Autorin: Maria Weiss

Der Damenfuß mag zwar als erotisches Symbol in Männerphantasien eine gewisse Rolle spielen, wurde aber bisher nicht mit weiblichen Orgasmen in Verbindung gebracht. Umso erstaunlicher ist der im Jahr 2013 im Journal of Sexual Medicine publizierte Fall einer 55-jährigen Frau, deren Mutter aus Tanzania und Vater aus Griechenland stammt und die seit 35 Jahren in den Niederlanden lebt.

Fußkribbeln nach Cholezystektomie

Begonnen hatte ihr Leidensweg im Jahr 2008 mit einer laparoskopischen Cholezystektomie, die zu Komplikationen einschließlich Sepsis und respiratorischer Insuffizienz führte und eine intensivmedizinische Behandlung mit Beatmung erforderlich machte. Nach der Extubation klagte die Frau über Missempfindungen wie Kribbeln und Brennen im linken Fuß, ohne dass muskuläre Schwächen oder Rückenschmerzen vorlagen.

Die Beschwerden blieben das gesamte folgende Jahr in unveränderter Intensität bestehen. Ab 2010 kamen dann verschiedene Medikamente wie Amitriptylin, Paroxetin und Carbamazepin zum Einsatz, die aber alle wegen fehlender Wirksamkeit und Nebenwirkungen wieder abgesetzt wurden.

Empfindung wie ein echter Orgasmus

2–3 Tage nach Beginn der Paroxetin-Therapie traten erstmals vom linken Fuß ausgehenden Orgasmen auf. Die vom Fuß ausgehende Erregung erreichte die Vagina und die hier ausgelöste 5–6 Sekunden anhaltende Empfindung fühlte sich wie ein echter Orgasmus an – allerdings ohne sexuelles Begehren.

Begleitet war das Phänomen häufig von einer vaginalen Lubrikation und Harninkontinenz, das Bewusstsein blieb erhalten. Erreichte die Patientin beim Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann einen klitoralen oder vaginalen Orgasmus, folgte sofort darauf ein orgasmusähnliches Gefühl im linken Fuß. Die spontanen Orgasmusattacken erfolgten 5- bis 6-mal am Tag. Der Leidensdruck der Patientin war hoch.

Eine Epilepsie als Ursache konnte ausgeschlossen werden, auch das Hirn-MRT (Magnetresonanztomografie) war unauffällig. Im EMG (Elektromyografie) sah man eine leichte Abschwächung der sensorischen Amplitude des linken Nervus (N.) suralis und des linken medialen und lateralen N. plantaris.

Erfolgreiche Behandlung

Durch eine TENS(Transkutane Elektrische Nervenstimulation)-Applikation am linken Metatarsal-Phalangeal-Gelenkes III konnte umgehend das Orgasmusgefühl in der Vagina hervorgerufen werden. Auch umgekehrt führte eine TENS-Anwendung an der linken Vaginalwand zu dem Orgasmusgefühl im linken Fuß.

Die behandelnden Neurologen entschieden sich dann für eine diagnostische Blockade des linken dorsalen Wurzelganglions auf Höhe S1, was unmittelbar zu einer 50%igen Abnahme der Frequenz und einer 80%igen Abnahme der Intensität der Orgasmen führte. Es erfolgte eine therapeutische Blockade des gleichen Ganglions und zusätzlich eine pulsierte Radiofrequenztherapie. Unter dieser Behandlung verschwand das „Fuß-Orgasmus-Syndrom“ vollständig – genauso wie die Dysästhesien im Bereich des Fußes.

Mögliche Ursache

Eine mögliche Erklärung für das merkwürdige Phänomen könnte sein, dass es 1,5 Jahre nach der Intensivbehandlung mit sensorischer Neuropathie zu einer partiellen Nervenregeneration (Axonotmesis) gekommen ist. Dies könnte zur Folge gehabt haben, dass Information eines kleinen re-innervierten Hautstückes am Fuß über afferente C-Fasern und autonome (viszerale) Informationen aus der Vagina auf Spinalebene falsch verschaltet wurden und infolgedessen die Berührung des Fußes vom Gehirn als vaginaler Orgasmus fehlgedeutet wird.

Auch diese Hypothese lässt aber noch vieles offen – sie erklärt z.B. noch nicht, warum normale Orgasmen oder die Stimulation der Vaginalhaut zu orgasmusähnlichen Empfindungen im Fuß führen. Unklar ist auch, ob es sich hier um einen absoluten Einzelfall handelt, oder möglicherweise mehr Menschen mit oder ohne vorangegangene Fußverletzungen darunter leiden, es aber aus Scham verschweigen.