Zöliakie-Diagnostik: Diese Stolperfallen sollten Sie kennen
Wie erkenne ich Zöliakie und wie grenzt sie sich von einer Weizenallergie ab? Wolfgang Fischbach war maßgeblich an der Leitlinie Zöliakie beteiligt. Er fasst zusammen, was bei Diagnostik und Therapie zu beachten ist.
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Der folgende Beitrag basiert auf dem Vortrag „Zöliakie“ von Wolfgang Fischbach, Aschaffenburg, auf dem 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. | Redaktion: Nathalie Haidlauf
Was brauchen wir zur Diagnose einer Zöliakie?
Die Leitlinie spricht von zwei Säulen der Diagnostik. Wir brauchen erstens den Nachweis von Gewebstransglutaminase igA-Antikörper im Serum, gleichzeitig die Bestimmung des Gesamt-IgA im Serum – diese dürfen nicht erniedrigt sein. Und die zweite Säule der Diagnostik ist die Ösophagogastroduodenoskopie bzw. die Biopsien, die wir aus dem Duodenum entnehmen.
Diese Biopsien werden heute üblicherweise nach der modifizierten Marsh-Oberhuber-Klassifikation klassifiziert. Dabei gibt es die Typen 0 bis 3C. Definitionsgemäß sind für die Zöliakie Marsh-2 und Marsh-3 maßgeblich. Das heißt, wenn wir den Nachweis von Transglutaminase igA-Antikörpern im Serum haben und den Nachweis von Marsh-2, Marsh-3 Veränderungen in der Histologie, ist die Diagnose Zöliakie bestätigt.
Wichtig: 3 Monate Glutenexposition vor Diagnose
Eine wichtige Voraussetzung: Wir brauchen diese beiden Untersuchungen unter einer Glutenexposition von mindestens drei Monaten. Das heißt, wenn Ihr Patient oder Ihre Patientin Gluten bereits aus seiner Ernährung gestrichen hat und Sie möchten eine zuverlässige Zöliakie-Diagnostik machen, dann müssen Sie die Person bewusst zunächst reexponieren – und zwar über einen Zeitraum von etwa drei Monaten.
Generell lässt sich sagen, dass die Transglutaminase-Antikörper eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität aufweisen, sodass sich die Frage stellt, inwiefern Endoskopie und Histologie für die Diagnose überhaupt benötigt werden.
Brauchen wir die Endoskopie und die Histologie überhaupt noch?
Diese Frage wurde bei Erstellung der Leitlinie heftig diskutiert, so Wolfgang Fischbach. Beschlossen wurde, dass bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht zwingend eine endoskopisch bioptische Diagnostik benötigt wird.
- Sofern bei Kindern und Jugendlichen die IgA Transglutaminase-Antikörper um mehr als das Zehnfache erhöht sind und die Endomysium-Antikörper positiv sind, ist eine serologische Diagnose möglich – auch ohne Endoskopie und Histologie.
Bei Erwachsenen gilt dieser Grundsatz nur in Fällen, in denen die Endoskopie kontraindiziert ist. Das ist laut Fischbach in der Praxis selten der Fall, sodass die Endoskopie bei Erwachsenen heute meist noch Bestandteil der Diagnostik ist.
Was ist überflüssig?
Die IgG-Antikörper gegen Transglutaminase oder gegen Endomysium oder auch die diamidierten Glykopeptide werden nicht routinemäßig benötigt, es sei denn, das Gesamt-IgA ist erniedrigt. Nur in diesem Fall geht es auch um die Bestimmung der IgG-Antikörper.
Die Bestimmung der HLA-Risikogene DQ2 und DQ8 sind routinemäßig nicht sinnvoll. Diese negativen Marker schließen eine Zöliakie aus und ihr Nutzen liegt daher im Ausschluss einer Zöliakie in bestimmten Konstellationen. Situationen, in denen Ärztinnen und Ärzte auf die Bestimmung von DQ2 und DQ8 zurückgreifen können sind z.B.
- Der Pathologe bzw. die Pathologin beschreibt eine Zottenatrophie, aber die Antikörper sind negativ.
- Oder Sie haben einen Fall, bei dem schon eine glutenfreie Ernährung vorliegt und die Patientin bzw. der Patient nicht bereit ist, sich dem Gluten erneut zu exponieren.
Wie geht es weiter, wenn die Diagnose etabliert ist?
Zunächst wird eine glutenfreie Diät eingeleitet. Parallel dazu wird alle sechs Monate eine serologische Kontrolle durchgeführt – und zwar so lange, bis die Transglutaminase igA-Antikörper normalisiert sind. Sobald sie normalisiert sind, können die Intervalle auf 1 bis 2 Jahre ausgedehnt werden.
Wie häufig ist Zöliakie?
