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Der besondere Fall

22. Juli 2022
Melioidose

Mysteriöse Krankheitsfälle mit ungewöhnlicher Ursache

In mehreren, weit auseinander liegenden US-Bundesstaaten treten 2021 Fälle von Melioidose (Pseudo-Rotz, Whitmore’s Disease) auf, mitunter mit tödlichem Ausgang. Was ist die Gemeinsamkeit aller Betroffenen? Die Spurensuche beginnt.1

Lesedauer: ca. 4 Minuten

Burkholderia pseudomallei auf roter Agarplatte
Burkholderia pseudomallei © CDC/Courtesy of Larry STauffer, Oregon STate Public Health Laboratory

Autor: Christoph Renninger

Keine Beziehungen oder gemeinsame Reisen

Zwischen März und Juli 2021 treten in Georgia, Kansas, Minnesota und Texas Fälle der bakteriellen Infektionskrankheit auf, zwei der Betroffenen versterben an der Erkrankung. Gewöhnlich treten Melioidose-Fälle in den USA nach Reisen in Regionen auf, wo der Erreger verbreitet ist. Alle Patientinnen und Patienten hatten aber zuvor keine internationalen Reisen unternommen.

Die Sequenzierung des Genoms der Bakterienstämme (Burkholderia pseudomallei) der Erkrankten zeigt eine hohe Übereinstimmung und legt eine gemeinsame Infektionsquelle nahe. Der Bakterienstamm ähnelt jenen, die vor allem in Südostasien auftreten. Ein von dort importiertes Produkt wird als Auslöser in Betracht gezogen.

Die Behörden (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) untersuchen Blutproben der Patientinnen und Patienten, ebenso Proben aus Böden, Wasser, Nahrungs- und Haushaltsmitteln aus den Wohnungen der Betroffenen. 

Aromaspray als Auslöser

Schließlich wird im Oktober 2021 der Erreger der Melioidose im Haus des Patienten aus Georgia in einem Aromatherapie-Spray identifiziert. Der genetische Fingerabdruck des Bakterienstamms stimmt mit jenem bei den anderen Patientinnen und Patienten überein. Der gemeinsame Auslöser ist also gefunden.

Das kontaminierte Spray, mit Lavendel-Kamillen-Duft zur Raumbeduftung, wurde zwischen Februar und Oktober in einzelnen Filialen der Supermarktkette Walmart verkauft, ebenso in deren Online-Shop. Das Produkt wird daraufhin zurückgerufen und überprüft, ob Inhaltsstoffe daraus auch in anderen Produkten verwendet worden sind.

Ärztinnen und Ärzte werden von den CDC aufgerufen bei akuten bakteriellen Infektionen, die nicht auf normale Antibiotika ansprechen, auch an eine Melioidose zu denken und nachzufragen, ob das betroffene Raumspray verwendet worden ist.

Mehr Informationen über die Melioidose2

Die Melioidose, auch als Pseudo-Rotz oder Whitmore’s Disease bekannt, ist eine Infektionskrankheit, die Menschen und Tiere betreffen kann. Auslöser ist das Bakterium Burkholderia pseudomallei. Die Erkrankung tritt vor allem in tropischen Regionen auf, besonders in Südostasien und im nördlichen Australien.

Übertragung

Die Bakterien kommen in kontaminiertem Wasser und Böden vor. Die Verbreitung auf Menschen und Tiere erfolgt durch direkten Kontakt mit der infektiösen Quelle, etwa durch die Inhalation von Staubpartikeln oder Wassertröpfchen oder den Konsum von kontaminiertem Wasser oder Nahrungsmitteln. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist äußerst selten. Kürzlich wurden jedoch tropische Süßwasserfische als mögliche Überträger identifiziert.

Symptome

Die Melioidose hat eine große Bandbreite an Symptomen, was zu Verwechslungen mit anderen Krankheiten, etwa einer Tuberkulose oder anderen Pneumonien, führen kann. Es gibt verschiedene Arten der Krankheit, mit jeweils anderen Symptomen.

Lokale Infektion

  • lokale Schmerzen und Schwellungen
  • Fieber
  • Ulzeration
  • Abszess

Pulmonale Infektion

  • Husten
  • Brustschmerzen
  • hohes Fieber
  • Kopfschmerzen
  • Appetitlosigkeit

Bakteriämie

  • Fieber
  • Kopfschmerzen
  • Atemprobleme
  • Bauchbeschwerden
  • Gelenkschmerzen
  • Desorientierung

Disseminierte Infektion

  • Fieber
  • Gewichtsverlust
  • Bauch- oder Brustschmerzen
  • Muskel- oder Gelenksschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • ZNS-Infektionen
  • epileptische Anfälle

Die Inkubationszeit ist nicht klar definiert und kann zwischen einem Tag und mehreren Jahren liegen, meist treten die Symptome jedoch zwischen 2 und 4 Wochen nach Exposition auf. Zu den Risikofaktoren zählen Diabetes, starker Alkoholkonsum, chronische Lungen- oder Nierenerkrankungen und Immundefekte.

Aufgrund der Symptome ist eine Diagnose oftmals schwierig, da das klinische Bild dem anderer, häufigerer Erkrankungen ähnelt.

Therapie

Wenn die Melioidose als solche erkannt ist, kann sie mit nur wenigen effektiven Antibiotika behandelt werden, da eine natürliche Resistenz gegenüber vielen häufig gebrauchten Antibiotika besteht. Die Art der Infektion und der Behandlungsverlauf beeinflussen dabei den langfristigen Outcome. Ohne Behandlung verlaufen 90 % der Infektionen tödlich. Bei einer entsprechenden Behandlung liegt die Sterbequote noch immer bei 40 %.

Die Therapie beginnt generell mit intravenöser Antibiotikatherapie für mindestens 2 und bis zu 8 Wochen (Ceftazidim oder Meropenem). Anschließend erfolgt für 3–6 Monate eine orale Antiobiotikatherapie (Trimethropin-Sulfamethoxazol oder Amoxicillin/Clavulansäure). Bei einer Penicillin-Allergie können alternative Antibiotika verwendet werden.

Verwendung als Biowaffe

Die CDC stufen B. pseudomallei als potenziellen Erreger für einen biologischen Angriff ein (Klasse B-Kandidat). Als Gründe für einen Gebrauch als Biowaffe führen sie an:

  • Der Erreger kann in bestimmten Regionen in der Natur gefunden werden.
  • Die ausgelöste Krankheit kann einen schweren Verlauf nehmen, ohne entsprechende Therapie kann sie tödlich enden.
  • In der Vergangenheit haben Staaten ähnliche Erreger als Biowaffen in Kriegen verwendet.

Bei einer möglichen Attacke könnte der Erreger über die Luft, Wasser oder Nahrungsmittel verbreitet werden und ihn so vielen Personen aussetzen. Jeder Kontakt mit den Bakterien kann zu einer Melioidose führen. Da die Bakterien nicht gesehen, gerochen oder geschmeckt werden können, wird der Bioangriff erst spät erkannt. Auch bis zur Identifizierung des Erregers nach dem Auftreten von Fieber und Atemwegserkrankungen kann eine gewisse Zeit vergehen.

In einem solchen Notfall würden die CDC mit weiteren Bundes- und lokalen Behörden zusammenarbeiten, spezielle Testlabore zur Verfügung stellen und die Öffentlichkeit mit Informationen versorgen.

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