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Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin

15. Mai 2023
Akutes Koronarsyndrom

Neue Entitäten, Ausschlussdiagnostik und Antikoagulation

Das Management des akuten koronaren Syndroms (ACS) lässt sich weiter optimieren, wie die für 2023 geplanten neuen ESC-Leitlinien zeigen. Wichtige Neuerungen betreffen die Akutdiagnostik und die post-interventionelle Antikoagulation. Neue ACS-Entitäten werden etabliert.

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Mann greift sich an Brust
Das Management des akuten Koronarsyndroms lässt sich optimieren. Symbolbild (Foto: Getty Images / Moment)

Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag von Prof. Dr. Sebastian Reith (Münster) „Das akute Koronarsyndrom“ auf dem DGIM2023 | Autor: Dr. med. Horst Gross, Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin

Neue ESC-Leitlinie 2023

Das akute Koronarsyndrom (ACS) ist nach wie vor eine der häufigsten Todesursachen. Jährlich sterben EU-weit rund 4 Millionen Menschen daran. Viele Todesfälle wären vermeidbar. Prof. Dr. Sebastian Reith (Münster) berichtet, dass es durch die konsequente Anwendung von Leitlinien gelungen sei, die Sterblichkeit beim ACS von 18 % auf 7 % zu senken. Nun gelte es, diesen Erfolg durch die Weiterentwicklung der Leitlinien fortzusetzen. Die definitorische Trennung zwischen NSTEMI (Nicht-ST-Hebungs-Infarkt) und ACS wird aufgehoben. Das neu definierte Syndrom „Akuter Brustschmerz ohne persistierende ST-Strecken-Erhöhung“ wird unter der Abkürzung NSTE-ACS neu in die Leitlinien eingeführt.

Vereinfachtes „Rule Out“

Durch die Einführung des hochsensitiven kardialen Troponins (hs-cTn) konnte das Ausschlussverfahren für das Infarktereignis (Rule out Algorithmus) auf 1–2 Stunden verkürzt werden. Dies bei einer Evidenzempfehlung der Stufe 1A. Neu ist, dass NT-proBNP (N terminales pro B-type natriuretic peptide) bereits in der Primärdiagnostik bestimmt werden sollte, da dieser Parameter eine hohe prognostische Bedeutung für den Verlauf einer Herzinsuffizienz besitzt. Andere Laborparameter wie CK (Creatinkinase) und CK-MB (Isoenzym der CK mit M- und B-Untereinheit) verlieren an Bedeutung.

Ticagrelor präferieren

Deutliche Veränderungen zeichnen sich bei der post-interventionellen Antikoagulation ab. Der Münsteraner Experte sieht einen klaren Trend zu Ticagrelor. Ausschlaggebend dafür seien die TWILIGHT-Studie2 und eine Metaanalyse aus dem Jahr 20223, die die sichere Möglichkeit einer verkürzten dualen Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) bei Patientinnen und Patienten mit hohem Blutungsrisiko aufzeigen. Demnach bietet Ticagrelor bei erhöhtem post-interventionellem Ischämie-Risiko einen guten Schutzeffekt, bei gleichzeitig deutlich reduziertem Blutungsrisiko. Dies im Vergleich zur verlängerten DAPT-Therapie.

Erweiterte Revaskularisierung

Ein zentrales Thema des Vortrags war die Frage, ob bei Mehrgefäßerkrankungen eine komplette Revaskularisation oder eine fokale Intervention der Zielläsion durchgeführt werden soll. Die 2020-Leitlinien geben hierzu 2A- und 2B-Empfehlungen, die dem Untersuchenden Freiheiten lassen. Reith verwies auf die aktuellen Ergebnisse der COMPLETE-Studie aus dem Jahr 20194, die einen Vorteil für die vollständige Revaskularisation bei STEMI-Patientinnen und -Patienten zeigten. Diese sollte jedoch innerhalb der ersten 45 Tage erfolgen. Eine weitere relevante Studie untersuchte Menschen mit ACS, mit einem Anteil von 50 % an NSTEMI-Patientinnen und -Patienten5. Die Ergebnisse zeigten ebenfalls den Vorteil einer kompletten Revaskularisation bei hämodynamisch stabilen ACS-Patientinnen und -Patienten.

Schnelle Intervention

Reith betonte die Notwendigkeit einer frühinterventionellen Strategie innerhalb der ersten 24 Stunden bei Menschen mit hohem kardiovaskulärem Risiko und wies auf die Änderung hin, dass Patientinnen und Patienten nach einer kardiopulmonalen Reanimation ohne ST-Hebungen nicht sofort einer invasiven Koronardiagnostik zugeführt werden müssen. Hier ist die kardiale Ursache unwahrscheinlich.

Neue Krankheitsbilder

Der Experte stellte auch 2 neue klinische Entitäten aus den Leitlinien 2020 vor: die spontane Koronardissektion (SCAD) und den Myokardinfarkt ohne obstruktive Koronarveränderungen (MINOCA). Bei der SCAD kann je nach Bildgebung, Koronarfluss und klinischer Symptomatik eine interventionelle Behandlung oder eine optimale medikamentöse Therapie und spontane Heilung der Koronardissektion erfolgen. Bei MINOCA empfehlen die Leitlinien ein MRT zur Klärung der Ursache. Diese Entitäten werden sich auch in den neuen ECS-Leitlinien wiederfinden, so die Prognose des Kardiologen Reith.

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