Gefäßen.3

Septischer Schock drohte durch Bakteriämie infolge der intestinalen Ischämie

Die Nierenfunktionstests wiesen bei dieser Patientin auf eine prärenale Dehydratation hin, sodass das CT mit Kontrastmittel verschoben wurde, bis der Flüssigkeitsmangel der Patientin wieder ausgeglichen war. Wegen des Verdachts auf eine akute aszendierende Cholangitis wurden Antibiotika verabreicht. Ihr Zustand besserte sich darunter jedoch nicht, da es sich ja um eine intestinale Ischämie handelte. Die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) zeigte keine Dilatation der Gallengänge, und die Laborwerte (Gesamt- und direktes Bilirubin, Gamma-Glutamyltransferase und alkalische Phosphatase) waren normal. Die Bakteriämie war jedoch eine Folge der intestinalen Ischämie und es drohte die Entwicklung eines septischen Schocks.3

CT mit Angiografie zeigte u. a. Verschluss der Mesenterialgefäße

Die CT mit Angiografie des Abdomens bestätigte den vollständigen Verschluss der Mesenterialgefäße und des Truncus coeliacus mit teilweiser Ausdehnung des Thrombus in die Aorta (Abb. 4 und 5). Darüber hinaus finden sich CT-Zeichen für eine akute Darmischämie in Form einer fehlenden Durchblutung der Darmschlingen bei erhaltener Wandstärke und ohne Hinweise auf eine Pneumatosis coli mit gashaltigen Zysten durch gasbildende Keime (Abb. 6 und 7).

Die im CT sichtbaren Darmulzerationen, Ödeme und Nekrosen treten in 3 Stadien auf:

  • Stadium I: betrifft nur die Schleimhaut, reversibel
  • Stadium II: betrifft Submukosa und die Lamina muscularis propria
  • Stadium III: transmural

Überlagernde Infektionen des nekrotischen Gewebes können eine Darmperforation oder ein Pneumoperitoneum durch eine Pneumatosis coli verursachen.2

Es gibt Fälle von mesenterialer Ischämie sowohl nach offener als auch nach laparoskopischer Cholezystektomie. Ausgedehnte Darmnekrosen führen meistens zum Tod.5–7

Zeitabstand zwischen ERCP und Cholezystektomie unbedenklich

Diese Patientin unterzog sich 2 Wochen nach der endoskopischen retrograden Cholangiopankreatikografie (ERCP) einer laparoskopischen Cholezystektomie. Dieser zeitliche Abstand für eine elektive laparoskopische Cholezystektomie nach Abklärung der Ursache der Gallengangsobstruktion lag innerhalb der empfohlenen 6 Wochen nach der ERCP.8

Eine Studie, die sich dem besten Zeitpunkt einer frühen Cholezystektomie nach einer ERCP widmete, kam einen zeitlichen Abstand von mindestens 6 Tagen zu der ERCP. Diese Empfehlung zu einer solchen Interventionspause erklärt sich durch die subakute Entzündung, die bis zu 3 Tage nach der ERCP einsetzt. Das Gewebe ist dann ödematös geschwollen und kann erst operiert werden, wenn das Ödem bis zum mindestens 6. Tag abgeklungen ist.

Mesenteriale Ischämie ist seltene Komplikation der Cholezystektomie

Obwohl die mesenteriale Ischämie nach einer laparoskopischen Cholezystektomie eine seltene Komplikation ist, nimmt sie einen verheerenden Verlauf.

Auf der Ursachensuche

Meist mit kardiovaskulärer oder hyperkoagulabiler Erkrankung ...

Diese Komplikation ist in der Regel mit einer kardiovaskulären oder einer hyperkoagulabilen Erkrankung verbunden. Die normalen D-Dimer-Werte der Patientin schlossen eine disseminierte intravasale Gerinnung aus.

Pankreaskarzinom: Der französische Arzt Armand Trousseau ...

Der französische Arzt Armand Trousseau beschrieb 1865 das Konzept der oberflächlichen, wandernden Thrombophlebitis in Zusammenhang mit Malignomen des Gastrointestinaltrakts. Es ist bekannt, dass ein Pankreaskarzinom zu einer Hyperkoagulabilität führt, die wiederum arterielle oder venöse Thrombosen nach sich zieht.

