
Patienten mit Bauchbeschwerden – was ist zu beachten?
Auf der einen Seite sind Bauchschmerzen mit einer der häufigsten Gründe, warum über 65-Jährige eine Notaufnahme aufsuchen – auf der anderen Seite können ältere Menschen ein akutes Abdomen aufweisen, ohne größere Schmerzen zu empfinden. Prof. Dr. Christian Maaser vom Klinikum Lüneburg erläuterte auf der Jahrestagung der DGIM, auf welche Besonderheiten zu achten ist und wo mögliche Fallstricke liegen.1
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Dieser Beitrag basiert auf dem Vortrag von Prof. Dr. med. Christian Maaser, „Ursachen für Bauchschmerzen in der Geriatrie“, DGIM-Jahrestagung, Wiesbaden, 22. April 2023 und wurde zusammengefasst von Maria Weiß.
Viele Faktoren tragen dazu bei, dass schwere abdominelle Erkrankungen mit akutem Abdomen bei geriatrischen Patientinnen und Patienten häufig nicht rechtzeitig erkannt werden:
- kein Fieber trotz aktiver Infektion bei 20–30 %
- klassische Leukozytose bei bakteriellen Infektionen fehlt häufig
- reduzierte Schmerzwahrnehmung oder erschwerte Artikulation von Schmerzen bei Demenz
- Verfälschung von Symptomen durch Medikamente wie Opioide oder Betablocker
Was ist bei den einzelnen Krankheitsbildern zu beachten?
Ulkus mit akutem Oberbauchschmerz
Peptische Ulcera sind die häufigste Ursache für eine akute obere gastrointestinale Blutung. Das Risiko, z.B. unter Medikamenten wie NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) oder oralen Antikoagulantien, ist im Alter stark erhöht. Oft fehlt der typische Bauchschmerz und das Problem fällt erst durch den Teerstuhl auf. Selbst Komplikationen wie eine Perforation gehen oft nicht mit einem entsprechenden Schmerzbild einher, sodass immer an die Möglichkeit dieser Komplikation gedacht werden muss.
Biliäre Erkrankungen
Bei einem Drittel aller über 65-Jährigen liegt ein Gallensteinleiden vor. Die typische Charcot-Trias von rechtem Oberbauchschmerz, Fieber und Ikterus liegt aber nur bei 30–45 % der geriatrischen Patientinnen und Patienten mit Cholangitis vor.
Bei unklaren Beschwerden oder Hinweisen auf einen Infektfokus sollte die Oberbauchsonografie daher sehr großzügig eingesetzt werden, meinte der Gastroenterologe. Bei erhöhten Cholestase-Parametern und nicht eindeutigem Sonografie-Befund können auch Endosonografie und Schnittbildgebung zum Einsatz kommen – allerdings nur, wenn sich dadurch auch therapeutische Konsequenzen ergeben würden.
Ein häufiger Fehler bei geriatrischen Patientinnen und Patienten: Nach einer ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie) mit Stentversorgung wird versäumt, einen Termin für die Steinentfernung auszumachen. „Diese Patienten kommen dann oft nach 3–4 Jahren mit einer ausgeprägten Cholangitis oder Cholangiosepsis wieder, so die Erfahrung Prof. Maasers.
Akute Pankreatitis
Ein Drittel aller Pankreatiden treten im geriatrischen Alter auf – überwiegend bedingt durch Gallensteine, aber z. T. auch durch Medikamente wie ACE (Angiotensin-Konversions-Enzym)-Inhibitoren oder Statine. 10 % der betroffenen Älteren fallen hierbei lediglich durch einen alterierten mentalen Status oder eine Hypotension auf – die typischen Schmerzen fehlen häufig. Bei der Therapie ist zu beachten, dass die Flüssigkeitssubstitution zu Problemen bei der häufig begleitenden Herzinsuffizienz führen kann.
Akuter Darmverschluss
Zu 80 % ist der Dünndarm betroffen. Ursachen sind häufig Adhäsionen durch frühere Operationen oder inkarzerierte Hernien. Typische Symptome sind geblähtes Abdomen, abdominelle Schmerzen und in frühen Stadien auch Übelkeit und Erbrechen.
Ursachen für Dickdarmverschlüsse können Divertikelerkrankungen, Malignome, Sigma volvulus und Stuhlimpaktierung bei chronischer Obstipation sein. Die Symptome sind ähnlich, Übelkeit und Erbrechen findet man hier eher in einem späten Status. Die klinische Untersuchung mit Auskultation der Darmgeräusche ist hier wichtig und auch die Sonografie hat eine hohe Sensitivität und Spezifität.
Mesenteriale Ischämie
Auch wenn die mesenteriale Ischämie insgesamt eher selten vorkommt, ist es ein klassisches Krankheitsbild des älteren Menschen. 2/3 der Betroffenen sind über 80 Jahre, die Mortalität in dieser Altersgruppe ist sehr hoch. Typisch ist bei embolischen oder thrombotischen Ereignissen ein plötzlich einsetzender heftiger Bauchschmerz, der immer an dieses Krankheitsbild denken lassen sollte. Auch hier kann aber bei geriatrischen Patientinnen und Patienten der typische Ischämie-Schmerz fehlen oder nur gering ausgeprägt sein.
Als weitere wichtige Differenzialdiagnosen bei älteren Menschen mit Bauchbeschwerden nannte Prof. Maaser Divertikulitis und die Appendizitis, die im Alter häufig asymptomatisch verläuft und mit einer erhöhten Mortalität einhergeht. Auch das Aortenaneurysma ist im Alter eine wichtige Differenzialdiagnose bei abdominellen Beschwerden – die typische Trias mit der Kombination von Bauch- und Rückschmerzen und einer pulsierenden Masse weisen aber nur ein Drittel der Patientinnen und Patienten auf. Die häufigste Fehldiagnose ist hier die Nierenkolik.
Beim Ultraschall sollte man alle diese Differenzialdiagnosen im Hinterkopf haben und sich Stück für Stück durcharbeiten, riet der Gastroenterologe.
Auch extraintestinale Ursachen müssen bei Abdominalbeschwerden in Betracht gezogen werden. Dazu gehören z. B. Myokardinfarkt, Pyelonephritis, Harnwegsinfektion, Pneumonie, Lungenembolie, metabolische Azidose oder Herpes zoster. Eine gar nicht so seltene Ursache, vor allem bei älteren Männern, ist auch der akute Harnverhalt. 30 % der Männer mit mittlerer bis starker Prostatahypertrophie entwickeln pro Jahr ein Harnverhalt. Nicht selten würden Patienten aus dem Pflegeheim mit unklarer Symptomatik überwiesen, bei denen dann „im CT die Harnblase schon bis zum Zwerchfell steht.“ Die Sonografie gibt hier schnell Auskunft.
Egal bei welcher Erkrankung: Die Aussage „Ich habe Bauchschmerzen“ hört man von geriatrischen Patientinnen und Patienten häufig nicht, vor allem wenn eine Demenz oder ein Delir vorliegt. Daher ist es hier besonders wichtig, auf Wesensveränderungen zu achten, die auf eine Schmerzsymptomatik weisen. Wichtig ist es auch daran zu denken, bei erhöhten CRP (C-reaktives Protein)-Werten nicht nur an eine Pneumonie, sondern auch an das Abdomen als mögliche Ursache zu denken.