Frau erblindet nach Schönheits-OP einseitig – woran könnte es liegen?
Eine 46-jährige Frau stellt sich mit plötzlich auftretender Blindheit vor, ohne dass andere Symptome oder ein kürzliches Trauma vorliegen. Wie lautet Ihre Diagnose?
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Autorinnen: Catherine Divingian, Valerie Gironda | Redaktion: Marc Fröhling
Die 46-Jährige erscheint in der Notaufnahme und gibt an, dass ihr Sehvermögen in der Nacht plötzlich nachgelassen hat. Sie konnte auf diesem Auge dann nur noch verschwommene Schatten wahrnehmen. Fragen nach Fieber, Kopfschmerzen, Tinnitus, Augenschmerzen, Doppelbildern, Herzklopfen, Beschwerden in der Brust, Übelkeit, Erbrechen, Taubheitsgefühl oder Kribbeln, Empfindungsstörungen und Lähmungserscheinungen verneinte sie. Auch war es bei ihr in letzter Zeit zu keinem Trauma gekommen.
Sie lässt sich regelmäßig jährlich hausärztlich untersuchen und Labortests durchführen, erinnert sich dabei an „leicht erhöhte“ Werte für Nüchternblutzucker und Cholesterin. An die genauen Werte erinnert sie sich nicht. Aufgrund ihrer hausärztlich festgestellten leicht erhöhten systolischen Blutdruckwerte zwischen 140 und 149 mmHg führt die Patientin ein Blutdruckprotokoll. Zu Hause und im entspannten Zustand liegen ihre systolischen Werte hingegen im Bereich von 120 mmHg bis 130 mmHg.
Mehrere kosmetische Operationen
Derzeit nimmt sie außer der Antibabypille keine weiteren Medikamente ein. Sie hat 2 Kinder, die sie vaginal entbunden hat. Fehlgeburten hat sie keine erlitten. Ihr letzter Besuch bei einem Optiker liegt 2 Jahre zurück. Um die altersbedingte Presbyopie auszugleichen, empfahl ihr der Augenarzt eine Lesebrille der Stärke 2,00. Vor dem aktuellen Ereignis hatte sie keinerlei Sehstörungen gehabt.
Die Frau hat mehrere kosmetische Operationen hinter sich. So ließ sie sich im Alter von 18 Jahren, als sie noch aktiv an Schönheitswettbewerben teilnahm, Brustimplantate einsetzen. Nach ihrem 35. Lebensjahr unterzog sie sich u.a. einem Facelifting und einer Bauchdeckenstraffung. Die Patientin konsumiert weder Tabak noch illegale Drogen. Bei Anlässen in Gesellschaft trinkt sie etwas Alkohol und an den Wochenenden 2 Gläser Wein.
Körperliche und apparative Untersuchungen
Die Patientin ist wach, aufmerksam und voll orientiert. Ihre initialen Vitalparameter sind:
- Puls 85/min regelmäßig
- Blutdruck 149/82 mmHg
- Atemfrequenz 13/min
- Temperatur 37,2° C
- Sauerstoffsättigung 97 % bei Raumluft
Die körperliche Untersuchung ist, abgesehen von ihrer Sehschwäche, weitestgehend normal. Sie ist gut ernährt und gepflegt. Bei der Untersuchung des Kopfes werden weder eine Otorrhö oder ein retroaurikuläres subkutanes Hämatom (sog. Battle-Zeichen) noch ein Brillenhämatom oder Massen festgestellt. Allerdings zeigen sich eine leichte Schwellung und Blutergüsse im Bereich der Glabella.
Die Prüfung der Augenmotorik ist unauffällig. Die Sehschärfe auf dem linken Auge ist voll intakt, während das rechte Auge nur Handbewegungen und Licht wahrnimmt. Bei der Fundoskopie werden links weder ein Papillenödem noch retinale Gefäßverengungen, Cotton-Wool-Herde oder andere Anomalien festgestellt. Die Retina erscheint rechtsseitig diffus abgeblasst (Abbildung 1).
Die Sensibilität ist in allen Dermatomen erhalten. Die Prüfung der groben Kraft ergibt überall Werte von 5/5. Radiale Pulse und distale Fußpulse werden beiderseits als 2+ eingestuft. Die Patellarreflexe sind lebhaft und der Romberg-Test negativ. Die Patientin hat Schwierigkeiten beim Finger-Nase-Test, was sie auf das plötzliche monokulare Sehen zurückführt. Bei der Untersuchung wird keine Dysarthrie festgestellt.
Auf der NIHSS-Skala (National Institutes of Health Stroke Scale) erreichte die Patientin einen Wert von 0. Allerdings enthält diese Skala keine Bestimmungen für die Bewertung eines monokularen Sehverlusts.[1] Die Notfall-Labortests umfassten den Glukosewert, ein ausgedehntes Stoffwechselpanel, das vollständige Blutbild, Gerinnungstests, die BSG (Blutkörperchen-Senkungs-Geschwindigkeit), Lipidwerte und den Wert von TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon). Folgende Ergebnisse waren auffällig:
- Glucose: 126 mg/dl (normal 70–100 mg/dl)
- LDL (Low-Density-Lipoprotein): 126 mg/dl (normal < 100 mg/dl)
- HDL (High-Density-Lipoprotein): 56 mg/dl (normal bei Frauen > 50 mg/dl)
Das EKG der Patientin zeigte einen normalen Sinusrhythmus bei einer Frequenz von 75/min ohne ST-Strecken-Hebung oder -Senkung bei normalen P- und T-Wellen. Alle Intervalle lagen im Normbereich (Abbildung 2).
Es folgten ein kraniales CT, eine CT-Angiografie von Kopf und Hals sowie ein MRT von Gehirn und Hals. Die Ärztinnen und Ärzte fanden keinerlei Anzeichen für eine zerebrale Ischämie oder eine Einblutung. Die Durchblutung des Großhirns war intakt und es waren keine Verschlüsse sichtbar (Abbildungen 3 und 4).
Abbildungen 3 und 4: CT und MRT von Gehirn und Hals.
Was ist auf der Grundlage der vorliegenden Informationen die wahrscheinlichste Diagnose?
Erfahren Sie im zweiten Teil der Kasuistik, welche Diagnose hinter der plötzlichen Erblindung der Frau steckt und ob es den behandelnden Ärztinnen und Ärzten gelang, ihre Sehkraft zu retten.
Dieser Beitrag ist im Original auf Medscape.com erschienen.