
Wie Vorhofflimmern auch die Ventrikelfunktion beeinflusst
Dr. Steffen Pabel arbeitet als Assistenzarzt und Wissenschaftler am Universitären Herzzentrum des Universitätsklinikums Regensburg. In seiner aktuellen Arbeit beschreibt er erstmalig die nachteiligen Effekte von Vorhofflimmern auf den menschlichen Ventrikel. Hier fasst er seine Ergebnisse zusammen.
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Dieser Beitrag erscheint hier mit freundlicher Genehmigung von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM).
Autor: Dr. Steffen Pabel | Redaktion: Marina Urbanietz
Effekte von VHF auf die LV-Funktion als mögliche Ursache der Tachykardie-induzierten Kardiomyopathie
Vorhofflimmern (VHF) und Herzinsuffizienz treten sehr häufig konkomitant auf, was die kardiovaskuläre Prognose verschlechtert. Klinische Studien konnten kürzlich belegen, dass eine Rhythmustherapie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und VHF die Mortalität reduziert und zur Besserung der linksventrikulären (LV) Funktion führen kann. Während die Pathophysiologie von VHF im Vorhof gut charakterisiert ist, sind die Mechanismen und Effekte von VHF auf die LV-Funktion als mögliche Ursache der Tachykardie-induzierten Kardiomyopathie wenig verstanden.
Für eine translationale Aufklärung wurde LV-Myokard von Patienten mit erhaltener LV-Funktion mit Sinusrhythmus (SR) oder VHF untersucht, welche sich aufgrund einer Aortenklappenstenose einem operativen Klappenersatz unterzogen haben (vergleichbare klinische Daten, EF>50 %). In strukturellen Untersuchungen zeigten sich keine Unterschiede bezüglich der Fibrose in LV-Myokard von Patienten mit SR oder VHF. Jedoch waren LV-Kardiomyozyten von Patienten mit VHF durch eine gestörte zelluläre Ca2+-Homöostase bestehend aus reduzierten systolischen Ca2+-Transienten gekennzeichnet, was Korrelat einer systolischen Dysfunktion sein kann. Dies ließ sich auch in Herzen von gesunden Spendern mit VHF bestätigen.
Darüber hinaus konnte für eine prospektive Validation die Kultivierung humaner Kardiomyozyten und die In-vitro-Simulation von VHF etabliert werden. Nach VHF-Simulation zeigten sich ebenfalls reduzierte Ca2+-Transienten in humanen LV-Kardiomyozyten von gesunden Spendern. Für weitere mechanistische Untersuchungen wurden humane ventrikuläre induzierte pluripotente Stammzell-Kardiomyozyten (iPSC-CM) verwendet. Eine chronische VHF-Simulation führte in diesen Zellen ebenfalls zu einer verringerten systolischen Ca2+-Transienten-Amplitude. Dies ließ sich durch eine verringerte Ca2+-Beladung des sarkoplasmatischen Retikulums in iPSC-CM nach VHF-Simulation aufgrund eines erhöhten diastolischen Ca2+-Lecks erklären. Letzteres ist ein typischer Mechanismus des maladaptiven Remodelings in der Herzinsuffizienz und kann zur systolischen und diastolischen Dysfunktion führen.
Außerdem zeigte sich die zytosolische Na+-Konzentration erhöht und die Dauer des Aktionspotentials nach AF-Simulation verlängert. Als Auslöser für das nachteilige Ca2+/Na+-Remodeling konnten wir einen erhöhten späten Na+-Strom detektieren. In molekularen Untersuchungen von menschlichem LV-Myokard zeigte sich vermehrt oxidativer Stress bei Patienten mit VHF. Konsekutiv konnte aufgeklärt werden, dass die Ca2+/Calmodulin-abhängige Proteinkinase IIδc (CaMKII), die maßgeblich an der Progression der Herzinsuffizienz beteiligt ist, im LV von Patienten mit VHF stärker oxidiert ist, was zu einer erhöhten CaMKII-Aktivität führte. Das damit einhergehende molekulare Remodeling konnte die nachteiligen Veränderungen der Ca2+/Na+-Homöostase in Patienten mit VHF erklären. Eine Inhibition der CaMKII sowie die Reduktion von oxidativem Stress konnten den Phänotyp in iPSC-CM nach VHF-Simulation verhindern und somit diese Mechanismen kausal bestätigen.
Relevanz für die Praxis
Diese Arbeit beschreibt erstmalig die nachteiligen Effekte von VHF auf den menschlichen Ventrikel. Durch die Untersuchung von verschiedenen Patientenkohorten und humanen Modellen sind die Ergebnisse von translationaler Relevanz und bieten eine mechanistische Erklärung für die prognoserelevanten Effekte der Rhythmus-Wiederherstellung bei Patienten mit VHF in klinischen Studien. Diese Arbeit könnte Ärzte und Wissenschaftler dazu anregen, VHF nicht nur als eine Erkrankung des Vorhofs, sondern als eine Erkrankung des gesamten Herzens zu verstehen.
Die Ergebnisse seines Projekts konnte Dr. Pabel in der Zeitschrift Circulation Research (Circ Res 2022; 130: 994–1010) publizieren.