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Der besondere Fall

02. Feb. 2023

17-Jährige mit Haarausfall, Dysmenorrhoe, Soor & Durchfall

Ein 17-jähriges Mädchen stellt sich in der Ambulanz mit einer Vielzahl von Beschwerden vor: Seit ihrer Kindheit leidet es an chronischen, wiederkehrenden oralen Pilzinfektionen, Durchfall und Bauchschmerzen sowie Erbrechen. Seit 6 oder 8 Monaten kamen Schwindel, Hyperpigmentierung der Haut und Mundhöhle sowie Haarausfall dazu. Was steckt dahinter?1

Lesedauer: ca. 5 Minuten

Mädchen mit Soor, Durchfall und Haarausfall
Ein jugendliches Mädchen leidet seit Jahren unter diversen Symptomen – was ist die Ursache? (Foto: Getty Images | Israel Sebastian | Symbolbild)

Autorenteam: Syeda Sabahat Mansur, Fardidullah Shah, Federal Government Services Hospital in Islamabad, Pakistan: 17-Year-Old With Hair Loss, Dysmenorrhea, Thrush, and Diarrhea – Medscape | Übersetzung und Redaktion: Dr. Nina Mörsch

Der Fall

Die junge Patientin leidet seit ihrer Kindheit immer wieder unter Soor und Geschwüren im Mund. Ein Zusammenhang mit der Einnahme von Antibiotika oder Trauma besteht aber nicht. Auch hat sie immer wieder Durchfall mit 4–7 wässrigen bis halbfesten Stuhlgängen pro Tag, jedoch ohne Beimengung von Blut oder Schleim. Die Symptome treten häufiger nach dem Genuss von Fleisch auf, nicht aber nach dem Verzehr von Weizenprodukten.

Der Durchfall geht mit kolikartigen Bauchschmerzen einher. Diese treten mittig auf, strahlen nicht aus und sind nicht mit Blähungen verbunden. Erbrechen tritt mit einer variablen Häufigkeit von etwa 3–5 Episoden pro Tag auf. Das Erbrochene ist wässrig, erfolgt in der Regel nach einer Mahlzeit und enthält gelegentlich Nahrungspartikel. Blut im Erbrochenen wurde indes nicht festgestellt. Das Mädchen klagt über Schwindel in der letzten Zeit, vornehmlich beim Aufstehen aus der Rückenlage oder dem Sitzen.

Hyperpigmentierung von Mundschleimhaut und Handflächen

Ebenfalls auffällig ist, dass sich in den letzten 1–2 Jahren die Mundschleimhaut und die Haut des Mädchens an den Handflächen (vor allem in den Handfalten), den Fingern und den Gelenken verdunkelt haben, ohne dass sie längere Zeit dem Sonnenlicht ausgesetzt waren.

Weiterhin erzählt das Mädchen von Fieberschüben in den letzten 6–8 Monaten, die in der Regel niedriggradig waren, nachts auftraten und mit Schwitzen, aber nicht mit Schüttelfrost verbunden waren. Zudem berichtet es von Lethargie, leichter Ermüdbarkeit und Herzklopfen bei Anstrengung ohne Schmerzen in der Brust; jedoch habe sie nie das Bewusstsein verloren. Außerdem habe ihr Appetit nachgelassen und ihr Gewicht sei in den letzten 6 Monaten um etwa 5 kg gesunken.

Haarausfall, verstopfte Nase und weitere Symptome

Weitere Symptome sind leichter Haarausfall, doch ohne Hinweis auf Vitiligo. In ihrer Anamnese finden sich auch verstopfte Nase, Niesen und das Postnasal-Drip-Syndrom, doch ohne Hämoptysen. Probleme mit den Gelenken (Schwellungen oder Schmerzen) oder den Augen hat sie nicht. Da ihr aber schwindlig ist und sie sich schwach fühlt, kann sie kaum aufstehen und bleibt im Allgemeinen im Bett liegen.

Weiterhin erzählt das Mädchen von früheren Schmerzen während der Regelblutung sowie Polymenorrhoe. Seit einem Jahr sei ihre Regel jedoch ausgeblieben.

2 Geschwister mit ähnlichen Symptomen

Sie ist ängstlich, depressiv, hat keine bekannten Allergien, raucht nicht, trinkt keinen Alkohol, nimmt keine illegalen Drogen und keine regelmäßigen Medikamente ein. Sie ist unverheiratet, hat keine sexuellen Kontakte und stammt aus einer Familie der Mittelschicht. Die Frage nach einer Bluttransfusion in der Vergangenheit verneint sie. In der Familienanamnese gibt es 2 Geschwister mit ähnlichen Symptomen in der frühen Kindheit. Ihre Eltern sind am Leben und gesund.

