
Phlebitis und OVT: Wann behandeln und wie?
Oberflächliche Venenthrombosen (OVT) und Phlebitis sind häufig und können gefährlich sein. Prof. Viola Hach-Wunderle (Frankfurt a. M.) fasst anhand der aktuellen S2k-Leitlinie wichtige Aspekte zu Diagnostik und Therapie zusammen.
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag von Prof. Viola Hach-Wunderle (Frankfurt a. M.) „Phlebitis – häufig und gefährlich“ auf dem DGIM2023 | Autorin: Dr. Linda Fischer
Phlebitis und oberflächliche Venenthrombosen
Venenentzündungen (Phlebitis) und oberflächliche Venenthrombosen (OVT) können sich zu tiefen Venenthrombosen auswachsen, weiß Prof. Dr. med. Viola Hach-Wunderle, Fachärztin für Innere Medizin und Angiologie und Sektionsleiterin „Angiologie“ des Gefäßzentrums am Krankenhaus Nordwest (Frankfurt a. M.). Daher gelte es, schnell richtig zu diagnostizieren und zu behandeln.
Das Risiko einer venösen Thromboembolie (VTE) bei einer OVT steigt mit dem Lebensalter (s. Abb. 2 in Geersing et al). In einer großen holländischen Studie betrug die Inzidenzrate 1,31 auf 1.000 Personenjahre.1
Wie würden Sie vorgehen? 2 Kasuistiken
Fall 1
Auflösung: Dies ist eine häufige Situation. Werden Varizen sklerosiert, ...
Dies ist eine häufige Situation: Werden Varizen sklerosiert, ist die Folge oft eine Venenentzündung, was laut Hach-Wunderle in der Natur der Krankheit und der Therapie liegt. Die relativ beste Antwort ist hier eine Stichinzision durchzuführen und den Thrombus herauszudrücken. Der Patient bzw. die Patientin sei dann meist sofort beschwerdefrei.
Fall 2
Auflösung: Entscheidend ist hier die spontane Venenentzündung ...
Entscheidend ist hier die spontane Venenentzündung. In diesem Fall rät Hach-Wunderle dazu, medikamentös zu therapieren und zu sonografieren.
Phlebitis: Sonografie als führende diagnostische Maßnahme
Klinisch unterscheiden Ärztinnen und Ärzte zwischen Thrombophlebitis (Entzündung in einer gesunden Vene, z. B. nach Infusion), Varikophlebitis und transfaszialer Phlebitis (Thrombus einer oberflächlichen Vene wächst in die tiefe Vene hinein). Als diagnostische Maßnahme dient in erster Linie die Sonografie zur Erfassung der Länge des Thrombus‘ und dessen Abstand zur nächsten Krosse (Einmündung in das tiefe Venensystem).
3 Therapieoptionen bei OVT
Zur Therapie einer OVT stehen folgende Maßnahmen zur Verfügung:
- Basismaßnahmen: Kompression und Mobilisierung sowie Kühlung, NSAR, Heparingele und Thrombusexpression
- Antikoagulation: richtet sich nach der Thrombuslänge und -lokalisation und kann verschiedene Dosierungen umfassen (therapeutisch, halb-therapeutisch)
- Operation: Bei transfaszialem Wachstum kann die betroffene Vene zeitnah oder nach 3-monatiger Antikoagulation operativ entfernt werden.
Antikoagulation: Wann und welche Dosis?
Doch nach welchen Kriterien wird entschieden, ob antikoaguliert werden muss und in welcher Dosis? Um dies zu beantworten, beruft sich Hach-Wunderle auf die aktuelle VTE-Leitlinie von Februar 20232, nach der voll-therapeutisch antikoaguliert werden muss, wenn eine OVT der unteren Extremitäten vorliegt, bei welcher der Abstand zur nächsten Krosse < 3 cm beträgt. Dies sei eine gefährliche Situation, in der die therapeutische Dosis eingesetzt werden muss.
Weniger gefährliche Situationen, in denen nicht-therapeutisch dosiert werden muss, umfassen Thromben, die > 3 cm von der nächsten Krosse entfernt sind und die eine Gesamtlänge von ≥ 5 cm messen. Diese Situation zeige sich mit am häufigsten, so die Fachärztin. Hier sei eine nicht-therapeutische Dosis anzusetzen.
Bei einer Längenausdehnung von < 5 cm und wenn der Thrombus zudem mündungsfern lokalisiert ist, müsse hingegen nicht antikoaguliert werden.
Antikoagulieren mit Fondaparinux, Rivaroxaban, Heparin
Beste Evidenz zur Antikoagulation liegt vor für Fondaparinux mit 1 × 2,5 mg/Tag subkutan über 45 Tage mit einer hohen Empfehlungsstärke in der Leitlinie auf Basis der Placebo-kontrollierten CALISTO-Studie. Ist die Therapie mit dem Medikament nicht möglich, kann alternativ Rivaroxaban eingesetzt werden, mit 1 × 10 mg/Tag oral (Off-Label). Die Basis hierfür sind Daten der SURPRISE-Studie, in der die Wirkung von Rivaroxaban mit der von Fondaparinux verglichen wurde.
Eine weitere Alternative ist niedermolekulares Heparin (NMH), vorzugsweise in einer intermediären Dosierung. Die Therapiedauer beträgt nach den Studien 45 Tage – bei transfaszialem Thrombus ≥ 3 Monate.
Risikofaktoren für VTE: hohes Alter, männliches Geschlecht
Aus der SURPRISE-Studie kristallisierten sich zudem folgende Risikofaktoren für eine VTE heraus, die Ärztinnen und Ärzte bei ihren Patientinnen und Patienten abklären sollten:
- Alter > 65–75 Jahre
- männliches Geschlecht
- nicht-variköse Venen/Perforans betroffen
- Zustand nach einer VTE
- Malignom (akut oder anamnestisch)
- Autoimmunkrankheiten
- kürzliche Immobilisierung
Einer kleinen Untersuchung mit 147 Patientinnen und Patienten zufolge, die mit dem NMH Tinzaparin subkutan in der halb-therapeutischen Dosis behandelt wurden, stellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zudem folgende lokale Risikofaktoren für eine VTE fest:
- Ober- und Unterschenkel betroffen
- Saphenavene beteiligt
- nicht-variköse Venen betroffen
- multiple Lokalisationen
Lagen > 2 Risikofaktoren vor, stieg das Risiko für eine VTE und lag dann bei rund 30 % (s. Abb. 4c in Nikolakopoulos et al)3, resümiert Hach-Wunderle.
Dieser Artikel wurde zuerst am 16. Mai 2023 veröffentlicht und am 29. September 2023 aktualisiert.