Venöse Thrombosen sind beim Pankreaskarzinom häufiger als bei anderen Krebsarten und erreichen in Autopsiestudien eine Prävalenz von 60 %.10 Bei dieser Patientin fanden sich im ERCP und im MRCP keine Hinweise auf fokale Pankreasläsionen. Außerdem waren die CA-19-9-Werte normal.

Auch Covid-19 und die Impfung selbst wurden mit einem hyperkoagulabilen Zustand in Verbindung gebracht. Eine durch eine Covid-19-Impfung ausgelöste immunthrombotische Thrombozytopenie wurde für verschiedene Covid-19-Impfstoffe beschrieben.11 Bei dieser Patientin war die Thrombozytenzahl jedoch normal.

Eine Thrombose des Truncus coeliacus kann ähnliche Symptome wie ein schweres Magengeschwür verursachen, d. h. epigastrische Schmerzen und Erbrechen, wie es auch hier der Fall war. Ein vollständiger Verschluss der Arterie ist selten, ein teilweiser Verschluss einzelner Mesenterialgefäße (bis zu 50 %) wird jedoch in 6–10 % der Autopsien in der Allgemeinbevölkerung gesehen.12

Eine akute sekundäre aufsteigende Cholangitis kann ...

Eine akute sekundäre aufsteigende Cholangitis kann eine Cholezystektomie erschweren. Eine bakterielle Infektion in verstopften Gallen- oder Lebergängen führt zu einer aufsteigenden Cholangitis, und die Diagnose wird anhand klinischer, laborchemischer und radiologischer Befunde gestellt.

In diesem Fall lagen die Bilirubin- und alkalische Phosphatase-Werte der Patientin im Normbereich, was gegen eine Gallengangsobstruktion sprach.13,14 Eine akute Cholangitis entwickelt sich bei 1–5 % der Personen, die sich einer ERCP unterzogen haben. Eine aszendierende Cholangitis kann auch nach einer laparoskopischen Cholezystektomie auftreten, wenn die Exploration des Gallengangs über einen transzystischen oder transduktalen Zugang erfolgte.15

Darmverschluss: Bei dieser Patientin lag keine ...

Bei dieser Patientin lag keine Darmobstruktion vor. Sie konnte Stuhl und Winde abgehen lassen, und beim Abdomenröntgen liegend und stehend war keine Spiegelbildung auszumachen.

Ischämie betraf 90 % des Darms: thrombolytische Therapie

Die Patientin wurde auf die Intensivstation gebracht, wo sie mit rtPA (rekombinanter Gewebeplasminogenaktivator) behandelt wurde, um eine Thrombolyse zu erreichen. Da die Thrombose sehr ausgedehnt war, konnten die gangränösen Darmschlingen nicht operiert werden, weil dann der gesamte Darm hätte entfernt werden müssen. Denn von der Ischämie waren über 90 % des Darms betroffen, sodass es nur die beiden Optionen Thrombolyse oder vollständige Darmresektion gab. Die Chirurginnen und Chirurgen entschieden sich für die thrombolytische Therapie, da der Allgemeinzustand der Patientin mit Sepsis und Niereninsuffizienz auch keine größere Operation gestattete.

Nachdem die Patientin das rtPA erhalten hatte, verschlechterte sich ihr Zustand. Sie trübte ein und musste intubiert werden.

Hirndrucksenkung mit Mannitol, bleibende neurologische Schäden

Im kranialen MRT zeigte sich eine kleine Hirnstammblutung mit fokalem Ödem. Der Allgemeinzustand erlaubte auch hier keine chirurgische Intervention. Die Patientin wurde daher konservativ mit osmotisch wirksamem Mannitol zur Hirndrucksenkung behandelt. Nach einer Woche erlangte sie das Bewusstsein wieder, doch hatte sie bleibende neurologische Schäden in Form einer Bulbärparese und einer Halbseitenschwäche erlitten.

Nachdem sich ihr Allgemeinzustand gebessert hatte, wurde eine Darmteilresektion der verbliebenen gangränösen Läsionen durchgeführt. Danach war die arterielle Durchblutung wiederhergestellt, in einigen Bereichen bis zu 50 %. Aktuell wird die Patientin parenteral ernährt und von einem Fachkräfteteam aus den Gebieten Chirurgie, Ernährungsberatung und Gastroenterologie betreut.

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Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape.com erschienen.

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