Körperliche Untersuchung

Die Patientin präsentiert sich als wache, dünne, blasse, dehydrierte Frau. Sie hat einen

  • regelmäßigen Puls von 96 Schlägen/Min.,
  • eine Atemfrequenz von 14 Atemzügen/Min.,
  • eine Temperatur von 36,7 °C und
  • einen Blutdruck von 75/40 mmHg in Rückenlage (im Stehen systolisch 45 mmHg und diastolisch Druck 0 mmHg).
  • Sie wiegt 37 kg.
  • Es liegt keine Gelbsucht vor.
  • Die Haut ist vor allem in den Handflächenfalten, den Lippen und der Mundschleimhaut hyperpigmentiert (Abb. 1).
17-Jährige mit Haarverlust, Dysmenorrhoe und Durchfall
Abb. 1: Die Patientin ist dünn, blass und dehydriert. (Foto: Medscape.com)
17-Jährige mit Haarverlust, Dysmenorrhoe und Durchfall
Abb. 1: Die Patientin ist dünn, blass und dehydriert. (Foto: Medscape.com)

Bei der Untersuchung der Mundhöhle fällt eine Winkelstomatitis auf, die Zunge ist glatt und glänzend. Weiße Flecken deuten auf Soor hin (Abb. 2).

17-Jährige mit Soor
Abb. 2: Mundhöhle mit Soor (Foto: Medscape.com)
17-Jährige mit Soor
Abb. 2: Mundhöhle mit Soor (Foto: Medscape.com)

Ihr Hals zeigt keine Anzeichen von geschwollenen Lymphknoten. Die Trachea ist mittelständig und der Jugularvenenpuls ist normal. Es sind keine Blutergüsse, Petechien oder Anzeichen von Blutungen, Hautknötchen oder abnormen Bewegungen der Gliedmaßen zu erkennen. Periphere Ödeme sind nicht vorhanden. Die Herzuntersuchung zeigt normale S1- und S2-Töne ohne Geräusch. Die Brustauskultation ist normal. Das Abdomen ist nicht druckempfindlich und es gibt keinen Hinweis auf eine Viszeromegalie. Die Darmgeräusche sind unauffällig.

Ergebnisse der Laboruntersuchungen

Die Laboruntersuchungen ergeben folgende Werte:

  • Serumhämoglobinwert: 8,7 g/dL (mittleres korpuskuläres Volumen von 68 fL)
  • Thrombozytenzahl: 348.000/μL (Referenzbereich 150.000–450.000/μL)
  • Leukozytennzahl: 3980/μL (Referenzbereich 4.500–10.000/μL)
  • Eosinophile im Normbereich (3 %)
  • peripheres Blutbild zeigt Anzeichen einer hypochromen mikrozytären Anämie
  • multifaktorielle Eisenmangelanämie (Ernährung, Gastritis, Menorrhagie)
  • Erythrozytensedimentationsrate: 30 mm/Stunde
  • Serum-Eisenwert: 20 µg/dL (Referenzbereich 26–170 µg/dL)
  • Serum-Ferritinwert 10 ng/mL (Referenzbereich 12–160 ng/mL)
  • Gesamteisenbindungskapazität 580 µg/dL (Referenzbereich 262–474 µg/dL)

Die Vitamin-B12-Werte sind normal, der Serumglukosespiegel liegt bei 65 mg/dL, und die Ergebnisse der Nieren- und Leberfunktionstests sind normal.

Natrium- und Kaliumspiegel sind erhöht (140 mEq/L und 5,6 mEq/L), wie auch der Harnstoffwert im Serum mit 60 mg/dL. Der Serumkreatininspiegel liegt bei 1 mg/dL. Das EKG ist unauffällig.

Die Urinanalyse zeigt zwar Leukozyten 2+, doch die Ergebnisse von Kultur und Empfindlichkeitstests sind normal. Blutkulturen und Sensitivitätstests bleiben negativ. Die arteriellen Blutgase sind normal. Der Anti-Transglutaminase-Antikörpertest (Anti-TTG) zeigt einen Immunglobulin A (IgA)-Wert von 6,1 μ/ml (Referenzbereich < 7 μ/ml) und einen IgG-Wert von 6,2 μ/ml (Referenzbereich < 15 μ/ml; grenzwertig 15–17 μ/ml; erhöht > 17 μ/ml).

Das abends gemessene Serumkortisol beträgt 0,11 μg/dL (Referenzbereich 1,7–16,6 μg/dL) und morgens 4,2 μg/dL (Referenzbereich 6-23 μg/dL).

Weitere Werte:

  • Adrenocorticotropin (CTH): 75,8 pg/ml (Referenzbereich < 46 pg/ml)
  • Thyroidea-stimulierende Hormon (TSH): bei 3,5 mIU/L (Referenzbereich 0,5–4,70 mIU/L)
  • Triiodthyronin (T3): 4,4 pmol/L (Referenzbereich 3,5–6,5 pmol/L)
  • Thyroxin (T4): 18. 7 pmol/L (Referenzbereich, 10–23 pmol/L)
  • Luteinisierungshormon (LH): 1,17 mIU/mL (Referenzbereich 0,5–9,0 mIU/mL)
  • Follikel-stimulierendes Hormon (FSH): 4,72 mIU/mL (Referenzbereich 3–10 mIU/mL)
  • Parathormon (PTH): 58 pg/mL (Referenzbereich 16–87 pg/mL)

Nachweis von Candida albicans

Ein Abstrich der Mundschleimhaut zeigt Candida albicans. Die Ergebnisse der Röntgenuntersuchung des Brustkorbs, die Ultraschalluntersuchung des Abdomens und des Beckens sowie die Untersuchung des Verdauungstraktes sind normal.

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