In Deutschland gehen wir von einer Prävalenz von 0,3 bis 1 % aus. In einigen Ländern liegt sie etwas höher. Frauen und Männer sind etwa im Verhältnis eins zu 1,5 zu eins betroffen. Weltweit ließ sich in den letzten 50 Jahren eine Zunahme der Zöliakie beobachten. Die Frage, welche Ursachen dem zugrunde liegen, ist noch offen. Diskutiert wird der westliche Lebensstil, die Ernährung und insbesondere eine Zunahme der Glutenaufnahme.
Grundsätzlich kann man sagen, dass es kein klinisches Bild gibt, das per se eine Zöliakie ausschließt. Auch die Obsipation, auch Übergewicht und Adipositas sind keine Ausschlusskriterien für eine Zöliakie.
Glutenfreie Diät als wichtigstes Element der Therapie
- Bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten jeden Alters wird eine lebenslange glutenfreie Diät empfohlen.
- Ziel: Glutenaufnahme < 10 mg/Tag
- Es ist generell sinnvoll, den Zöliakie Patienten eine professionelle Ernährungsberatung zu empfehlen, insbesonders dann, wenn sie nicht sicher sind, ob die Diät richtig eingehalten wird, richtig verstanden wird oder vielleicht die Antikörper zögerlich oder gar nicht zurückgehen oder die Histologie nicht besser wird.
- Wenn es Mangelzustände gibt, sind diese unter der Diät zu kontrollieren. Gegebenenfalls müssen diese Mangelzustände enteral oder parenteral substituier werden, in Form von Nährstoffen, Mineralstoffen oder Vitaminen.
- Auch asymptomatische Patienten mit Zöliakie sollten eine glutenfreie Diät einhalten.
Bei Patientinnen und Patienten mit potenzieller Zöliakie ist eine glutenfreie Kost nicht generell erforderlich, aber es wird ein klinisches und laborchemisches Monitoring alle 6 bis 12 Monate empfohlen. Und wenn dann doch eine Symptomatik eintritt, ist auf die entsprechende glutenfreie Diät überzugehen.
Bislang ist die Diät das wichtigste Element der Therapie. Doch laut Fischbach gibt es eine ganze Reihe von neuen Substanzen, die in Entwicklung sind, die es uns vielleicht in den nächsten Jahren ermöglichen, etwas großzügiger in der Diät zu sein. Es sei derzeit jedoch noch nicht konkret abzusehen, wann diese Medikamente zur Verfügung stehen werden.
Abgrenzung: Wenn es keine Zöliakie ist
Es gibt zwei Erkrankungen, die auch mit Weizen assoziiert sind, aber nicht der Zöliakie entsprechen:
- die Weizenallergie als IgE vermittelte Erkrankung mit Nachweis von spezifischem IgE im Serum und entsprechendem Haut pricktest. Die echte Weizenallergie ist selten, sogar sehr selten und sie tritt eigentlich immer in Kombination mit anderen allergischen Erscheinungen auf. Das heißt, wenn Sie Patienten vor sich haben, die keine anderen allergischen Erscheinungen haben, ist eine Weizenallergie relativ unwahrscheinlich. Wie gehen wir es an? Weizenkarenz und dann konsekutive Reexposition unter Beachtung systemischer und gastrointestinale Reaktionen.
- Wahrscheinlich häufiger, wenngleich da konkrete Zahlen bislang nicht vorhanden sind, ist die die sogenannte Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität. Diese Erkrankung ist in der Regel dosisabhängig, was heißt, dass im Gegensatz zur Weizenallergie eine gewisse Menge an Weizen durchaus vertragen wird. Wir können diese Erkrankung vermuten, wenn eine Weizenallergie und eine Zöliakie ausgeschlossen sind und eine entsprechende Ernährungsanamnese darauf hinweist. In diesem Falle wird das Führen eines Ernährungstagebuchs empfohlen, sowie ein konsequenter Weizenentzug mit nachfolgender Reexposition und Beachtung der jeweiligen Auswirkungen auf die gastrointestinale Symptomatik.
Zusammenfassung: Was ist zu tun und was nicht?
- Grundsätzlich eine Zöliakie als mögliche Differenzialdiagnose denken.
- Hinweis auf eine Zöliakie bekommen Sie durch erhöhte tTG-IgA-Antikörper bei normalem Gesamt-IgA
- Wichtig: Diagnostik (serologisch und histologisch) unter Glutenexposition!
- Eine alleinige serologische Diagnostik ist prinzipiell möglich
- Bestimmung der HLA-Risikogene DQ2 und DQ8 nur in Ausnahmefällen
- Ist eine Zöliakie ausgeschlossen, aber es gibt Hinweise auf eine Unverträglichkeit von Weizen-Produkten: an mögliche Weizenallergie oder an Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität denken
- Weizenfreie Ernährung ist nicht per se gesund
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