Vergessene Stimmen
Angehörige sind die Ersten, die Veränderungen im Verhalten ihrer nahestehenden Menschen bemerken. Sie begleiten psychische Krisen oft über Jahre, manchmal Jahrzehnte, und leisten immense emotionale, organisatorische und nicht selten auch finanzielle Unterstützung. Und doch erleben sie sich in der psychiatrischen Versorgung wiederholt als ignoriert, abgewiesen oder mit allgemeinen Floskeln vertröstet.
Angehörige sind Teil der Lösung
Angehörige kennen nicht nur den Alltag der Betroffenen, sondern auch deren Ressourcen, Ängste und Rückzugsmuster. Sie können helfen, Rückfälle früh zu erkennen, Sicherheit zu geben und tragfähige Lösungen mitzutragen. Ihr Wissen und ihre Erfahrung sind ein Schatz, der in vielen psychiatrischen Behandlungen ungenutzt bleibt.
Nach der Klinik beginnt der Alltag – aber oft allein
Psychiatrie endet nicht an der Kliniktür – und genau das beschäftigt besonders: Die professionelle Hilfe endet häufig mit der Entlassung. Das Kliniksystem ist auf akute Krisen ausgerichtet – aber das eigentliche Leben beginnt danach. Und genau dort sind Angehörige und Familien oft auf sich allein gestellt. Das ist nicht nur menschlich schwierig, sondern birgt auch Risiken für Rückfälle, Überforderung und chronische Belastungen.
Was es konkret braucht
Eine längerfristige Begleitung – idealerweise systemisch angelegt – würde Angehörige enorm entlasten. Dazu gehören konkret:
• Aufsuchende Nachsorge durch Experten durch Erfahrung, sogenannten Peers, die auch das Familiensystem miteinbezieht
• Angebote für Kinder psychisch erkrankter Eltern
• Regelmäßige Gespräche mit Angehörigen durch Peers – nicht als Ausnahme, sondern als Standard und längerfristig
Proaktiv statt reaktiv
Es braucht einen Kulturwandel. Psychiatrische Teams sollten Angehörige nicht als zeitaufwändige Belastung sehen, sondern als potenzielle Partner. Wir wünschen uns eine Psychiatrie, die nicht nur individualisiert behandelt, sondern auch systemisch denkt – eine Psychiatrie, in der Angehörige nicht erst dann gefragt werden, wenn alles eskaliert ist.