
Aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“
Aktuell arbeiten Delegierte der DGIM-Kommission „Leitlinien“ an über 70 Leitlinien der internistischen Schwerpunktgesellschaften mit. Die S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ ist eine davon, die kürzlich abgeschlossen wurde. DGIM-Mandatsträger Prof. Dr. med. Andreas Stallmach und Prof. Dr. med. Andreas Sturm haben ihre Expertise eingebracht und fassen die wichtigsten Key Facts der Leitlinie zusammen.
Lesedauer: ca. 3 Minuten

Quelle: DGIM | Redaktion: Marina Urbanietz
Prävalenz
In Deutschland hat die Prävalenz des Morbus Crohn (MC) in der vergangenen Dekade deutlich zugenommen. Von 2012 zu 2018 stieg die Zahl der Betroffenen von 177.997 auf 231.723 (+13 %) an. Prospektive Untersuchungen zeigen, dass ein Drittel davon insgesamt einen milden Verlauf haben, die meisten dieser Patientinnen und Patienten brauchten nie eine Therapie mit Immunsuppressiva oder Biologika. Im Gegensatz dazu ist bei einem weiteren Drittel der Verlauf durch eine chronische Krankheitsaktivität und Komplikationen geprägt.
Diagnostik
Mit der aktualisierten Leitlinie werden evidenzbasierte Empfehlungen für alle an der Diagnostik und Therapie des MC beteiligten Berufsgruppen geliefert. Für die Diagnostik sind folgende Punkte relevant:
- Bei Verdacht auf einen MC ist eine Dünndarmdiagnostik, z. B. als MR-Enterografie oder alternativ durch eine Sonografie, durchzuführen.
- Vor Einleitung oder Änderungen der medikamentösen Therapie sollte die entzündliche Aktivität objektiviert werden. Die klinische Einschätzung ist dabei durch eine Kombination aus laborchemischen Parametern (CRP, fäkales Calprotektin) und bildgebenden Verfahren (z. B. Sonographie, ggf. auch Endoskopie) zu ergänzen.
- Es gibt derzeit keine ausreichende Evidenz, dass beim alleinigen endoskopischen Nachweis von entzündlichen Veränderungen eine Therapieoptimierung mit dem Ziel einer Mukosaheilung durchgeführt werden sollte.
- Bei schwerem akutem Schub und/oder therapierefraktärem Verlauf sollte eine Untersuchung auf C. difficile und Cytomegalievirus erfolgen.
- Bei Patientinnen und Patienten mit sekundärem Wirkverlust einer TNF-α-Antikörpertherapie sollte ein reaktives therapeutisches Drug-Monitoring (TDM) erfolgen.
- Diagnostisch wird jetzt der Sonographie als bildgebendes Verfahren in der Erstdiagnostik und in der Verlaufsbeurteilung ein fester Stellenwert zugeordnet. Ohne Zweifel sind eine klinische Remission und das Erreichen einer mukosalen Heilung wichtige Therapieziele bei der Behandlung des MC. Die Diskussion um die Notwendigkeit einer Therapieintensivierung aufgrund einer persistierenden mukosalen Entzündung oder eines erhöhten fäkalen Calprotektins ist kontrovers; dieses Vorgehen wird zurzeit noch nicht empfohlen. Der sekundäre Wirkverlust unter einer Biologikatherapie ist ein häufiges Problem. Bei Patientinnen und Patienten mit sekundärem Wirkverlust unter einer TNF-Antikörper-Therapie ist ein reaktives „Therapeutic Drug Monitoring“ (TDM) durchzuführen und eine entsprechende Dosisanpassung oder Therapiewechsel vorzunehmen
Therapie
Für die Therapie beim MC sind folgende Punkte relevant:
- Alle, die rauchen, sollen zur Abstinenz von Tabakgebrauch motiviert werden.
- Aufgrund heterogener Studienergebnisse und geringer klinischer Wirksamkeit kann der Einsatz von Mesalazin zur Behandlung eines milden akuten MC- Schubes nicht mit ausreichender Evidenz empfohlen werden.
- Betroffene mit hoher Entzündungsaktivität sollen initial mit systemisch wirkenden Steroiden behandelt werden. Ziel einer Langzeittherapie muss jedoch eine steroidfreie klinische Remission mit einer Normalisierung der Lebensqualität sein.
- Der steroidrefraktäre MC sollte primär mit Biologika (Adalimumab, Infliximab ggf. kombiniert mit einem Thiopurin, Ustekinumab oder Vedolizumab) behandelt werden*.
- Bei einem isolierten Befall der Ileozökalregion, kurzer Anamnese und fehlendem Ansprechen auf Steroide ist die Ileozökalresektion verglichen mit der Therapie mit Infliximab als gleichwertig anzusehen.
- Die Fisteltherapie sollte in interdisziplinarer Abstimmung erfolgen, wobei häufig ein kombinierter Ansatz (medikamentös und chirurgisch) indiziert ist.
- Akute Krankheitsschube während einer Schwangerschaft sollten ohne Verzögerung therapiert werden.
Zur Behandlung des leichten bis moderaten Schubes ist Budesonid (9 mg/Tag) insbesondere beim MC des ileozökalen Übergang bzw. des rechten Hemikolons Mittel der Wahl. Bei höherer entzündlicher Aktivität ist eine systemische Steroidtherapie (1 mg/kg K G, max. 75 mg/Tag) mit konsequenter Dosisreduktion indiziert. Systemische Steroide sollen nicht zur Remissionserhaltung eingesetzt werden. Bei Nichtansprechen oder Unmöglichkeit, die Steroidtherapie zu beenden, sollte eine Biologikatherapie eingeleitet werden. Dabei gibt es bei den verschiedenen Therapieoptionen keine Priorisierung; aus den zugelassenen Substanzen ist individuell nach Patientencharakteristika und -bedürfnissen auszuwählen.
Die Chirurgie ist integraler Bestandteil der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit MC und keine ultimaratio. Die Gültigkeit dieser Leitlinie wird zunächst mit fünf Jahren angegeben. Um relevante Neuerungen abzubilden, ist eine jährliche Überprüfung der relevanten Literatur durch die Lenkungsgruppe und Formulierung konsentierter Empfehlungen im Sinne einer „living guideline“ geplant.
Wer Interesse an den Details der Leitlinie (Registernummer 021 – 004) hat, kann sie hier herunterladen: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/021-004.html.
*Die Medikamente sind alphabetisch gereiht. Wenn nicht anders angegeben, impliziert diese Reihung keine Priorisierung für den klinischen Einsatz.